Das Sonnenwunder in Fatima am 13. Oktober 1917

Quelle: St. Athanasius Bote Nr. 35

Seit dem 12. Oktober waren bereits 50.000 Menschen in Fatima angekommen, sodass sie möglichst nahe am Erscheinungsort sein konnten. „Die ganze Nacht und am Morgen fiel ein leichter anhaltender Regen, der alle Felder durchnässte, den Boden schlammig werden Hess und mit seiner kalten Feuchtigkeit die Frauen und Kinder, die Männer und Tiere durchdrang, die eilig auf den schlammigen Pfaden dem Ort des Wunders zustrebten" (Zeugnis von Maria Madelana del Martel Particio).

Unterdessen war Lucias Mutter in Aljustrel sehr beunruhigt bei dem Gedanken an die Tragödie, die sich ereignen würde, wenn das vorhergesagte Wunder nicht eintreten würde. Lucia konnte sie nicht beruhigen. Schliesslich entschlossen sich Maria Rosa und ihr Mann, ihre Tochter zu begleiten und sagten, „wenn ihre Tochter sterben würde, wollten sie an ihrer Seite sein" (Sr. Lucia). Im Gegensatz dazu fürchteten sich die Eltern von Francisco und Jacinta überhaupt nicht, denn sie glaubten an die Erscheinungen Unserer Lieben Frau.

„Als wir in der Cova da Iria in der Nähe der Steineiche ankamen", erinnert sich Lucia, „bat ich die Leute, von einem inneren Impuls getrieben, ihre Regenschirme zu schliessen und den Rosenkranz zu beten." Oben auf der Strasse, geschützt in ihren Autos, wurden alle jene, die nicht den Mut hatten, sich in den tonähnlichen Schlamm der Cova zu wagen, Zeugen eines verblüffenden Spektakels: „In einem Moment", schreibt einer von ihnen, „schloss dieser Haufen Verrückter die Regenschirme, wobei sie entweder aus Demut oder aus Respekt vor der Gottesmutter ihren Regenschutz wegnahmen und versetzten mich damit in Erstaunen und Bewunderung, denn der Regen hielt an und goss sich über ihre Häupter, durchnässte und überschwemmte alles."

Ungefähr um halb zwei Uhr nachmittags schaute Lucia nach Osten und sagte zu Jacinta: „O Jacinta! Knie dich nieder, Unsere Liebe Frau kommt! Ich habe schon den Blitz gesehen!" Dieses Mal schien Lucia in Ekstase zu fallen: „Das Gesicht der Kleinen," berichtet ein Augenzeuge, „wurde immer schöner und schöner und nahm eine rosige Färbung an und die Lippen wurden schmaler." Jacinta gab Lucia einen Stoss und sagte: „Sprich Lucia, Unsere Frau ist schon da!" Da kam Lucia zu sich, atmete zweimal tief durch wie jemand, der ausser Atem ist, und begann ihre Unterhaltung mit Unserer Lieben Frau.

Was wünscht Eure Gnaden von mir?"

„Ich möchte, dass man hier zu meiner Ehre eine Kapelle erbaut. Ich bin Unsere Liebe Frau vom heiligen Rosenkranz. Fahrt fort, den Rosenkranz täglich zu beten. Der Krieg wird bald zu Ende sein und die Soldaten werden nach Hause zurückkehren."

„Ich habe viele Dinge, um die ich Sie bitten soll: um die Heilung von Kranken und die Bekehrung von Sündern. "

„Einige werden geheilt, andere nicht. Die Menscher, müssen ihr Leben bessern und um  Verzeihung für ihre Sünden bitten. Sie dürfen unseren Herrn nicht mehr beleidigen, denn er wurde schon viel zu sehr beleidigt." „Möchten Sie noch mehr? " „Nein."

„Dann werde auch ich Sie um nichts mehr bitten."

Während der Erscheinung konnte die Menge — wie am 13. September — die Wolke sehen, die sich um die Steineiche bildete und sich zunächst in die Luft erhob, bevor sie verschwand. Dann rief Lucia aus: „Schaut, die Sonne!" Genau in diesem Augenblick konnten die Leute das ausserordentliche Spektakel der „tanzenden Sonne" beobachten. Der Regen hatte plötzlich aufgehört, die Wolken teilten sich sehr schnell und der Himmel wurde klar. „Wir konnten ohne Probleme in die Sonne schauen, die uns nicht blendete (...) Alles war ganz ruhig und still; alle schauten nach oben. In einem bestimmten Moment schien die Sonne stehenzubleiben, dann fing sie an sich zu bewegen und zu tanzen, bis es schien, als würde sie sich vom Himmel lösen und auf uns herunterfallen. Das war ein schrecklicher Moment!" (Zeugnis von Ti Sarto, dem Vater von Francisco undJacinta).

Das Versprechen Unserer Lieben Frau hatte sich buchstäblich erfüllt: Alle konnten es sehen.

Während der zehn Minuten, in denen die Menge Zeuge des spektakulären kosmischen Wunders wurde, durften die Kinder ein noch schöneres Schauspiel mitansehen. Die heilige Jungfrau erfüllte vor ihren Augen ihre Versprechen vom 19. August und vom 13. September. Sie durften im Himmel drei aufeinanderfolgende Bilder bewundern:

Die Vision der Heiligen Familie: „Nachdem Unsere Liebe Frau in der unfassbaren Ferne des Firmaments verschwunden war, erblickten wir den heiligen Joseph mit dem Jesuskind und Unsere Liebe Frau in einem blauen Mantel neben der Sonne. Der heilige Joseph und das Jesuskind erschienen, um die Welt zu segnen, denn sie machten ein Kreuzzeichen mit ihren Händen." (Bericht von Lucia)

Die Vision Unserer Lieben Frau vom Mitleiden: „Als diese Vision etwas später verschwand, sah ich unseren Herrn und Unsere Liebe Frau. Es schien die Schmerzensmutter zu sein. Unser Herr erschien, um die Welt auf die gleiche Weise wie der heilige Josef zu segnen." (Bericht von Lucia)

Die Vision Unserer Lieben Frau vom Berge Karmel: „Diese Erscheinung entschwand ebenfalls und ich sah nochmal Unserer Liebe Frau. Dieses Mal sah sie aus wie Unsere Liebe Frau vom Berge Karmel. (Bericht von Lucia).

Es ist einfach nachzuvollziehen, was am 13. Oktober in der Cova da Iria geschah. Die Zeugen des Ereignisses sind unzählbar, ihre Aussagen stimmen überein und sie hinterliessen uns Dokumente in Hülle und Fülle.

Zunächst einmal sind da die zahlreichen Berichte, die sofort danach in der portugiesischen Presse erschienen. Es ist bemerkenswert, dass die ersten Publikationen, diese Ereignisse bezeugen, in kirchenfeindlichen Zeitungen erschienen. Ab November 1917 ordnete die Diözese Lissabon an, dass die Gemeindepriester die Zeugen befragen sollten. Ebenso wurde eine gründliche Untersuchung im Hinblick auf den kanonischen Prozess durchgeführt. Zu diesen können wir noch die Untersuchungen von berühmten Historikern hinzufügen. die Bücher über die Zeugen geschrieben haben, die sie erreichen und befragen konnten. All diese Nachforschungen ergaben in Summe eine beeindruckende Anzahl an Berichten über das Ereignis, die noch zu Lebzeiten vieler Zeugen veröffentlicht wurden.

1977 gelang es anlässlich des sechzigsten Jahrestages der Erscheinungen, mehr als dreißig Personen in Fatima zu vereinen, die das Sonnenwunder gesehen hatten und die in der Lage waren, ihre Zeugnisse erneut zu bekräftigen.

Der Reporter der antikirchlichen Zeitung „O Secolo" berichtet, dass er bei der Ankunft der Menschen drei Gruppen unterscheiden konnte: betende Pilger, gleichgültige Neugierige (zu welcher er sich selbst zählt), aber auch spottende Ungläubige. Ein portugiesischer Historiker, Leopoldo Nunes, stellt fest, dass im Augenblick des großen Wunders einige der berühmtesten Schriftsteller, Künstler und Wissenschaftler anwesend waren, und fast alle waren ungläubig und kamen aus purer Neugier. Sogar der nationale Erziehungsminister der freimaurerischen Regierung war dort.

Es hatte den ganzen Tag des 12. Oktober und die ganze Nacht geregnet. Die Tage zuvor waren von einem sehr warmen und trockenen milden Herbst gekennzeichnet, doch plötzlich hatte sich das Wetter geändert und diesen ununterbrochenen Regen gebracht, der die staubigen Strassen in schlammigen Morast verwandelte, und es wurde kalt wie im Winter. Bei Sonnenaufgang sah das Wetter bedrohlich aus. Schwarze Wolken zogen direkt über Fatima auf. Dennoch strömten die Menschen unaufhörlich herbei. Um zehn Uhr war der Himmel komplett bedeckt und es fing an stark zu regnen. Der starke Wind peitschte gegen die Gesichter der Leute und durchnässte die Pilger, die meist ohne Schutz gegen das Wetter waren, und Hess sie bis ins Innerste ihrer Knochen frieren. Viele Leute wateten singend und betend durch den Schlamm zu der berühmten Eiche. Wie viele kamen? Einer der wichtigsten wissenschaftlich geschulten Zeugen, Dr. Almeida Garrett, schätzte ihre Zahl auf 100.000.

 

Die Reihe der Wunder

Acht verschiedene wunderbare Ereignisse konnten von allen Anwesenden in der Cova da Iria an diesem Tag beobachtet werden. Es ist wichtig, sie alle zusammen zu betrachten, um ein besseres Verständnis dafür zu bekommen, was das „Sonnenwunder'" wirklich war.

1. Eine Wolkensäule

„Es muss ungefähr halb zwei Uhr gewesen sein, als sich an der Stelle, wo die Kinder waren, eine feine, schmale, bläuliche Rauchwolke vom Boden senkrecht bis etwa 1,80 Meter über ihre Köpfe erhob und in dieser Höhe verschwand. Dieses Phänomen, das mit blossem Auge sehr gut sichtbar war, dauerte einige Sekunden. Da ich die Zeit nicht im Auge behalten habe, kann ich nicht sagen, ob es weniger oder mehr als eine Minute gedauert hat. Der Rauch verschwand plötzlich, und einige Momente später geschah dasselbe ein zweites und dann noch ein drittes Mal, erhoben sich die Strahlen und verschwanden eindeutig in der grauen Wolkendecke. Ich schaute mit meiner Brille in diese Richtung. Ich konnte nichts anderes sehen als die Rauchsäulen, doch ich war davon überzeugt, dass sie durch Rauchfässer mit Weihrauch entstanden sind, die geschwungen wurden. Dann erzählten mir einige glaubwürdige Personen, dass dieses Phänomen auch bei den Erscheinungen der letzten fünf Monate beobachtet worden war, dass aber niemand ein Feuer gemacht habe, weder dieses Mal. noch die anderen Male" (Dr. Almeida Garrett).

 

2. Das plötzliche Aufhören des Regens

Die plötzliche Wetteränderung erstaunte alle Zeugen: „Es hat den ganzen Tag geregnet, es war ein leichter, aber beständiger Regen. Doch ein paar Minuten vor dem Wunder hört der Regen auf. In diesem Moment stieg ich aus meinem Wagen aus, und als ich meine Hand zu meiner Frau ausstreckte, um ihr beim Aussteigen zu helfen, verschwanden plötzlich alle Wolken ohne den geringsten Windhauch und die Sonne schien am blauen Himmel" (Prof. Ferreira Borges).

 

3. Die Vision der Sonne

Der Reporter der Zeitung „O Secolo" erinnert sich: „Plötzlich hörte ich einen Ausruf von Tausenden von Stimmen und sah die Menge, die sich zuvor an verschiedenen Plätzen verstreut befunden hatte, zusammenlaufen und sich in kleinen Gruppen um die Bäume herum scharen. Sie drehten ihre Rücken und Schultern von dem Punkt weg, auf den sie bis jetzt ihre Aufmerksamkeit gerichtet hatten, drehten sich um und schauten zum Himmel auf der gegenüberliegenden Seite.

Dann sahen sie ein einmaliges Schauspiel, ein unglaubliches für jeden, der nicht davon Zeuge geworden ist. Von der Strasse aus konnte man die unglaubliche Menge sich der Sonne zuwenden sehen, die ganz frei von Wolken war und im Zenit erschien. Sie glich einer matten, silbernen Scheibe und es war möglich sie anzusehen ohne jegliches Blenden. Es könnte eine Sonnenfinsternis gewesen sein, die stattgefunden hat."

Dr. Almeida Garrett: „Ich drehte mich zu dem Magneten hin, der alle Augen auf sich zu ziehen schien, und sah eine Scheibe mit einem klar umrissenen Rand, leuchtend und scheinend, die aber die Augen nicht blendete. Ich stimme dem Vergleich einer matten, silbernen Scheibe nicht zu, den ich in Fatima gehört habe. Es war viel klarer, strahlender in der Farbe, es hatte etwas vom Glanz einer Perle (....)

Es war eine erstaunliche Tatsache, dass wir unsere Augen auf diesen Licht- und Hitzeherd richten konnten, ohne Schmerzen in den Augen zu haben oder davon blind zu werden. Das Phänomen dauerte wohl ungefähr zehn Minuten, abgesehen von zwei Unterbrechungen, als die Sonne Strahlen glänzender Hitze auszusenden schien, die uns zwangen wegzusehen."

 

4. Der dreifache Tanz der Sonne

Plötzlich begann die Sonne zu zittern, sich mit plötzlichen Bewegungen zu schütteln, schliesslich drehte sie sich mit schwindelerregende Geschwindigkeit um sich selbst und sprühte dabei Lichtstrahlen in allen Farben des Regensbogens aus.

„Die Sonne zitterte, die Sonne machte plötzliche und unglaubliche Bewegungen jenseits aller kosmischen Gesetze. Die Sonne „tanzte" nach der typischen Ausdrucksweise der Menschen." „Es sah aus wie ein Feuerrad." „In einem bestimmten Augenblick schien die Sonne stehen zu bleiben, und dann begann sie. sich zu bewegen und zu tanzen."" Drei Mal wiederholte sich dieser ..Tanz der Sonne'".

 

5. Alle Farben des Regenbogens

Dr. Almeida Garrett: „Während des Sonnenwunders änderten sich die Farben am Himmel. In die Sonne blickend, bemerkte ich, dass alles verdunkelt wurde. Ich schaute zunächst die näherliegenden Gegenstände an und weitete dann meinen Blick bis zum Horizont. Ich sah alles in einer violetten Farbe. Bald hörte ich einen Bauern, der neben mir stand, mit einer völlig verblüfften Stimme ausrufen: „Schau, diese Frau ist ganz gelb!"

Maria de Carmo erinnert sich: „Die Sonne hatte alle Farben des Regenbogens. Alles bekam die gleiche Farbe: unsere Gesichter, unsere Kleidung, die Erde selbst."

Pater Ignacio Lourenco hebt hervor, dass alle Dinge eine unterschiedliche Farbe annahmen, je nachdem, wo sie sich befanden: „Dinge um uns herum bekamen wechselnd alle Farben des Regenbogens. Wir sahen uns selbst blau, gelb, rot.

 

6. Die fallende Sonne

Dr. Almeida Garrett: „Dann hörte man plötzlich ein Geschrei, ein Gekreische voller Angst brach bei allen Leuten aus. Die Sonne drehte sich wild, sie schien sich vom Firmament zu lösen und schoss in beängstigender Weise immer mehr auf die Erde zu, als wollte sie auf uns drauf fallen mit ihrer ganzen Grösse und ihrem ganzen Gewicht. Das war ein fürchterlicher Augenblick."

Andere Zeugen: „Die Sonne begann sich zu bewegen und zu tanzen, bis es schien, als würde sie sich vom Himmel lösen und auf uns herunterfallen. Das war ein schrecklicher Moment." „Es sah aus wie ein feuriges Rad, das im Begriff war, auf die Menschen zu fallen." Die Sonne stand im Zenit und drehte sich um sich selbst, sie löste sich vom Himmel und fiel nach rechts, sich ständig drehend und mit plötzlichen Bewegungen nach rechts und links, die man noch nie gesehen hat; als sie fast den Horizont erreicht hatte, bewegte sie sich linksherum in einer Art Bogen zurück zum Zenit."

Alle Zuschauer hatten den untrüglichen Eindruck, dass die Sonne auf sie fallen würde. Es war solch ein schrecklicher Augenblick, dass einige Menschen ohnmächtig wurden. „Schliesslich hielt die Sonne inne und alle atmeten erleichtert auf."

 

7. Die Kleider aller Menschen waren trocken:

„Es regnete so stark, dass trotz unserer Regenschirme niemand auch nur ein Eckchen trockener Kleidung hatte. ( ....) Plötzlich hörte der Regen auf, die Wolkendecke öffnete sich und die Sonne wurde sichtbar in all ihrer Pracht. Unsere Kleider waren zuvor nass und unsere Körper kalt. Ich erinnere mich immer noch an das herrliche Gefühl, das diese warme Liebkosung der Sonne mir gab (....) Obwohl es wahr ist, dass die Helligkeit der Sonne gedämpft war, hatte ihre Wärme kein bisschen von ihrer Kraft verloren. Ich fühlte, dass meine Kleider fast trocken waren, obwohl sie einen Augenblick zuvor völlig durchnässt gewesen waren " (Dr. Pereira Gens).

 

8. Die Vision aus der Entfernung

Eine letzte wundersame Tatsache ist, dass das Wunder auch vier bis fünf Kilometer von Fatima entfernt bestaunt werden konnte. Es gibt sogar völlig glaubwürdige Zeugen, welche noch viel weiter von der Cova da Iria entfernt waren und berichteten, wie sie ein unerhörtes Schauspiel des Tanzes der Sonne gesehen haben, genauso, wie die Tausende von Pilgern, die um die Steineiche der Erscheinungen versammelt waren.

 

Am 13. Oktober 1930 veröffentlichte Bischof da Silva, der Ordinarius von Leira, seinen Brief „A Divina Providencia", der die offizielle Anerkennung der Echtheit der Erscheinungen in Fatima durch die Kirche verkündet. In diesem Brief erwähnt der Bischof explizit das Sonnenwunder und betont seinen wunderbaren Charakter: das Sonnenwunder vom 13. Oktober war das wunderbarste von allen und machte grossen Eindruck auf alle, die das Glück hatten, es mitzuerleben. ( ...) Und diese Menschenmenge wurde Zeuge aller Erscheinungen der Sonne, die der Königin des Himmels und der Erde ihre Huldigung darbrachte."

Durch die Stimme des Bischof von Leiria bestätigte die Autorität der Kirche feierlich das einstimmige Gefühl der Portugiesen, das durch die Menschenmenge im Augenblick der Erscheinung ausgedrückt wurde: „Wunder! Wunder!"

Aus: Pater Karl Stehlin: Fatima-Leitstern für die letzten Zeiten.

 

***

 

Bericht von Pfarrer Rudolf Atzert, Fatima

Sonnenwunder in Fatima am 13. Oktober 1917:

Seit dem 1. Adventssonntag 1995 darf ich hier im Heiligtum Unserer Lieben Frau von Fatima wirken. Zuerst in einem Sabbatjahr, danach als Kaplan des Heiligtums für die Pilger deutscher Sprache. Schon sehr bald, wohl 1996, hat mich ein Mitbruder, Pater Benevenuto Morgado zu einem Besuch in seiner Heimat und seinem Elternhaus eingeladen. Sein Vater, Raphael Morgado, geb. am 16. 4. 1906, war ein Jahr älter als Lucia dos Santos. Der Wohnort der Familie Morgado war das Dorf Juncal, ca. 23 Kilometer von Fatima entfernt. Die Kirche war dem hl. Erzengel Michael geweiht. Die Mutter von P. Morgado, Joachina, stammte ebenfalls aus Juncal und wurde am 29. 7. 1912 geboren. Das Ehepaar Morgado hatte 15 Kinder, 10 Mädchen und 5 Jungen. P. Morgado wurde am 12.8.1956 zum Priester geweiht, 1992 wurde er Kaplan im Heiligtum U. Ib. Frau von Fatima, eine Schwester ging ins Kloster, eine machte dem priesterlichen Bruder den Haushalt, alle anderen heirateten.

Bei meinem Besuch stellte mich P. Morgado seinem alten Vater und den anwesenden Verwandten vor und bat ihn, doch ein wenig von den Ereignissen von 1917 zu berichten. Dieser Gedanke schien den alten Mann — immerhin gut 90 Jahre — wie zu elektrisieren, er begann sofort mit einer Begeisterung zu erzählen, als ob sich alles gestern ereignet hätte: „Schon mit 11 Jahren war ich mit meinen Eltern und mit einer etwa 10 Jahre älteren Schwester bei einer der Erscheinungen Unserer Lieben Frau in Fatima, es muß im Juli oder September gewesen sein. Am 13. Oktober 1917 waren die Eltern, Tante Maria Thomas (geb. 29.7.1896) mit einigen Leuten aus Juncal in Fatima, darunter auch Joachina, meine spätere Frau. Ich war zu Hause geblieben, und wir waren alle gespannt, was unsere Verwandten und Freunde berichten würden. So ist es zu verstehen, daß das ganze Dorf wie in einem Fieber war. Denn die Erscheinung hatte ja verheißen, an diesem Tag ein Wunder zu wirken, damit alle Menschen glauben können." „Das Dorf Juncal" — erinnert sich der Vater — „hatte damals wenig Glauben.

Um die Mittagszeit liefen die Leute am Dorfplatz zusammen und ich durfte dabei sein. Über Fatima sahen wir außergewöhnliche Veränderungen an der Sonne; die Sonne war wie eine silbern glänzende Scheibe, drehte sich um sich selber, wechselte in allen Farben, sprang auf die Erde zu und kehrte wieder auf ihren Platz zurück." So weit etwa der Bericht vom Vater des H.H. Pater Benevenuto Morgado. Von den Worten habe ich damals nicht alles verstanden — mein Portugiesisch war noch sehr mangelhaft, aber die Begeisterung dieses 90-jährigen Augenzeugen ist mir auch heute noch nach 20 Jahren ganz lebendig vor Augen und gegenwärtig. Vielleicht war dieser alte Mann einer der letzten lebenden Augenzeugen. Für mich war er der einzige in den gut 20 Jahren meines Wirkens hier in Fatima; dies war sicher eines der wichtigsten und beeindruckendsten Erlebnisse.

Von den Seherkindern erfahren wir später die letzten Worte Unserer Lieben Frau: „Sie sollen nicht länger Gott, den Herrn beleidigen, denn ER ist schon zuviel beleidigt worden." Darum dreht sich die ganze Botschaft von Fatima. Dennoch sahen die Gläubigen am Erscheinungsort — in der Cova da Iria (Mulde des Friedens) — und bis in weiter Entfernung das Sonnenwunder. Die Sonne kreiste drei mal um sich und warf Strahlenbündel in allen Regenbogenfarben um sich. Nach dem dritten Kreisen verfärbte sie sich blutrot und schien in Zickzack-Sprüngen auf die Erde herabzustürzen. Gläubige und Ungläubige fielen auf die Knie, bekannten ihre Sünden, beteten und flehten um Barmherzigkeit. Das Sonnenwunder dauerte etwa 10 Minuten. Fast alle in der Cova da Iria konnten es sehen. Und alle erlebten auch mit großer Überraschung, daß ihre durchnäßten Kleider, die Erde und die Landschaft in diesen wenigen Minuten völlig trocken geworden waren. Unbeschreiblich war die Begeisterung der Leute. Sie sagten: „Wir haben ein Zeichen Gottes gesehen". In Juncal haben die Menschen das Sonnenwunder gesehen, wie weit sie Einzelheiten erlebt haben, weiß ich nicht. Deshalb habe ich den zusammenfassenden Bericht vom Vater des H.H. P. Morgado durch den Bericht von P. Heinrich Herbertz SVD „Fatima, das Buch für Pilger" Steyler Verlag, St. Augustin ergänzt.

P. Morgado legte in seinem Bericht großen Wert darauf, daß nicht die Entfernung von Fatima der entscheidende Punkt ist, sondern die unverdiente Gnade Gottes. In der Umgebung von Juncal haben die Dorfbewohner das Sonnenwunder über Fatima nicht gesehen. In Juncal haben sich durch diese Gnade viele Menschen bekehrt und geglaubt.

Fatima, August 2016. Pfarrer Rudolf Atzert, deutscher Pilgerseelsorger in Fatima.