Der "synodale" Weg
im Bistum Aachen
Wohin der Weg führt. weiß noch niemand
Aachener Nachrichten, Montag, 2. Dezember 2019 - Nummer 279
Wohin der Weg führt. weiß noch niemand
Er wird jedenfalls steinig. Die katholische Kirche nennt ihn synodal. Ihre Mitglieder haben unterschiedliche Ziele im Blick.
AACHEN Es sei ein Weg, der „in Freiheit und Vielfalt" gegangen werde, haben gerade die beiden Hauptverantwortlichen geschrieben, Kardinal Reinhard Marx als Vorsitzender der Deutschen Bischofskonferenz (DBK) und Thomas Sternberg, Präsident des Zentralkomitees der deutschen Katholiken(ZdK). Sie meinenden „synodalen Weg“, den die katholische Kirche am ersten Andventssonntag – zu Beginn des neuen Kirchenjahres – offiziell gestartet hat.
Was ist der „synodale Weg"?
Der „synodale Weg" ist laut der Präambel seiner von DBK und ZdK verabschiedeten Satzung ein „Weg der Umkehr und der Erneuerung". Die große Mehrheit der Bischöfe und das ZdK als höchstes Laiengremium sehen die deutsche katholische Kirche in einer schweren Vertrauens- und Existenzkrise. Darüber und über notwendige Konsequenzen wird intensiv diskutiert werden. Und es sollen Beschlüsse dazu gefasst werden.
Wer macht mit?
Das zentrale Gremium ist die Synodalversammlung, deren Vorsitzende Marx und Sternberg sind. Ihr gehören alle 69 Mitglieder der DBK (Bischöfe und Weihbischöfe) an und ebenfalls 69 ZdK-Mitglieder. Hinzu kommen jeweils ein Repräsentant aus jedem der 27 diözesanen Priesterräte, Vertreterinnen und Vertreter der Orden, der Diakone, Pastoral- und Gemeindereferenten, aus theologischen Fakultäten, den sogenannten Neuen Geistlichen Gemeinschaften und der Konferenz der Generalvikare. Das ZdK benennt zusätzlich 15 junge Delegierte (darunter mindestens zehn Frauen), die nicht älter als 30 Jahre alt sind, und kann außerdem wie auch die DBK bis zu zehn weitere Delegierte benennen. Der Synodalversammlung werden somit 230 Mitglieder angehören; deutlich mehr als hundert davon sind Bischöfe und Priester.
Warum gibt es Kritik an der Satzung?
Weil auch der „synodaleWeg" wieder von Männern dominiert wird, obwohl gerade die „geschlechtergerechte Kirche" ein besonders heißes Eisen in der katholischen Kirche ist und die Satzung des „synodalen Wegs" ausdrücklich feststellt: „Eine geschlechter- und generationengerechte Besetzung ist anzustreben."
Wie verbindlich werden Beschlüsse der Synodalversammlung sein?
Das ist der entscheidende Knackpunkt. Marx hat versprochen, dass der „synodale Weg" verbindlich sein soll. Tatsächlich hat er kirchenrechtlich überhaupt keine Bedeutung. Die Synodalversammlung könnte selbst mit 80-prozentiger Mehrheit Beschlüsse fassen, und jeder deutsche Bischof ist dennoch völlig frei, ob und wie er die in seinem Bistum umsetzt. Seine Vollmacht bleibe unberührt; das wird in der Satzung ausdrücklich festgestellt, ist aber sowieso katholische Selbstverständlichkeit.
Zudem müssen alle Beschlüsse der Synodalversammlung nicht nur mit Zweidrittelmehrheit ihrer Mitglieder gefällt werden; zusätzlich müssen zwei Drittel der jeweils anwesenden Bischöfe zustimmen. Das heißt: Nur 24 Bischöfe können jeden Beschluss einer noch so starken Mehrheit verhindern. Nicht jede Stimme zählt gleich viel - trotz der Aussage in der Satzung: „Die Mitglieder der Synodalversammlung haben gleiches Stimmrecht."
Letztlich kommt es darauf an, wie der Vatikan reagiert. Und die Kurie hat bereits klipp und klar erklärt, der „synodale Weg" könne und dürfe keinesfalls für die deutschen Bistümer verbindliche Beschlüsse fassen.
Was steht auf dem Programm?
ZdK und DBK haben sich vier Hauptthemen vorgenommen, über die jeweils ein Synodalforum berät: 1. Macht und Gewaltenteilung in der Kirche, 2. priesterliche Lebensform (Zölibat), 3. Frauen in Diensten und Ämtern der Kirche, 4. Sexualität und Partnerschaft (Sexualmoral). Die Foren sollen zu diesen Themen Vorlagen für die Synodalversammlung erarbeiten.
Was ist brisant?
Fast alles. Viele Katholiken verlangen von und in ihrer Kirche mehr demokratisch legitimierte Entscheidungen. Die Bischöfe halten bisher dagegen und berufen sich auf ihr Lehramt. Die Pflicht der Priester, ehelos zu leben, könnte gelockert oder gar abgeschafft werden - aber nur im Einvernehmen mit Rom. Wie Papst Franziskus diese Frage aktuell bewertet, ist offen. Birgit Mock, familienpolitische Sprecherin des ZdK, zeigt sich im Gespräch mit unserer Zeitung zuversichtlich; sie betrachtet ihre Kirche nicht als das starre Gebilde, als das sie nach außen erscheint. Einzelfall-Lösungen seien möglich, „und wir können uns ansehen, ob und was funktioniert".
Was ist noch brisanter?
Besonders verhärtet sind die Fronten in der Frage, ob Frauen Diakoninnen werden oder gar zu Priesterinnen geweiht werden können. Papst und Bischöfe vertreten die Ansicht, diese Frage sei endgültig negativ beantwortet. Die Forderung danach wird aber immer massiver gestellt. Volle Gleichberechtigung für Frauen verlangen ungezählte und seit Jahrzehnten in den Pfarrgemeinden aktive Frauen. „Die katholischen Frauen haben große Erwartungen. Und die Kirche kann froh sein, dass es diese Erwartungen überhaupt noch gibt", sagt Mock.
Wo könnte sich etwas bewegen?
In Fragen der katholischen Sexualmoral, die teilweise selbst von Katholiken als übergriffig, alltagsuntauglich, letztlich als unverschämt empfunden wird. Wenn sich die katholische Kirche in Fragen der sogenannten künstlichen Empfängnisverhütung oder in ihrer Haltung zu homosexuellen Paaren und deren Wunsch nach Segnung ihrer Beziehung nicht ändert, macht sie sich auch in den Augen der meisten Gläubigen nur noch lächerlich. Der Aachener Bischof Helmut Dieser hat - wenn auch sehr vorsichtig - angedeutet, dass seine Kirche ihre Haltung in diesen Fragen verändern müsse.
Wie sind die Chancen des Wegs?
Das größte Problem sieht Mock in „der Sorge, Kontrolle zu verlieren und mit Öffnungen und Veränderungen auch viele lebensdienliche Traditionen über Bord zu werfen". Sie rät dazu, trotz allen Drucks und der immensen Erwartungen von außen pragmatisch vorzugehen. „Ich bin entschieden gegen ein Entweder-Oder und für das Sowohl-Als-Auch. Trotzdem müssen wir mit aller Entschiedenheit denen eine Antwort geben, die längst weg sind, weil sie die Kirche nicht mehr verstehen, die von der Kirche so oft verletzt worden sind, dass sie deren ständigen Wiederholungen einfach nicht mehr ertragen."
Um Machtverhältnisse zu ändern und Macht vielleicht auch anders zu nutzen, seien neue Bündnisse nötig, die Mock durchaus sieht. „Die Blöcke lösen sich. Wir haben mittlerweile nicht mehr den Bischofsblock und den ZdK-Block; beide Seiten sind jeweils längst nicht mehr homogen."
Wie lange wird der „synodale Weg" dauern?
Vorgesehen sind zunächst zwei Jahre; eine Verlängerung wird aber nicht ausgeschlossen. Die Synodalversammlung tritt erstmals vom 30. Januar bis 1. Februar kommenden Jahres in Frankfurt zusammen.