Word: Tobias
Tobias
Tobias Kapitel 1
Tob 1:1 Das Buch der Geschichte Tobits, des Sohnes Tobiels, des Sohnes Ananiels, des Sohnes Aduels, des Sohnes Gabaels aus dem Geschlecht Asiel und aus dem Stamm Naphtali.
Tob 1:2 Er ward in den Tagen Enemessars, des Königs von Assur, aus Tisbe in die Gefangenschaft geführt. Tisbe liegt zur Rechten von Kydios-Naphtali in Galiläa oberhalb von Aser.
Tob 1:3 Ich, Tobit, wandelte auf den Wegen der Wahrheit und Gerechtigkeit alle Tage meines Lebens. Viele gute Werke der Barmherzigkeit tat ich an meinen Brüdern und dem Volk, das zusammen mit mir ins Assyrerland nach Ninive gezogen war.
Tob 1:4 Als ich noch in meiner Heimat im Land Israel weilte - ich war noch jung -, war der gesamte Stamm meines Ahnherrn Naphtali vom Hause in Jerusalem abgefallen, obwohl dieses aus allen Stämmen Israels dazu auserwählt war, daß alle Stämme in ihm opfern sollten. Denn hier wurde der Tempel als Wohnung des Allerhöchsten geweiht und erbaut für alle Ewigkeit.
Tob 1:5 Alle Stämme aber, die abgefallen waren, opferten dem Baal, dem Kalb; so tat auch das Haus Naphtali, meines Ahnherrn.
Tob 1:6 Ich allein pilgerte häufig an den Festtagen nach Jerusalem, wie es ganz Israel in einer ewigen Satzung vorgeschrieben ist; ich brachte die Erstlinge und die Zehnten von den Feldfrüchten und die erste Schur der Schafe.
Tob 1:7 Den Priestern, den Söhnen Aarons, lieferte ich sie für den Altar ab. Von allen Feldfrüchten gab ich den Leviten, die in Jerusalem Dienst taten, den Zehnten. Den zweiten Zehnten verkaufte ich und ging hin und verwandte ihn alljährlich in Jerusalem.
Tob 1:8 Den dritten gab ich jenen, welchen er gebührte, wie es mir Debora, die Mutter meines Vaters, geboten hatte; denn ich war von meinem Vater als Waisenkind zurückgelassen worden.
Tob 1:9 Sobald ich zum Mann herangewachsen war, heiratete ich Anna, eine Frau aus dem Geschlecht unserer Sippe, und zeugte mit ihr den Tobias.
Tob 1:10 Als ich nach Ninive in die Verbannung gekommen war, aßen alle meine Brüder und alle meine Sippengenossen von den Speisen der Heiden.
Tob 1:11 Ich aber bewahrte meine Seele davor und aß nicht;
Tob 1:12 denn ich war Gottes mit ganzem Herzen eingedenk.
Tob 1:13 Da verlieh mir der Allerhöchste Anmut und Wohlgestalt vor Enemessar, so daß ich sein Einkäufer wurde.
Tob 1:14 Ich reiste nach Medien und hinterlegte bei Gabael, dem Bruder des Gabrias, in Ragai in Medien zehn Talente Silber.
Tob 1:15 Als Enemessar tot war, trat sein Sohn Sennacherib an seiner Stelle die Königsherrschaft an; seine Wege waren unzuverlässig, so daß ich nicht mehr nach Medien reisen konnte.
Tob 1:16 In den Tagen Enemessars tat ich viele Werke der Barmherzigkeit an meinen Brüdern.
Tob 1:17 Mein Brot gab ich den Hungernden, meine Kleider schenkte ich den Nackten; und wenn ich sah, daß einer aus meinem Geschlecht nach seinem Sterben hinter die Stadtmauer von Ninive geworfen wurde, so begrub ich ihn.
Tob 1:18 Wenn der König Sennacherib nach seiner fluchtartigen Heimkehr aus Judäa jemanden töten ließ, begrub ich ihn heimlich. Denn viele tötete er in seiner Wut. Ihre Leichen wurden vom König gesucht, aber man fand sie nicht.
Tob 1:19 Da ging ein Bewohner Ninives hin und zeigte dem König an, daß ich sie begrabe; ich mußte mich verstecken. Als ich aber merkte, daß man nach mir suchte, um mich zu töten, geriet ich in Furcht und entwich.
Tob 1:20 All mein Vermögen wurde geraubt, und es blieb mir nichts übrig außer meiner Frau Anna und meinem Sohn Tobias.
Tob 1:21 Aber es vergingen kaum fünfzig Tage, bis den König seine beiden Söhne töteten. Sie flohen in das Gebirge Ararat. Sennacheribs Nachfolger in der Königsherrschaft wurde sein Sohn Sacherdonos. Dieser setzte den Achiachar, den Sohn Anaels, meines Bruders, über sein gesamtes königliches Schatzamt und über die ganze Verwaltung.
Tob 1:22 Achiachar legte für mich Fürsprache ein, so kam ich wiederum nach Ninive. Achiachar war Mundschenk, Siegelbewahrer, Reichskanzler und Schatzmeister. Sacherdonos hatte ihm, meinem Neffen, die zweite Stelle im Reich verliehen.
Tobias Kapitel 2
Tob 2:1 Als ich nun in mein Haus zurückgekehrt war und mir meine Frau Anna und mein Sohn Tobias wiedergegeben waren, wurde mir am Pfingstfest - das ist der heilige Tag der sieben Wochen - ein treffliches Mahl vorgesetzt, und ich ließ mich nieder, um zu essen.
Tob 2:2 Da sah ich viele Speisen und sprach zu meinem Sohne: "Geh, und wenn du unter unseren Brüdern einen Armen findest, der des Herrn eingedenk ist, so bringe ihn herein! Wohlan, ich warte auf dich."
Tob 2:3 Er kehrte zurück und sagte: "Vater, einer aus unserem Geschlecht liegt erdrosselt auf dem Markt."
Tob 2:4 Und ich, bevor ich noch etwas kostete, sprang auf und verbarg ihn bis Sonnenuntergang irgendwo in einem Gebäude.
Tob 2:5 Ich kehrte zurück, wusch mich und aß in Trauer mein Mahl.
Tob 2:6 Da gedachte ich der Weissagung des Amos, in der es heißt: "Eure Feste sollen sich verkehren in Leid, all eure Freuden in Klagegesang!" Ich weinte.
Tob 2:7 Nach Sonnenuntergang ging ich fort, machte eine Grube und bestattete den Toten.
Tob 2:8 Die Nachbarn aber höhnten und meinten: "Er fürchtet keine Hinrichtung mehr wegen dieser Sache. Kaum ist er entwischt, seht, da begräbt er schon wieder die Toten."
Tob 2:9 Noch in derselben Nacht kam ich von der Beerdigung heim und legte mich, weil verunreinigt, an der Hofmauer nieder. Mein Haupt aber war unbedeckt.
Tob 2:10 Ich wußte nicht, daß sich Sperlinge in der Mauer befanden; während meine Augen offen standen, ließen die Sperlinge warmen Kot in meine Augen fallen. Da zeigten sich weiße Flecken in meinen Augen. Ich ging zu Ärzten, doch sie konnten mir nicht helfen. Achiachar gab mir den Unterhalt, bis er nach Elymaïs ging.
Tob 2:11 Meine Frau Anna spann Wolle in den Frauengemächern.
Tob 2:12 Sie brachte diese den Auftraggebern, und man gab ihr den Lohn und noch ein Ziegenböcklein dazu.
Tob 2:13 Als es in mein Haus kam, fing es zu meckern an. Ich sprach zu ihr: "Wo kommt denn das Böcklein her? Ist es etwa gestohlen? Gib es den Auftraggebern zurück, denn etwas Gestohlenes dürfen wir nicht essen."
Tob 2:14 Da entgegnete sie: "Man hat es mir als Geschenk zum Lohn dazugegeben." Ich aber war mißtrauisch gegen sie und befahl, es den Eigentümern zurückzugeben, und wurde dabei rot vor Zorn gegen sie. Sie aber entgegnete mir: "Wo bleiben deine Werke der Barmherzigkeit und deine gerechten Taten? Jetzt ist offenkundig, wie es mit dir steht!"
Tobias Kapitel 3
Tob 3:1 Da ward ich traurig, weinte und betete unter Schmerzen:
Tob 3:2 "Gerecht bist du, Herr, und alle deine Werke und deine Wege sind Barmherzigkeit und Wahrheit; wahrhaftigen und gerechten Urteilsspruch fällst du in Ewigkeit.
Tob 3:3 Gedenke meiner und schaue auf mich! Bestrafe mich nicht wegen meiner Sünden und Vergehen und der meiner Väter, womit sie vor dir sich verfehlt haben!
Tob 3:4 Denn sie hörten nicht auf deine Gebote. Darum gabst du uns zur Plünderung, Verbannung, zum Tod und zum Hohn allen Völkern preis, unter die wir zerstreut sind.
Tob 3:5 Und nun sind deine vielen Gerichte begründet, der du an mir nach meinen und meiner Väter Sünden handelst; denn wir erfüllten deine Gebote nicht; wir wandelten nicht in Treue vor dir.
Tob 3:6 Jetzt aber tue an mir, was dir gefällt! Verfüge, daß mein Geist hinweggenommen werde, damit ich von hinnen scheide und zu Staub werde; es ist ja besser für mich zu sterben als zu leben; denn lügenhafte Schmähungen mußte ich anhören. Die Trauer ist gar tief in mir. Verfüge, daß ich aus dieser Not nunmehr befreit werde zur ewigen Stätte hin; wende dein Antlitz nicht von mir!"
Tob 3:7 An demselben Tag begab es sich, daß Raguels Tochter Sara zu Ekbatana in Medien auch ihrerseits von den Mägden ihres Vaters geschmäht wurde.
Tob 3:8 Sie war sieben Männern zur Ehe gegeben worden; aber Asmodäus, der böse Geist, hatte sie alle getötet, bevor sie mit ihr ehelich verkehren konnten. Die Mägde warfen ihr vor: "Bist du von Sinnen, du Mörderin deiner Männer? Sieben Männer hattest du schon, aber von keinem bekamst du einen Namen.
Tob 3:9 Was quälst du uns? Sind sie gestorben, dann geh doch mit ihnen dahin! Wir wollen nie einen Sohn oder eine Tochter von dir sehen."
Tob 3:10 Als sie das gehört hatte, verfiel sie in große Betrübnis, so daß sie sich erhängen wollte; dann meinte sie aber: "Ich bin meines Vaters einzige Tochter; wenn ich das tue, wird es ihm zur Schande gereichen, und ich bringe ihn in seinem Greisenalter aus Kummer ins Grab."
Tob 3:11 Da betete sie am Fenster und sprach: "Gepriesen seist du, Herr, mein Gott! Und gepriesen sei dein heiliger und ehrwürdiger Name in Ewigkeit. Preisen sollen dich alle deine Werke immerdar!
Tob 3:12 Und jetzt, Herr, richte ich meine Augen und mein Antlitz zu dir empor.
Tob 3:13 Sprich, daß ich von der Erde befreit werde und nicht mehr länger Schmähungen hören muß!
Tob 3:14 Du weißt, Herr, daß ich rein bin von jeder Sünde mit einem Mann.
Tob 3:15 Ich habe meinen Namen und meines Vaters Namen im Land meiner Verbannung nicht befleckt. Das einzige Kind meines Vaters bin ich; er hat sonst kein Kind, das ihn beerben könnte; auch kein naher Verwandter ist da, noch ein Sohn von ihm, dem ich mich als Frau erhalten müßte. Sieben Männer sind mir bereits umgekommen, was soll mir also das Leben? Wenn du mir aber den Tod nicht senden willst, so wolle mich gnädig ansehen, erbarme dich meiner und laß mich nicht länger Schmähungen anhören!"
Tob 3:16 Das Gebet beider wurde von der Majestät des Höchsten erhört.
Tob 3:17 Raphael ward gesandt, die beiden zu heilen, Tobits weiße Flecken abzulösen, Sara, die Tochter Raguels, dem Tobias, Tobits Sohn, zur Frau zu geben und Asmodäus, den bösen Geist, zu fesseln, weil es dem Tobias zukam, sie zu besitzen. Zu der gleichen Zeit kehrte Tobit wieder in sein Haus zurück, und Sara, Raguels Tochter, stieg von ihrem Obergemach herab.
Tobias Kapitel 4
Tob 4:1 An jenem Tag erinnerte sich Tobit des Geldes, das er bei Gabael zu Ragai in Medien hinterlegt hatte.
Tob 4:2 Er überlegte sich: "Ich wünschte zu sterben. Warum rufe ich nicht meinen Sohn Tobias, damit ich ihm Mitteilung mache, bevor ich sterbe?"
Tob 4:3 Er rief ihn herbei und sprach: "Kind, wenn ich tot bin, begrabe mich und verachte deine Mutter nicht; halte sie alle Tage deines Lebens in Ehren; tue, was ihr gefällt, und betrübe sie nicht!
Tob 4:4 Bedenke, Kind, daß sie viele Gefahren durchmachte um deinetwillen, als du noch in ihrem Schoße warst! Ist sie tot, so begrabe sie bei mir im gleichen Grabe!
Tob 4:5 Alle Tage, Kind, gedenke des Herrn, unseres Gottes! Willige in keine Sünde ein und übertritt nicht seine Gebote; handle gerecht alle Tage deines Lebens und wandle nicht auf den Pfaden des Unrechts!
Tob 4:6 Denn handelst du zuverlässig, werden alle deine Unternehmungen glücklich sein.
Tob 4:7 Allen, die gerecht handeln, gib aus deinem Vermögen Almosen! Dein Auge soll nicht geizig blicken, wenn du Almosen gibst! Wende dein Antlitz von keinem Armen ab; dann wird sich auch das Antlitz Gottes von dir nicht abwenden.
Tob 4:8 Gib Almosen nach der Größe deines Vermögens, das du hast! Besitzt du wenig, so scheue dich nicht, dem Wenigen entsprechend Almosen zu schenken!
Tob 4:9 Du sammelst dir dabei einen trefflichen Schatz für den Tag der Not.
Tob 4:10 Das Almosen rettet nämlich vom Tod und verhindert, daß man in die Finsternis eingeht.
Tob 4:11 Denn ein willkommenes Opfer ist das Almosen für alle, die es geben, vor dem Angesicht des Allerhöchsten.
Tob 4:12 Nimm dich in acht, mein Kind, vor aller Unzucht und beachte dies besonders: Nimm dir eine Frau aus dem Geschlecht der Väter, keine fremde Frau, die nicht aus dem Stamm deines Vaters ist; denn wir sind Prophetenkinder. Denke daran, mein Kind, daß Noe, Abraham, Isaak und Jakob, unsere Väter aus der Vorzeit, samt und sonders ihre Frauen aus ihrer Verwandtschaft gewählt haben; sie wurden deshalb in ihren Kindern gesegnet, und ihre Nachkommenschaft wird das Land erben.
Tob 4:13 Und nun, Kind, liebe deine Verwandten! Halte dich in deinem Herzen nicht zu erhaben vor deinen Verwandten und den Söhnen und den Töchtern deines Volkes, um dir aus ihrer Mitte eine Frau zu erwählen; denn im Hochmut liegen Untergang und viel Unrast, und in der Schlechtigkeit Armut und großer Mangel; denn die Schlechtigkeit ist die Mutter des Hungers.
Tob 4:14 Der Lohn irgendeines Menschen, der für dich arbeitet, bleibe bei dir nicht über Nacht, sondern zahle ihn sofort aus! Dienst du Gott, so wird es dir vergolten werden. Gib acht auf dich selbst, Kind, bei all deinen Werken, und zeige dich gut erzogen in deinem ganzen Wandel!
Tob 4:15 Was du selber nicht liebst, das tu auch keinem andern an! Trinke nicht Wein, bis du berauscht bist; Trunkenheit komme auf deinem Lebensweg nie vor!
Tob 4:16 Von deinem Brot gib dem Hungernden ab und von deinen Gewändern den Nackten! Von allem, woran du Überfluß hast, spende Almosen; dein Auge blicke nicht geizig, wenn du Almosen gibst!
Tob 4:17 Schütte dein Brot beim Begräbnis der Gerechten aus, aber gib es nicht den Sündern!
Tob 4:18 Rat suche bei jedem Verständigen und verachte keinen brauchbaren Ratschlag!
Tob 4:19 Zu jeder Zeit lobe Gott, den Herrn, und erbitte von ihm, daß deine Wege gerade werden und all deine Pfade und Pläne gelingen mögen! Denn kein Volk besitzt Rat, sondern der Herr selbst gibt alle Güter; aber er erniedrigt auch, wen immer er will, je nachdem es ihm gefällt. Und jetzt, Kind, gedenke meiner Gebote! Sie sollen aus deinem Herzen nie ausgelöscht werden!
Tob 4:20 Und nun teile ich dir mit, daß ich zehn Talente Silber bei Gabael, dem Sohn des Gabrias, zu Ragai in Medien hinterlegt habe.
Tob 4:21 Sei nicht verzagt, Kind, weil wir arm geworden sind! Viel besitzt du, wenn du Gott fürchtest, dich von jeder Sünde abwendest und tust, was ihm wohlgefällig ist."
Tobias Kapitel 5
Tob 5:1 Tobias ergriff das Wort und sprach zu ihm: "Vater, alles will ich tun, was du mir aufgetragen hast.
Tob 5:2 Aber wie kann ich das Geld abholen, da ich doch jenen gar nicht kenne?"
Tob 5:3 Da gab er ihm die Handschrift und sprach zu ihm: "Suche dir einen Mann als Reisegefährten! Ich werde ihn bezahlen, sofern ich das Leben habe; dann gehe hin und hole das Geld ab!"
Tob 5:4 Er ging weg, um einen Mann zu suchen, und fand Raphael, einen Engel; er wußte es aber nicht.
Tob 5:5 Er fragte ihn: "Kann ich wohl mit dir nach Ragai in Medien reisen? Bist du ortskundig?"
Tob 5:6 Der Engel entgegnete ihm: "Ich werde mit dir reisen; ich bin auch des Weges kundig; und bei Gabael, unserm Verwandten, habe ich schon übernachtet."
Tob 5:7 Darauf Tobias zu ihm: "Warte auf mich; ich will es meinem Vater sagen!"
Tob 5:8 Da entgegnete er ihm: "Geh, versäume aber nicht deine Zeit!"
Tob 5:9 Da ging er heim zu seinem Vater und sprach: "Schau, ich fand jemanden, der mit mir reisen will." Dieser sprach: "Rufe ihn zu mir herein; ich will in Erfahrung bringen, welchen Stammes er ist, und ob er zuverlässig ist, um mit dir reisen zu können."
Tob 5:10 Da rief er ihn. Er ging hinein, und sie begrüßten sich.
Tob 5:11 Tobit fragte ihn: "Bruder, aus welchem Stamm und aus welcher Sippe bist du? Sage es mir!"
Tob 5:12 Er sprach zu ihm: "Suchst du einen Stamm und eine Sippe oder einen Lohnknecht, der mit deinem Sohn reist?" Aber Tobit erklärte ihm: "Ich wünsche, Bruder, dein Geschlecht und deinen Namen zu erfahren."
Tob 5:13 Jener aber sprach: "Ich bin Asarias, des großen Ananias Sohn, einer deiner Verwandten."
Tob 5:14 Darauf sagte er zu ihm: "Du kommst sehr gelegen, Bruder! Doch zürne mir nicht, daß ich deinen Stamm und deine Sippe in Erfahrung bringen wollte! Es trifft sich gut, daß du mein Bruder bist aus dem guten und edlen Geschlecht; denn ich kannte Ananias und Jatas, die Söhne des großen Semejas. Gemeinsam reisten wir nach Jerusalem, um anzubeten und die Erstlinge und die Zehnten der Feldfrüchte darzubringen. Sie ließen sich in keiner Weise bei dem Abfall unserer Brüder irre machen. Aus edlem Stamm kommst du hervor, Bruder!
Tob 5:15 Aber sage mir, welchen Lohn soll ich dir geben? Eine Drachme täglich und deinen Lebensunterhalt, so wie ihn auch mein Sohn erhält?
Tob 5:16 Auch will ich dir zum Lohn noch etwas zulegen, wenn ihr heil wiederkehrt."
Tob 5:17 Auf diese Weise wurden sie sich einig. Er sprach zu Tobias: "Mache dich fertig zur Reise, und möge euer Weg glücklich vonstatten gehen!" Sein Sohn bereitete alles vor, was zur Reise notwendig war. Da sprach sein Vater zu ihm: "Mit diesem Manne ziehe hin! Gott aber, der im Himmel wohnt, wird eure Reise gelingen lassen, und sein Engel möge mit euch ziehen!" Da machten sich beide auf den Weg, und der Hund des Jünglings begleitete sie.
Tob 5:18 Seine Mutter Anna weinte und sprach zu Tobit: "Warum hast du unser Kind fortgeschickt? Ist er nicht der Stab in unserer Hand, da er doch bei uns ein- und ausgeht?
Tob 5:19 Dies Geld soll nicht zum andern Geld zugelegt werden, sondern es sei das Lösegeld für unser Kind!
Tob 5:20 Denn wie uns vom Herrn das Leben geschenkt wird, so genügt uns dieses."
Tob 5:21 Tobit aber entgegnete ihr: "Gräme dich doch nicht, Schwester; er wird heil wiederkehren, und deine Augen werden ihn sehen.
Tob 5:22 Denn ein guter Engel wird mit ihm ziehen, sein Weg wird erfolgreich sein, und er wird heil wiederkehren."
Tob 5:23 Da hörte sie mit dem Weinen auf.
Tobias Kapitel 6
Tob 6:1 Sie aber zogen des Weges dahin und kamen gegen Abend an den Tigrisstrom und übernachteten daselbst.
Tob 6:2 Der Jüngling aber stieg hinab, um zu baden, als ein Fisch aus dem Fluß hervorschnellte und den Jüngling verschlingen wollte.
Tob 6:3 Der Engel aber rief ihm zu: "Packe den Fisch!" Da ergriff der Jüngling den Fisch und warf ihn ans Land.
Tob 6:4 Nun sprach der Engel zu ihm: "Schneide den Fisch auf, hole das Herz, die Leber und Galle heraus und nimm sie in sichere Verwahrung!"
Tob 6:5 Der Jüngling tat, wie der Engel ihn anwies; den Fisch selbst aber brieten und aßen sie.
Tob 6:6 Da zogen beide ihres Weges weiter, bis sie sich Ekbatana näherten.
Tob 6:7 Da fragte der Jüngling den Engel: "Bruder Asarias, was hat es mit der Leber, dem Herzen und der Galle des Fisches zu bedeuten?"
Tob 6:8 Dieser sprach zu ihm: "Das Herz und die Leber braucht man, wenn ein Dämon oder böser Geist jemanden quält; dann muß man diese in Gegenwart des Mannes oder der Frau als Räucherwerk verbrennen; in der Folge wird man nie mehr gequält.
Tob 6:9 Mit der Galle aber muß man einen Menschen bestreichen, der weiße Flecken in seinen Augen hat; dann wird er geheilt."
Tob 6:10 Sie näherten sich also Ragai.
Tob 6:11 Da sprach der Engel zu dem Jüngling: "Bruder, heute werden wir bei Raguel übernachten; er ist dein Verwandter und hat eine einzige Tochter namens Sara.
Tob 6:12 Ihretwegen will ich Rücksprache nehmen, damit du sie als Frau erhältst; denn dir gebührt ihr Besitz, weil du der einzige aus ihrer Verwandtschaft bist; übrigens ist das Mädchen schön und klug.
Tob 6:13 Nun höre auf mich! Ich will mit ihrem Vater reden; wenn wir dann aus Ragai zurückkehren, wollen wir Hochzeit feiern; denn ich weiß, Raguel kann sie nach dem mosaischen Gesetz keinem anderen Mann geben, oder er macht sich des Todes schuldig. Denn du hast vor jedem anderen Mann ein Recht auf ihren Besitz."
Tob 6:14 Da sprach der Jüngling zum Engel: "Bruder Asarias, ich hörte, das Mädchen sei an sieben Männer verheiratet worden, und alle seien im Brautgemach umgekommen.
Tob 6:15 Ich bin nun der einzige Sohn meines Vaters und fürchte, wenn ich hineingehe, ebenso sterben zu müssen wie die früheren; denn ein Dämon ist in sie verliebt, der niemandem etwas zuleide tut außer denen, die sih ihr nähern. Und nun fürchte ich, sterben zu müssen und so das Leben meines Vaters und meiner Mutter aus Kummer um mich ins Grab zu bringen. Sie haben aber keinen anderen Sohn, der sie begraben könnte."
Tob 6:16 Der Engel aber sprach zu ihm: "Gedenkst du nicht der Worte, die dir dein Vater aufgetragen hat, daß du nur eine Frau aus deiner Verwandtschaft nehmen sollst? Und nun höre mich, Bruder; denn deine Frau wird sie werden. Des Dämons wegen brauchst du dich nicht zu sorgen; denn heute nacht noch wird sie dir zur Frau gegeben werden.
Tob 6:17 Gehst du dann aber in das Brautgemach hinein, so nimm Glühasche vom Räucherwerk, lege etwas vom Herzen und der Leber des Fisches darauf und laß es als Räucherwerk verbrennen! Sobald das der Dämon riecht, wird er entfliehen und nimmermehr wiederkehren.
Tob 6:18 Wenn du dann zu ihr gehst, so erhebt euch beide und ruft zum barmherzigen Gott; er wird euch retten und Erbarmen schenken. Zage nicht, denn dir ist sie von Ewigkeit her bestimmt, und du wirst ihr Hilfe bringen; sie wird mit dir ziehen, und ich nehme an, daß du von ihr Kinder erhalten wirst."
Tob 6:19 Als Tobias das alles hörte, faßte er Zuneigung zu ihr, und sein Herz hing sehr an ihr.
Tobias Kapitel 7
Tob 7:1 So kamen sie denn nach Ekbatana und erreichten das Haus Raguels. Sara kam ihnen entgegen und begrüßte sie. Sie erwiderten ihr den Gruß. Jene führte sie dann ins Haus.
Tob 7:2 Da sprach Raguel zu seiner Frau Edna: "Wie sieht doch dieser junge Mann meinem Vetter Tobit ähnlich!"
Tob 7:3 Dann fragte sie Raguel: "Woher kommt ihr, Brüder?" Sie erwiderten: "Von den Söhnen Naphtalis, den Kriegsverschleppten in Ninive."
Tob 7:4 Da sagte er zu ihnen: "Kennt ihr den Tobit, unseren Bruder?" Sie antworteten: "Ja!"
Tob 7:5 Da fragte er sie: "Geht es ihm gut?" Sie erwiderten: "Er lebt und befindet sich wohl." Tobias fügte hinzu: "Er ist mein Vater!"
Tob 7:6 Nun sprang Raguel auf, küßte ihn, weinte, segnete ihn und sprach zu ihm: "O du Sohn des guten und wackeren Mannes!" Als er aber davon hörte, daß Tobit sein Augenlicht eingebüßt hatte, wurde er betrübt und weinte.
Tob 7:7 Auch seine Frau Edna und seine Tochter Sara weinten und nahmen sie bereitwillig auf.
Tob 7:8 Sie schlachteten einen Widder und trugen reichliche Gerichte auf.
Tob 7:9 Tobias aber sprach zu Raphael: "Bruder Asarias, sprich doch über die Dinge, von denen du auf der Reise geredet hast, damit die Sache erledigt werde!"
Tob 7:10 Da machte er Raguel hierüber Mitteilung, und Raguel sprach zu Tobias: "Iß, trink und sei fröhlich; denn dir gebührt es, mein Kind zu heiraten. Nur will ich dir gleich die Wahrheit sagen:
Tob 7:11 Ich habe mein Kind bereits an sieben Männer verheiratet; doch wenn sie zu ihr eingingen, starben sie in der Nacht. Aber sei vorerst guter Dinge!"
Tob 7:12 Doch Tobias sprach: "Ich esse hier keinen Bissen, bis ihr sie an meine Seite stellt und (als Zeugen) hinzutretet." Raguel erwiderte: "Nimm sie von jetzt an hin nach dem Gesetz! Du bist ihr Verwandter, und dir gehört sie. Der gütige Gott geleite euch aufs beste!"
Tob 7:13 Er rief seine Tochter Sara, nahm sie bei der Hand, gab sie dem Tobias zur Frau und sprach: "Hier, nach dem Gesetz des Moses nimm sie hin und führe sie zu deinem Vater!" Und er segnete sie.
Tob 7:14 Dann holte er seine Frau Edna, nahm ein Blatt, schrieb eine Vertragsurkunde und versiegelte sie. Nun begannen sie zu speisen.
Tob 7:15 Raguel rief seine Frau Edna und sprach zu ihr: "Schwester, richte das andere Gemach her und führe Sara hinein!"
Tob 7:16 Sie tat, wie er befohlen hatte, und führte sie dort hinein. Sara aber weinte. Die Mutter fing die Tränen ihrer Tochter auf und sprach zu ihr:
Tob 7:17 "Mut, mein Kind! Der Herr des Himmels und der Erde schenke dir Gnade als Ersatz für diese deine Trauer! Schöpfe Mut, meine Tochter!"
Tobias Kapitel 8
Tob 8:1 Als sie nun das Mahl beendet hatten, führten sie Tobias zu ihr hinein.
Tob 8:2 Beim Eintritt aber gedachte er der Weisungen Raphaels, nahm die Glühasche des Räucherwerks, legte das Herz und die Leber des Fisches darauf und räucherte damit.
Tob 8:3 Als nun der Dämon den Duft roch, floh er in die Gefilde Oberägyptens, und der Engel fesselte ihn.
Tob 8:4 Wie sie nun beide eingeschlossen waren, stand Tobias von seinem Lager auf und sprach: "Steh auf, Schwester, wir wollen beten, daß der Herr sich unser erbarme!"
Tob 8:5 Und Tobias begann zu beten: "Gepriesen bist du, Gott unserer Väter, gepriesen ist dein heiliger und ehrwürdiger Name in alle Ewigkeit! Preisen sollen dich die Himmel und alle deine Geschöpfe!
Tob 8:6 Du hast den Adam gebildet und gabst ihm als Hilfe die Eva, als Stütze seine Frau. Aus diesen entstand das Menschengeschlecht. Du sprachst: Es ist nicht gut, daß der Mensch allein sei. Wir wollen ihm eine Gehilfin machen, die zu ihm paßt.
Tob 8:7 Und nun, Herr, nicht aus Sinnlichkeit heirate ich diese meine Schwester, sondern aus lauterer Absicht. Mögest du dich meiner erbarmen und mich mit ihr zu hohem Alter gelangen lassen!"
Tob 8:8 Sie sprach mit ihm: "Amen!"
Tob 8:9 Sie schliefen jene Nacht miteinander.
Tob 8:10 Raguel aber stand auf, ging hin und grub ein Grab; denn er sagte: "Es könnte sein, daß auch dieser stirbt."
Tob 8:11 Dann ging Raguel in sein Haus.
Tob 8:12 Er sprach zu seiner Frau Edna: "Schicke doch eine von den Mägden und laß nachsehen, ob er noch lebt; ist das nicht der Fall, dann begraben wir ihn, bevor jemand etwas merkt."
Tob 8:13 Die Magd öffnete die Tür, ging hinein und fand beide schlafend.
Tob 8:14 Sie kam heraus und meldete, daß er lebe.
Tob 8:15 Da pries Raguel Gott und sprach: "Gepriesen bist du, Gott, mit jeglichem reinen und heiligen Lobpreis; preisen sollen dich deine Heiligen und alle deine Geschöpfe; alle deine Engel und deine Erwählten sollen dich preisen in alle Ewigkeit!
Tob 8:16 Gepriesen bist du, weil du mich erfreut hast! Mir geschah nicht, was ich vermutete, sondern du tatest an uns nach deinem reichen Erbarmen.
Tob 8:17 Gepriesen bist du, weil du dich der beiden einzigen Kinder erbarmt hast. Erweise ihnen, Herr, Barmherzigkeit! Laß ihr Leben in Gesundheit mit Freude und Erbarmen ablaufen!"
Tob 8:18 Dann ließ er seine Diener das Grab zuschütten.
Tob 8:19 Er veranstaltete dem Paar ein Hochzeitsfest, das vierzehn Tage dauerte.
Tob 8:20 Noch bevor die Hochzeitstage zu Ende waren, beschwor Raguel den Tobias, er solle nicht fortgehen, bevor die vierzehn Tage des Hochzeitsfestes zu Ende wären.
Tob 8:21 Dann solle er die Hälfte seines Vermögens bekommen und wohlbehalten zu seinem Vater zurückkehren. "Das übrige aber", so sagte er, "Sollst du bekommen, wenn ich und meine Frau tot sind!"
Tobias Kapitel 9
Tob 9:1 Da rief Tobias den Raphael und sprach zu ihm:
Tob 9:2 "Bruder Asarias, nimm einen Knecht und zwei Kamele mit dir und reise nach Ragai in Medien zu Gabael, hole mir das Geld, und bringe ihn selbst mit zur Hochzeit!
Tob 9:3 Denn Raguel hat geschworen, daß er mich nicht wegziehen läßt.
Tob 9:4 Doch mein Vater zählt die Tage, und wenn ich lange ausbleibe, wird es ihm sehr schmerzlich sein."
Tob 9:5 Da reiste Raphael ab, übernachtete bei Gabael und gab ihm den Schuldschein. Dieser aber brachte die versiegelten Beutel und gab sie ihm.
Tob 9:6 Dann brachen sie am Morgen gemeinsam auf und kamen zur Hochzeit. Tobias aber pries seine Frau.
Tobias Kapitel 10
Tob 10:1 Sein Vater Tobit zählte jeden Tag. Die Tage der Reise gingen vorbei, und Tobias war immer noch nicht zurückgekehrt.
Tob 10:2 Da sagte er: "Sind sie etwa aufgehalten worden, oder ist Gabael vielleicht gestorben, und niemand gibt ihm das Geld?"
Tob 10:3 Er wurde sehr traurig.
Tob 10:4 Da sprach seine Frau zu ihm: "Das Kind ist umgekommen, weil es so lange ausbleibt." Sie begann ihn zu beklagen und sprach:
Tob 10:5 "Ist nicht das mein Kummer, daß ich dich, mein Kind, habe ziehen lassen, das Licht meiner Augen?"
Tob 10:6 Tobit aber sprach zu ihr: "Beruhige dich, sorge dich nicht, er ist wohlbehalten."
Tob 10:7 Sie aber entgegnete ihm: "Sei still, mach mir nichts vor, mein Kind ist umgekommen!" Und sie lief täglich an den Weg hinaus, auf dem er fortgezogen war; am Tage nahm sie keine Nahrung zu sich, bei Nacht aber beklagte sie unaufhörlich ihren Sohn Tobias, bis die vierzehn Tage des Hochzeitsfestes vorbei waren, die Raguel dort zu feiern geschworen hatte.
Tob 10:8 Tobias aber bat den Raguel: "Laß mich heim, denn mein Vater und meine Mutter glauben schon nicht mehr daran, mich wiederzusehen!"
Tob 10:9 Sein Schwiegervater jedoch sagte zu ihm: "Bleibe bei mir, ich will jemand zu deinem Vater senden, und man soll ihm mitteilen, wie es mit dir steht!" Tobias aber sprach: "Nein, laß mich heim zu meinem Vater!"
Tob 10:10 Da erhob sich Raguel, gab ihm seine Frau Sara und die Hälfte seines Vermögens, Sklaven, Vieh und Geld.
Tob 10:11 Er segnete sie und entließ sie mit den Worten: "Kinder, der Gott des Himmels möge euch Glück verleihen, bevor ich sterbe!"
Tob 10:12 Zu seiner Tochter aber sprach er: "Ehre deine Schwiegereltern; sie sind nun deine Eltern! Möge ich von dir gute Nachricht hören!" Und er küßte sie.
Tob 10:13 Edna aber sprach zu Tobias: "Geliebter Bruder, möge dir der Herr des Himmels das Geleit geben, und möge er mich deine Kinder von meiner Tochter Sara sehen lassen, damit ich mich freuen kann vor dem Herrn! Siehe, ich vertraue dir meine Tochter als Pfand an; betrübe sie nicht!"
Tob 10:14 Danach reiste Tobias ab und pries Gott dafür, daß er seinen Weg gelingen ließ. Mit Segenswünschen nahm er Abschied von Raguel und seiner Frau Edna.
Tobias Kapitel 11
Tob 11:1 So zog er seines Weges, bis er in die Nähe von Ninive kam. Da sprach Raphael zu Tobias:
Tob 11:2 "Weißt du nicht mehr, Bruder, in welchem Zustand du deinen Vater verlassen hast?
Tob 11:3 Wir wollen deiner Frau vorauseilen und das Hauswesen herrichten.
Tob 11:4 Nimm aber die Galle des Fisches zur Hand!" Da zogen sie voran, und der Hund lief hinter ihnen mit.
Tob 11:5 Anna aber saß da und schaute den Weg entlang nach ihrem Sohne aus.
Tob 11:6 Da sah sie ihn kommen und sagte zu seinem Vater: "Siehe, dein Sohn kommt und der Mann, der mit ihm gereist ist."
Tob 11:7 Raphael sprach: "Ich weiß, daß deines Vaters Augen aufgetan werden.
Tob 11:8 Streiche also die Galle auf seine Augen! Wenn es ihn beißt, wird er sie reiben; die weißen Flecken werden dann abgehen, und er wird dich sehen."
Tob 11:9 Da lief Anna hinzu, fiel ihrem Sohn um den Hals und sprach zu ihm: "Ich habe dich gesehen, Kind! Von jetzt an kann ich ruhig sterben!" Beide brachen in Tränen aus.
Tob 11:10 Auch Tobit kam an die Türe. Er stieß sich jedoch, und sein Sohn eilte hinzu.
Tob 11:11 Er fing seinen Vater auf und strich die Galle über die Augen seines Vaters und sprach: "Fasse Mut, Vater!"
Tob 11:12 Als aber das Beißen anfing, rieb er seine Augen, und es schälten sich die weißen Flecken von seinen Augen ab.
Tob 11:13 Er konnte seinen Sohn sehen, fiel ihm um den Hals, weinte und sprach:
Tob 11:14 "Gepriesen bist du, o Gott, und gelobt ist dein Name in Ewigkeit, und gepriesen seien alle deine heiligen Engel, denn du hast mich gezüchtigt und begnadet: Wahrhaftig, ich sehe meinen Sohn Tobias!"
Tob 11:15 Da trat sein Sohn voller Freude ein und erzählte seinem Vater die wichtigen Ereignisse, die ihm in Medien begegnet waren.
Tob 11:16 Tobit ging nun seiner Schwiegertochter entgegen, freudig und Gott preisend am Tor von Ninive. Alle, die ihn gehen sahen, staunten darüber, daß er sehen konnte. Tobit bekannte vor ihnen, daß Gott sich seiner erbarmt habe.
Tob 11:17 Als Tobit nun mit seiner Schwiegertochter Sara zusammentraf, begrüßte er sie mit dem Glückwunsch: "Tritt wohlbehalten ein, meine Tochter! Gepriesen sei Gott, der dich zu uns führte, und auch dein Vater und deine Mutter!"
Tob 11:18 Freude herrschte bei allen seinen Brüdern in Ninive.
Tob 11:19 Auch Achiachar und dessen Neffe Nadan fanden sich ein. Das Hochzeitsfest des Tobias wurde sieben Tage lang freudig begangen.
Tobias Kapitel 12
Tob 12:1 Da rief Tobit seinen Sohn Tobias und sprach zu ihm: "Sorge, Kind, daß der Mann, der mit dir gegangen ist, seinen Lohn bekommt; man muß ihm auch noch eine Zulage geben."
Tob 12:2 Dieser antwortete ihm: "Vater, ich bin nicht geschädigt, wenn ich ihm die Hälfte von dem abgebe, was ich mitgebracht habe.
Tob 12:3 Er hat mich gesund zu dir zurückgeführt, hat meine Frau geheilt, mein Geld geholt und dich ebenfalls wieder gesund gemacht."
Tob 12:4 Der Greis erwiderte: "Das gebührt ihm wirklich."
Tob 12:5 Er rief nun den Engel herbei und sprach zu ihm: "Nimm die Hälfte von allem an, was ihr mitgebracht habt!"
Tob 12:6 Da rief jener die beiden heimlich beiseite und sprach zu ihnen: "Preiset Gott und danket ihm; gebt ihm die Ehre und danket ihm vor allen Lebenden für das, was er an euch getan hat! Gut ist es, Gott zu preisen und seinen Namen zu erhöhen, indem man die Kunde von Gottes Werken ehrfürchtig weitergibt. Zaudert also nicht, ihn zu feiern!
Tob 12:7 Das Geheimnis eines Königs zu verbergen, ist recht; die Werke Gottes aber zu offenbaren, ist ruhmvoll. Tut Gutes, und Unheil wird euch nicht treffen!
Tob 12:8 Etwas Schönes ist das Gebet, verbunden mit Fasten, Almosen und Mildtätigkeit. Besser ist es, weniges mit Mildtätigkeit zu besitzen als vieles mit Unrecht. Besser ist es, Almosen zu geben, als Goldschätze aufzuhäufen.
Tob 12:9 Denn Almosen rettet vom Tod und reinigt von jeder Sünde; wer Barmherzigkeit übt und Gutes tut, wird mit Leben erfüllt werden,
Tob 12:10 wer aber sündigt, ist ein Feind des eigenen Lebens.
Tob 12:11 Ich will euch gegenüber nichts verbergen; ich sagte es ja schon: Das Geheimnis eines Königs zu verbergen, ist recht, die Werke Gottes aber zu offenbaren, ist ruhmvoll.
Tob 12:12 Nun denn, als du betetest, du und deine Schwiegertochter Sara, brachte ich euer Gebetsopfer vor den "Heiligen", und als du die Toten begrubst, stand ich dir auch zur Seite.
Tob 12:13 Als du unverzüglich aufstandest und sogar deine Mahlzeit stehen ließest, um hinzugehen und dich des Toten anzunehmen, blieb mir deine gute Tat nicht verborgen, sondern ich war bei dir.
Tob 12:14 Wohlan, Gott hat mich gesandt, dich und deine Schwiegertochter Sara zu heilen.
Tob 12:15 Ich bin Raphael, einer von den sieben heiligen Engeln, die die Gebete der Heiligen darbringen und zu der Majestät des "Heiligen" Zutritt haben."
Tob 12:16 Da erschraken beide und fielen auf ihr Antlitz, weil sie in Furcht gerieten.
Tob 12:17 Doch er sprach zu ihnen: "Fürchtet euch nicht! Friede wird euch zuteil werden! Doch preiset Gott immerdar!
Tob 12:18 Denn nicht aus eigener Gunst, sondern nach dem Willen Gottes kam ich zu euch; daher preiset ihn immerdar!
Tob 12:19 Während all dieser Tage bin ich euch sichtbar gewesen, aber ich aß und trank nicht, ihr saht nur eine Erscheinung.
Tob 12:20 Und jetzt danket Gott, denn ich steige auf zu dem, der mich sandte. Schreibt alles, was sich zugetragen hat, in ein Buch!"
Tob 12:21 Da erhoben sie sich, sahen ihn aber nicht mehr.
Tob 12:22 Sie priesen die großen und wunderbaren Taten Gottes, und wie der Engel des Herrn ihnen erschienen war.
Tobias Kapitel 13
Tob 13:1 Tobit aber schrieb folgendes Freudengebet nieder:
Tob 13:2 "Gelobt sei Gott, der ewig lebt, und seine Königsherrschaft! Denn er züchtigt und erbarmt sich, führt in das Totenreich hinab und wieder herauf, und niemand kann seiner Hand entrinnen.
Tob 13:3 Dankt ihm, ihr Israeliten, vor den Heiden; denn er ist es, der uns unter sie zerstreute.
Tob 13:4 Kündet dort seine Größe; vor allem, was lebt, rühmt ihn; denn er ist unser Herr und Gott, er ist unser Vater bis in alle Ewigkeit.
Tob 13:5 Er züchtigt uns ob unsrer Freveltaten, erbarmt sich wiederum und sammelt uns aus allen Völkern, unter die ihr versprengt seid.
Tob 13:6 Bekehrt ihr euch zu ihm von ganzem Herzen und aus ganzer Seele, um Recht zu üben vor ihm, dann kehrt auch er sich hin zu euch, verbirgt sein Antlitz nimmermehr vor euch.
Tob 13:7 Dann schaut, was er an euch tut, und dankt ihm aus vollem Mund! Preist den gerechten Herrn und rühmt den ewigen König.
Tob 13:8 Ich danke ihm in der Verbannung Land und künde seine Macht und Größe einem Sündervolk. Bekehrt euch, ihr Sünder, übt Gerechtigkeit vor ihm! Vielleicht ist er euch wohlgesinnt und übt an euch Barmherzigkeit.
Tob 13:9 Ja, meinen Gott erhöhe ich, den Himmelskönig rühmt mein Herz und jubelt über seine Größe.
Tob 13:10 Alle in Jerusalem sollen sprechen und ihm danken: Jerusalem, du Stadt des Heiligen, er züchtigt dich ob deiner Kinder Taten, der Söhne der Gerechten wiederum erbarmt er sich.
Tob 13:11 Dem Herrn danke, wie es recht ist; dem ewigen König spende Preis, damit sein Zelt in dir mit Freuden wieder aufgenommen werde!
Tob 13:12 Freude bringe er den Verbannten in dir, den Armen in dir zeige er seine Huld durch alle Geschlechter in Ewigkeit!
Tob 13:13 Viele Heidenvölker kommen von fern zum Namen Gottes, des Herrn, bringen Geschenke in ihren Händen und Gaben für den König des Himmels. Geschlecht für Geschlecht wird dir Jubel zollen.
Tob 13:14 Alle, die dich hassen, seien verflucht, gesegnet alle, die dich lieben, in Ewigkeit!
Tob 13:15 Freu dich und juble über die Söhne der Gerechten; sie werden sich versammeln und preisen den Herrn der Gerechten. Selig, die dich lieben! Sie dürfen sich deines Glückes freuen.
Tob 13:16 Selig, die trauerten über alle deine Züchtigungen! Denn sie werden sich freuen über dich, wenn sie all deine Herrlichkeit schauen; sie werden frohlocken immerdar. Es preise Gott, den großen König, meine Seele!
Tob 13:17 Jerusalem wird neu gebaut mit Saphir und Smaragd, mit Edelsteinen deine Mauern, die Türme und die Wälle aus reinem Gold; die Straßen Jerusalems werden gepflastert mit Beryll und Diamant und Edelstein aus Ophir.
Tob 13:18 Und all seine Gassen sagen: Alleluja! Sie sprechen rühmend: Gepriesen sei Gott, der erhöht hat für immer!"
Tobias Kapitel 14
Tob 14:1 So beendete Tobit sein Danklied.
Tob 14:2 Er war achtundfünfzig Jahre alt, als er das Augenlicht verlor, und nach acht Jahren wurde er wieder sehend. Er übte Wohltaten und fürchtete weiterhin Gott, den Herrn, und dankte ihm.
Tob 14:3 Ein hohes Alter war ihm beschieden. Er rief seinen Sohn mit seinen Enkeln und sprach zu ihm: "Kind, nimm deine Söhne; siehe, ich bin alt und nahe daran zu verscheiden.
Tob 14:4 Ziehe nach Medien, Kind, denn ich bin überzeugt von dem, was der Prophet Jonas über die Zerstörung Ninives geweissagt hat; in Medien dagegen wird einstweilen besserer Wohlstand sein. Desgleichen bin ich überzeugt, daß unsere Brüder vom fruchtbaren Boden weg im Land zerstreut werden, daß Jerusalem verödet, das Haus Gottes darin verbrannt und lange Zeit verheert sein wird.
Tob 14:5 Aber Gott wird sich ihrer wieder erbarmen und sie in das Land zurückbringen. Man wird das Gotteshaus aufbauen, doch nicht so, wie das erste gewesen ist, bis die Fristen der Weltzeit erfüllt sind. Danach werden sie aus den Ländern ihrer Verbannung heimkehren und Jerusalem glanzvoll aufbauen. Das Haus Gottes wird als herrliches Gebäude darin erstehen für alle kommenden Geschlechter, wie die Propheten darüber geweissagt haben.
Tob 14:6 Alle Völker werden sich dazu bekehren, Gott, den Herrn, aufrichtig zu fürchten; ihre Götzenbilder aber werden sie verscharren, und alle Heiden werden den Herrn preisen.
Tob 14:7 Sein Volk wird Gott danken; der Herr aber wird sein Volk erhöhen. Freuen werden sich alle, die Gott, den Herrn, in Wahrheit und Gerechtigkeit lieben, indem sie unseren Brüdern Barmherzigkeit erweisen.
Tob 14:8 Und nun, Kind, ziehe fort von Ninive; denn gewiß wird das eintreten, was der Prophet Jonas gesprochen hat.
Tob 14:9 Du aber halte das Gesetz und die Gebote; sei mildtätig und rechtschaffen, auf daß es dir wohlergehe! Bereite mir und deiner Mutter an meiner Seite ein würdiges Begräbnis! Bleibt aber nicht mehr in Ninive!
Tob 14:10 Kind, schau, was Nadan dem Achiachar, seinem Ernährer, getan, wie er ihn aus dem Licht in die Finsternis gestürzt und wie (übel) er ihm vergolten hat! Doch Achiachar ward gerettet, jenem aber wurde die Vergeltung zuteil und er mußte selbst in die Finsternis hinabsteigen. Achiachar übte Barmherzigkeit und wurde aus der Todesschlinge, die jener ihm legte, gerettet; Nadan jedoch fiel in die Schlinge und kam um.
Tob 14:11 Seht also, Kinder, was Barmherzigkeit vermag, und wie Gerechtigkeit rettet!" Während er dies sagte, schied seine Seele von ihm auf dem Lager. Er war hundertachtundfünfzig Jahre alt. Sein Sohn begrub ihn in Ehren.
Tob 14:12 Als Anna tot war, begrub er sie neben seinem Vater. Dann zog Tobias mit seiner Frau und seinen Kindern nach Ekbatana zu seinem Schwiegervater Raguel.
Tob 14:13 Er ergraute in Ehren, bestattete seine Schwiegereltern würdig und erbte ihren Besitz und den seines Vaters Tobit.
Tob 14:14 Er starb, als er hundertsiebenundzwanzig Jahre alt war, in Ekbatana in Medien.
Tob 14:15 Vor seinem Hinscheiden vernahm er noch die Kunde vom Fall Ninives, das Nabuchodonosor und Assueros eroberten. So empfand er noch vor seinem Tod Freude über Ninive.