Quelle: Kirchenzeitung für das Erzbistum Köln, 17. März 2017
Der Heilige Geist irrte nicht
Kommentar von Robert Boecke, Chefredakteur der Kölner Kirchenzeitung
Erinnern Sie sich noch an jenen Mittwochabend im März 2013? Nicht nur die katholische Welt hielt für einen Moment erstaunt den Atem an, als Jorge Bergoglio am frühen Abend des 13. März auf die Loggia des Petersdoms trat und die nach zehntausenden zählende Menschenmenge mit den einfachen Worten „Buona Sera" - „Guten Abend" begrüßte. Kurz zuvor hatten die Kardinäle den Erzbischof von Buenos Aires, den Priester „vom anderen Ende der Welt", zum Nachfolger des heiligen Petrus gewählt. Nach Johannes Paul II., als erstem Nicht-Italiener nach vielen Jahrhunderten und Benedikt XVI., dem Gelehrten-Papst aus Deutschland, war die Wahl Bergoglios wieder eine Sensation: Als „Werkzeuge des Heiligen Geistes" hatten die Kardinäle einen Lateinamerikaner zum Papst gewählt, der durch die Wahl seines Namens „Franziskus" bereits den Schwerpunkt seines Pontifikates unmissverständlich zum Ausdruck brachte. Dem Vorbild des Heiligen aus Assisi folgend, erklärte der neue Papst, die Kirche „zu den Rändern bringen zu wollen".
Dass dieser Papst anders sein würde als seine Vorgänger machte sein erstes öffentliches Auftreten auf der Loggia deutlich: Der weiße Pileolus war das einzige Zeichen der päpstlichen Würde des Mannes, dem vom ersten Moment an die Sympathien und die Herzen der meisten Katholiken zuflogen. Ein Papst, der bei seinem ersten Auftritt die Menschen bittet, „betet für mich", weckte bei den einen Hoffnung auf einen Aufbruch der Kirche, bei den anderen Befürchtungen vor dem Verlust des Status quo.
In den vier Jahren seines Pontifikates hat Franziskus Geschichte geschrieben. Der Besuch in Lampedusa, das Treffen mit dem russischen Patriarchen, der Versuch, die römische Kurie zu reformieren sind nur drei Beispiele für sein oft unkonventionelles Verhalten, das nicht immer den bisherigen Konventionen päpstlichen Handelns entspricht. Mit seinen Enzykliken „Evangelii Gaudium",, ,Laudato Si" und, ,Amoris Laetitia" hat Franziskus Meilensteine gesetzt, über die mancher Katholik ins Stolpern geraten ist. Er hat die Fenster zur Welt ein wenig geöffnet. Barmherzigkeit ist für ihn ein großes Thema. In früheren Zeiten war klar, wo die größten Feinde des Papstes zu finden waren: Kommunisten und Atheisten gehörten sicherlich dazu. Heute genießt Franziskus weltweit großes Ansehen. Nur in bestimmten ultra-konservativen Kreisen verwünscht man anscheinend den Tag an dem sich der Heilige Geist offensichtlich geirrt hat.
Franziskus hat sich in seinem Interview mit der „Zeit" als einen „ganz normalen Menschen" bezeichnet, der kein bisschen ungewöhnlicher sei als andere. Als solcher hat er auch das Recht, Fehler zu machen. Kritiker werfen dem Papst vor, er würde viele Fragen aufwerfen und zu wenige Entscheidungen treffen. Dadurch entstehe Verunsicherung. Der Papst wirft Fragen auf, nicht um die Lehre der Kirche zu verwässern, sondern diese im Licht der Herausforderungen unserer Zeit vielleicht hier und dort neu zu akzentuieren. Wenn er in dem Gespräch mit der „Zeit" im Zusammenhang mit dem großen Priestermange| von den „braven Frauen in der Schweiz" spricht,' die den „Sonntag aufrecht erhalten und Wortgottesdienste feiern, also ohne die Eucharistie" ist das keine Abkehr von der sonntäglichen Eucharistiefeier. Franziskus erkennt aber an, dass die bittere pastorale Realität neue Wege der Seelsorge erfordert, die den berechtigten Bedürfnissen der Menschen im 21. Jahrhundert gerecht werden.
Papst deutet vorsichtige Öffnung an
Franziskus spricht über Zölibat und Glaubenskrisen
HAMBURG. Eine mögliche Öffnung bei der Vorschrift der Ehelosigkeit für katholische Priester hat Papst Franziskus angedeutet. In einem Interview der Wochenzeitung „Die Zeit" (Donnerstag) äußerte er sich zur Frage, ob verheiratete, erprobte Männer, sogenannte viri probati, unter bestimmten Bedingungen Priester werden sollten.
Er sagte, es gehe „der Kirche stets darum, den richtigen Augenblick zu erkennen, wann der Heilige Geist nach etwas verlangt". Weiter sagte der Papst: „Wir müssen darüber nachdenken, ob Viri probati eine Möglichkeit sind. Dann müssen wir auch bestimmen, welche Aufgaben sie übernehmen können, zum Beispiel in weit entlegenen Gemeinden."
Zugleich wandte sich Franziskus gegen den Vorschlag, die Ehelosigkeit der Priester einer freien Entscheidung der Kandidaten zu überlassen. Wörtlich sagte er: „Der freiwillige Zölibat ist keine Lösung."
Erstmals hat Papst Franziskus einer deutschen Zeitung ein Interview gegeben. Der Chefredakteur der „Zeit", Giovanni di Lorenzo, traf das Kirchenoberhaupt dazu im Gästehaus Santa Marta im Vatikan. Das auf Italienisch geführte Gespräch wurde laut Wochenzeitung vom Papst selbst autorisiert. Er habe weniger am Wortlaut verändert als die meisten Politiker, die der „Zeit" ein Interview geben.
Mit Blick auf ein mögliches Diakonat der Frau sagte der Papst, dass es ihm mit der Einrichtung einer entsprechenden Kommission darum gegangen sei, „das Thema zu erforschen, und nicht, eine Tür zu öffnen".
Eine Deutschlandreise des Papstes im Reformationsgedenkjahr wird es wohl nicht geben. „Der Terminkalender ist dieses Jahr sehr voll", sagte er: „Es sind so viele Reisen geplant." Auch für 2018 kenne er noch keine Pläne für eine Deutschlandreise.
Franziskus räumte ein, er kenne auch Glaubenskrisen und Momente der Leere und des Zweifels. „Ohne Krisen kann man nicht wachsen", sagte er und fügte hinzu: „Ein Glaube, der nicht in die Krise gerät, um an ihr zu wachsen, bleibt infantil." Auch Petrus habe Jesus verleugnet und sei doch zum Oberhaupt der Kirche geworden. Jesus liebe die Sünder mehr als die Gerechten. „Es gibt durchaus dunkle Momente, in denen ich sage: Herr das begreife ich nicht", erläuterte Franziskus. Das gelte auch für Bedrängnisse, die er sich selbst eingebrockt habe. „Denn ich bin ein Sünder, und dann werde ich wütend."
Auf die Frage, ob er auch Momente kenne, in denen er grundlegend an Gott und Jesus zweifele, sagte Papst Franziskus: „Ja, ja... Momente der Leere... Ich habe von dunklen Momenten gesprochen und von leeren Momenten. Ich kenne auch die leeren Momente."
Der Papst betonte, er halte nichts davon, als Vorbild hingestellt zu werden. „Ich bin ein ganz normaler Mensch, der tut, was er kann", sagte er. „Ich bin Sünder und bin fehlbar, und wir dürfen nicht vergessen, dass die Idealisierung eines Menschen stets auch eine unterschwellige Art der Aggression ist", fügte er hinzu: „Man gesteht mir nicht zu, ein fehlbarer Sünder zu sein."
Franziskus berichtete, er bete täglich um inneren Frieden und viel Sinn für Humor. Auf die Frage, ob er sich von Angriffen aus dem Vatikan getroffen fühle, sagte er, er habe seinen Frieden seit der Papstwahl nicht verloren. „Ich kann verstehen, wenn meine Art, die Dinge anzugehen, manchen nicht gefällt. Das ist legitim und menschlich und bereichernd." KNA