Word: Markus

Das Evangelium nach Markus

Einleitung.

Markus, mit dem vollen Namen Johannes Markus, war jüdischer Abstammung und scheint in Jerusalem beheimatet gewesen zu sein, wo das Haus seiner Mutter Maria als Versammlungsort der Christen genannt wird (Apg 12, 12). Mit seinem Vetter Barnabas begleitete er den Apostel Paulus auf der ersten Missionsreise, kehrte aber in Perge um, wahrscheinlich durch die großen Schwierigkeiten entmutigt (Apg 13,5. 13). Darum weigerte sich Paulus, ihn auf der zweiten Missionsreise mitzunehmen (Apg 15, 37). Später aber weilte Markus wieder bei dem gefangenen Apostel in Rom (Kol 4,10, Phlm 24). Der heilige Petrus nennt ihn seinen Sohn (1 Petr 5 13), wohl weil er ihn getauft hatte. Über das Wirken des Evangelisten nach der Hinrichtung der beiden Apostelfürsten fehlen uns nähere Nachrichten. Seit Eusebius gilt er als erster Bischof von Alexandrien in Ägypten. Die Kirche verehrt ihn am 25. April als Märtyrer. Über seinen nach Venedig überführten Reliquien wurde dort im 10. Jahrhundert der herrliche Markusdom erbaut. Schon die älteste Überlieferung nennt Markus den „Schüler und Dolmetsch des Petrus“ und bringt sein Evangelium in engere Beziehung zur Predigt des Apostelfürsten. Dem entsprechen auch der Inhalt und die Eigenart des zweiten Evangeliums. Es ist in erster Linie für heidenchristliche Leser bestimmt und will sie davon überzeugen, daß in dem großen Wundertäter Jesus von Nazareth der Sohn Gottes auf Erden erschienen ist. Nach kurzem Bericht über die Einführung Jesu in sein Amt durch den Vorläufer und die Gotteserscheinung bei der Taufe (1,1-13) schildert Markus das öffentliche Wirken Jesu in Galiläa (1,14-9, 50), in Judäa und Jerusalem (10,1-13, 37) und erzählt dann die Leidens- und Verklärungsgeschichte des Herrn (14,1-16, 20).

 

Das Evangelium wurde zu Rom geschrieben, wahrscheinlich zwischen 55-60, weil es jünger ist als das aramäische Matthäusevangelium, aber älter als dessen griechische Übersetzung und älter als das Lukasevangelium.

 

Vorgeschichte

1 Johannes der Täufer. Die frohe Botschaft von Jesus Christus dem Sohne Gottes, beginnt, wie es geschrieben steht beim Propheten Isaias: Siehe, ich sende meinen Boten vor dir her, daß er deinen Weg bereite. Stimme eines Herolds in der Wüste: Bereitet den Weg des Herrn, machet gerade seine Pfade! (Is 40 3, Mal 3, 1.) Johannes der Täufer trat in der Wüste auf und predigte eine Taufe der Bekehrung zur Vergebung der Sünden. Das ganze Judenland und alle Einwohner Jerusalems zogen zu ihm hinaus, ließen sich von ihm taufen im Jordanfluß und bekannten ihre Sünden. Johannes trug ein Gewand aus Kamelhaaren und einen ledernen Gürtel um seine Hüfte; er nährte sich von Heuschrecken und wildem Honig. 6: Johannes trug nicht ein Gewand aus Kamelfell, sondern ein rauhes, aus Kamelhaar gewirktes Kleid. Gedörrte Heuschrecken und der Honig wilder Bienen bilden heute noch zuweilen die Kost armer Leute im Orient. Er predigte also: Ein Stärkerer als ich kommt nach mir; ich bin nicht würdig, mich niederzubücken, um seine Schuhriemen aufzulösen. Ich habe euch mit Wasser getauft, er aber wird euch mit dem Heiligen Geiste taufen. 2-8: Vgl. Mt 3,1-12; Lk 3,1-20. Die Johannestaufe tilgte die Sünden nicht wie das Sakrament der Taufe, deren Vorbild sie war. Gott verzieh denen, die sich Taufen ließen, die Sünden wegen ihrer Reue.

 

Taufe und Versuchung Jesu. Und es begab sich in jenen Tagen, daß Jesus von Nazareth in Galiläa kam und von Johannes im Jordan getauft wurde. 10 Sobald er aus dem Wasser heraufstieg, sah er, wie der Himmel sich öffnete und der Geist gleich einer Taube auf ihn herabschwebte [und über ihm blieb]. 11 Eine Stimme erscholl vom Himmel: Du bist mein geliebter Sohn, an dir habe ich mein Wohlgefallen! 9-11: Vgl. Mt 3,13-17; Lk 3,21-22

 

12 Alsbald trieb ihn der Geist hinaus in die Wüste. 13 Dort war er vierzig Tage [und vierzig Nächte] und wurde vom Satan versucht. Er lebte unter den wilden Tieren, und die Engel dienten ihm. 12-13: Vgl. Mt 4,1-11; Lk 4,1-13.

 

Wirksamkeit Jesu in Galiläa

 

Erfolge und Widerstände

Die ersten Jünger. 14 Nach der Gefangennahme des Johannes kam Jesus nach Galiläa und predigte die frohe Botschaft [vom Reiche] Gottes. 15 Er sprach: Die Zeit ist erfüllt und das Reich Gottes hat sich genaht. Bekehret euch und glaubet an die frohe Botschaft! 14-15: Vgl. Mt 4,12-17; Lk 4,14-15; Jo 3,22-24; 4, 1-2. 16 Als er am galiläischen See dahinzog, sah er den Simon und dessen Bruder Andreas eben ihre Netze in den See auswerfen, denn sie waren Fischer. 17 Jesus sprach zu ihnen: Kommt, folget mir nach, und ich will euch zu Menschenfischern machen! 18 Sofort verließen sie ihre Netze und folgten ihm nach. 19 Als er von da ein wenig weiterging, sah er Jakobus, den Sohn des Zebedäus, und dessen Bruder Johannes, die eben auch im Schiffe die Netze herrichteten. 20 Er berief sie alsogleich. Sie ließen ihren Vater Zebedäus mitsamt den Taglöhnern im Schiffe und folgten ihm. 16-20: Vgl. Mt 4,18-22; Lk 5,1-11. Weil Zebedäus einen eigenen Fischerkahn besaß und Tagelöhner beschäftigte, gehörten die Apostel Johannes und Jakobus nicht zu den ärmsten Volksschichten.

 

Heilung eines Besessenen. 21 Sie gingen nach Kapharnaum hinein, und sogleich am Sabbat begab sich Jesus in die Synagoge und lehrte. 22 Sie waren betroffen über seine Lehre, denn er lehrte sie wie einer, der Macht hat, und nicht wie die Schriftgelehrten. 23 In ihrer Synagoge war gerade ein Mann, der einen unreinen Geist hatte. Dieser schrie: Ha! 24 Was haben wir mit dir zu schaffen, Jesus von Nazareth? Du bist gekommen, uns zu verderben. Ich weiß, wer du bist: Der Heilige Gottes. 25 Jesus aber drohte ihm und sprach: Verstumme und fahre aus von ihm! 26 Der unreine Geist riß ihn hin und her und fuhr mit lautem Geschrei von ihm aus. 27 Da fragten alle untereinander voll Verwunderung: Was ist das? Das ist eine neue Lehre mit Vollmacht! Er gebietet sogar den unreinen Geistern, und sie gehorchen ihm! 28 Der Ruf von ihm verbreitete sich alsbald überall in der ganzen Umgegend von Galiläa. 21-28: Vgl. Lk 4,31-37. Markus berichte mit Vorliebe von der Macht Jesu über die Dämonen.

 

Im Hause des Petrus. 29 Er verließ die Synagoge und begab sich gleich mit Jakobus und Johannes in das Haus des Simon und Andreas. 30 Die Schwiegermutter des Simon aber lag darnieder am Fieber. Und sogleich redeten sie ihretwegen mit ihm. 31 Er trat hinzu, nahm sie bei der Hand und richtete sie auf; sofort verließ sie das Fieber, und sie bediente sie. 32 Am Abend nach Sonnenuntergang brachte man zu ihm alle Kranken und Besessenen. 33 Die ganze Stadt war vor der Türe versammelt. 34 Er machte viele gesund, die mit allerlei Krankheiten geplagt waren, und trieb viele Dämonen aus und ließ die Dämonen nicht reden, weil sie ihn erkannten. 29-34: Vgl. Mt 8,14-17; Lk 4,38-41

 

Wanderungen in Galiläa. 35 Des Morgens, noch tief in der Nacht, stand er auf und ging hinaus an einen einsamen Ort und betete daselbst. 36 Simon und seine Begleiter eilten ihm nach. 37 Als sie ihn fanden, sprachen sie zu ihm: Alle suchen dich! 38 Er antwortete ihnen: Laßt uns anderswohin in die nächstgelegenen Dörfer und Städte gehen, damit ich auch dort predige; denn dazu bin ich ausgezogen. 39 So wanderte er durch ganz Galiläa, predigte in ihren Synagogen und trieb die bösen Geister aus. 35-39: Vgl. Mt 4,23; Lk 4,42-44. Jesu Beispiel zeigt uns, daß auch ein vollbesetztes Tagewerk noch Zeit zum Verkehr mit Gott im Gebete läßt.

 

Heilung eines Aussätzigen. 40 Ein Aussätziger kam zu ihm, bat ihn, fiel auf die Knie und sprach zu ihm: Wenn du willst, kannst du mich rein machen. 41 Voll Erbarmen streckte Jesus seine Hand aus, rührte ihn an und sprach zu ihm: Ich will, sei rein! 42 Da wich sogleich der Aussatz von ihm, und er ward rein. 43 Er fuhr ihn an und wies ihn alsbald fort und sprach zu ihm: 44 Hüte dich, jemand etwas davon zu sagen. Geh vielmehr hin, zeige dich dem Priester und opfere für deine Reinigung, was Moses befohlen hat, ihnen zum Zeugnis (3 Mos 14, 2). 45 Als er aber fortgegangen war, fing er an, das Geschehene eifrig zu verkünden und auszubreiten. So konnte Jesus nicht mehr öffentlich in eine Stadt gehen, sondern blieb draußen an einsamen Orten. Aber sie kamen zu ihm von überallher. 40-45: Vgl. Mt 8,1-4; Lk 5,12-16

 

2 Heilung des Gichtbrüchigen. Nach einigen Tagen kam er wieder nach Kapharnaum hinein. Als man hörte, daß er zu Hause sei, kamen viele zusammen, so daß sie auch draußen vor der Tür keinen Platz hatten. Und er predigte ihnen das Wort. Da brachte man zu ihm einen Gelähmten, der von vier Männern getragen wurde. Weil sie ihn der Volksmenge wegen nicht vor ihn bringen konnten, deckten sie das Dach ab, dort, wo er war, und durch die Öffnung ließen sie das Bett, auf dem der Gelähmte lag, hinab. Als Jesus ihren Glauben sah, sprach er zu dem Gelähmten: Kind, deine Sünden sind dir vergeben! Daselbst saßen aber einige Schriftgelehrte? die in ihrem Herzen dachten: Wie kann dieser so sprechen? Er lästert Gott. Wer kann Sünden vergeben außer Gott allein? Jesus erkannte sogleich diese ihre Gedanken in seinem Geiste und sprach zu ihnen: Warum denkt ihr so in euren Herzen? Was ist leichter zu dem Gelähmten zu sagen: Deine Sünden sind dir vergeben, oder zu sagen: Steh auf, nimm dein Bett und wandle? 10 Damit ihr aber wisset, daß der Menschensohn auf Erden Macht hat, Sünden zu vergeben, so — dabei wandte er sich an den Gelähmten — 11 sage ich dir: Steh auf, nimm dein Bett und geh heim! 12 Da stand er auf, nahm sogleich sein Bett und ging vor aller Augen weg. Alle gerieten außer sich, priesen Gott und sprachen: So etwas haben wir noch niemals gesehen! 1-12: Vgl. Mt 9,1-8, Lk 5,17-26. Die niedrigen Häuser hatten meist eine Außentreppe, die auf das flache Dach führte.

 

Berufung des Matthäus. 13 Er ging abermals an den See hinaus, und alles Volk kam zu ihm, und er lehrte sie. 14 Im Vorbeigehen sah er den Levi, den Sohn des Alphäus, an der Zollstätte sitzen. Er sprach zu ihm: Folge mir nach! Er stand auf und folgte ihm. 15 Und es geschah, als er in dessen Haus zu Tische saß, waren auch viele Zöllner und Sünder zugleich mit Jesus und seinen Jüngern zu Tische; denn es waren viele, und sie pflegten ihm nachzufolgen. 16 Als die Schriftgelehrten aus dem Kreise der Pharisäer sahen, daß er mit Sündern und Zöllnern aß, sprachen sie zu seinen Jüngern: Warum ißt und trinkt er mit den Zöllnern und Sündern? 17 Als Jesus dies hörte, entgegnete er ihnen: Nicht die Gesunden brauchen den Arzt, sondern die Kranken. Ich bin nicht gekommen, Gerechte zu berufen, sondern Sünder. 13-17: Vgl. Mt 9,9-13; Lk 5,27-32. Die am See Genesareth entlang führende Handelsstraße und die Nähe mehrerer Landesgrenzen erklärt die große Zahl der anwesenden Zöllner.

 

Vom Fasten. 18 Die Jünger des Johannes und die Pharisäer hatten Fasttag. Da kam man zu Jesus und fragte ihn: Warum fasten die Jünger des Johannes und der Pharisäer, deine Jünger aber fasten nicht? 19 Jesus erwiderte ihnen: Können denn die Hochzeitsgäste fasten, solange der Bräutigam bei ihnen ist? Solange sie den Bräutigam bei sich haben, können sie nicht fasten. 20 Es werden aber Tage kommen, da ihnen der Bräutigam genommen wird; dann, an jenem Tage, werden sie fasten. 21 Niemand setzt ein Stück von ungewalktem Tuch auf ein altes Kleid, sonst reißt das Flickstück davon ab, das Neue vom Alten, und der Riß wird größer. 22 Auch gießt niemand neuen Wein in alte Schläuche; sonst zerreißt der Wein die Schläuche, der Wein [läuft aus] und die Schläuche gehen zugrunde. Neuer Wein gehört vielmehr in neue Schläuche. 22: Im Neuen Bund herrscht ein anderer Geist als im Alten. 18-22: Vgl. Mt 9,14-17; Lk 5,33-39. Es handelte sich um einen privaten Fasttag. Jesus ist der Bräutigam, der um die Menschheit als Braut wirbt während seines Erdenlebens.

 

Vom Sabbat. 23 Ein anderes Mal ging der Herr am Sabbat durch die Saatfelder, und seine Jünger pflückten unterwegs Ähren ab. 24 Da sprachen die Pharisäer zu ihm: Siehe, warum tun sie am Sabbat, was nicht erlaubt ist? 25 Er entgegnete ihnen: Habt ihr niemals gelesen, was David tat, als er in Not war und ihn und seine Begleiter hungerte? 26 Wie er zur Zeit des Hohenpriesters Abiathar in das Haus Gottes ging und die Schaubrote aß, die niemand essen durfte als die Priester, und wie er seinen Begleitern davon gab? (1 Sm 21, 6.) 27 Und er sprach zu ihnen: Der Sabbat ist um des Menschen willen da, nicht der Mensch um des Sabbats willen! 28 Darum ist der Menschensohn auch Herr über den Sabbat. 23-28: Vgl. Mt 12,1-8; Lk 6,1-5. Die Antwort Jesu verrät göttliches Selbstbewußtsein.

 

3 Heilung am Sabbat. Er ging wieder einmal in die Synagoge. Daselbst war ein Mann mit einer verdorrten Hand. Sie beobachteten ihn, ob er ihn am Sabbat heilen werde, damit sie ihn anklagen könnten. Da sprach er zu dem Manne mit der verdorrten Hand: Steh auf, komm her in die Mitte! Und er sprach zu ihnen: Ist es erlaubt, am Sabbat Gutes zu tun oder Böses, ein Leben zu retten oder zugrunde gehen zu lassen? Sie aber schwiegen. Zornig sah er sie ringsum an, betrübt über die Verstocktheit ihres Herzens, und sprach zu dem Manne: Strecke deine Hand aus! Er streckte sie aus, und seine Hand ward wieder gesund. Die Pharisäer aber gingen hinaus und hielten sogleich mit den Herodianern Rat wider ihn, wie sie ihn umbringen könnten. 1-6: Vgl. Mt 12,9-14; Lk 6,6-11.

 

Jesu Tätigkeit am See Genesareth

Zulauf und Heilungen. Jesus aber ging mit seinen Jüngern weg an den See. Und viel Volk von Galiläa und Judäa folgte ihm. Auch von Jerusalem und Idumäa und von jenseits des Jordans und aus der Gegend von Tyrus und Sidon kam eine große Menge zu ihm, als sie von all seinen Taten hörten. Da sagte er zu seinen Jüngern, es solle wegen der Volksmenge ein Schifflein für ihn bereitgehalten werden, damit sie ihn nicht erdrückten. 10 Denn er heilte viele, so daß alle, die mit Leiden behaftet waren, sich an ihn herandrängten, um ihn zu berühren. 11 Wenn die unreinen Geister ihn sahen, fielen sie vor ihm nieder und schrien: Du bist der Sohn Gottes! 12 Er aber drohte ihnen heftig, daß sie ihn nicht bekannt machen sollten. 7-12: Vgl. Mt 12,15-16; Lk 6,17-19. Jesus will kein unnötiges Aufsehen erregen, erst recht nicht durch teuflische Mithilfe.

 

Wahl der Apostel. 13 Er stieg auf den Berg und berief die zu sich, die er selbst wollte. Und sie kamen zu ihm. 14 Und er bestellte die Zwölf, daß sie bei ihm seien, und daß er sie zum Predigen ausschicke 15 und daß sie die Vollmacht hätten, [die Krankheiten zu heilen und] die bösen Geister auszutreiben. 16 Er bestellte die folgenden zwölf: Dem Simon gab er den Namen Petrus; 17 Jakobus, den Sohn des Zebedäus, und Johannes, den Bruder des Jakobus, denen er den Namen Boanerges, das heißt Donnersöhne, gab; 18 Andreas, Philippus, Bartholomäus, Matthäus, Thomas, Jakobus, den Sohn des Alphäus, Thaddäus, Simon, den Kananäer, 19 und Judas Iskariot, der sein Verräter wurde. 13-19: Vgl. Mt 10,1-4; Lk 6,12-16. Der Name „Donnersöhne“ kennzeichnet das stürmische Temperament und beweist, daß auch „der Jünger der Liebe“ kein weichlicher, süßlicher Mensch war, wie ihn oft die Kunst darstellt.

 

Falsche Urteile über Jesus. 20 Als er nach Hause kam, versammelte sich wieder das Volk, so daß sie nicht einmal essen konnten. 21 Da die Seinen dies hörten, gingen sie hin, um sich seiner zu bemächtigen. Denn sie sagten: Er ist außer sich. 22 Die Schriftgelehrten aber, die von Jerusalem herabgekommen waren, sagten: Er hat den Beelzebul, und: Durch den obersten der Teufel treibt er die Teufel aus. 23 Da rief er sie herbei und redete mit ihnen in Gleichnissen: Wie kann der Satan den Satan austreiben? 24 Wenn ein Reich in sich gespalten ist, so kann jenes Reich nicht bestehen. 25 Und wenn ein Haus in sich gespalten ist, so kann jenes Haus nicht bestehen. 26 Wenn nun der Satan gegen sich selbst aufsteht, so ist er entzweit und wird nicht bestehen können, sondern es ist mit ihm zu Ende. 27 Niemand aber kann in das Haus des Starken kommen und sein Hausgerät rauben, wenn er nicht zuvor den Starken bindet. Dann erst wird er sein Haus plündern. 28 Wahrlich, ich sage euch: Alle Sünden werden den Menschenkindern vergeben und alle Lästerungen, die sie ausstoßen mögen. 29 Wer aber wider den Heiligen Geist lästert, der wird in Ewigkeit keine Vergebung erhalten, sondern ist ewiger Sünde schuldig. 29: Der Heilige Geist ist der Spender aller Gnade und der Geist der Wahrheit. Wer bewußt seiner Gnade widersteht und gegen die Wahrheit mit Lüge kämpft, ist keiner Reue fähig. 30 Denn sie sagten: Er hat einen unreinen Geist. 20-30: Vgl. Mt 12,22-37. 43-45, Lk 11,14-32. Die Anhänger Jesu fürchten, er mute sich zuviel zu. Ihre Sorge ist gut gemeint. Das Urteil: „Er ist außer sich“ kann sich aber auch auf das unvernünftige drängende Volk beziehen und muß dann übersetzt werden: „Es (das Volk) ist außer sich.“ Das Urteil der Schriftgelehrten dagegen geht aus Bosheit hervor.

 

Die Verwandten Jesu. 31 Nun kamen seine Mutter und seine Brüder. Sie blieben draußen stehen, schickten zu ihm hinein und ließen ihn rufen. 32 Das Volk saß um ihn her. Man sagte ihm: Siehe, deine Mutter und deine Brüder sind draußen und suchen dich. 33 Da antwortete er ihnen: Wer ist meine Mutter, und wer sind meine Brüder? 34 Und er schaute auf die, welche rings um ihn her saßen, und sprach: Sehet da meine Mutter und meine Brüder. 35 Denn wer den Willen Gottes tut, der ist mir Bruder, Schwester und Mutter. 31-35: Vgl. Mt 12,46-50; Lk 8,19-21. Die Bindung an den Willen Gottes muß stärker sein als die Liebe zu den leiblichen Verwandten. Über „Brüder Jesu“ vgl. die Anmerkung zu Mt 12,46.

 

Gleichnisse

4 Das Gleichnis vom Sämann. Jesus fing abermals an, am See zu lehren, und es sammelte sich viel Volk um ihn. Darum stieg er in einen Kahn und saß in ihm auf dem See. Das ganze Volk aber war auf dem Lande am See. Er lehrte sie vieles in Gleichnissen und sprach zu ihnen in seinen Unterweisungen: Höret! Siehe, der Sämann ging aus, zu säen. Beim Säen fiel einiges an den Weg, und die Vögel des Himmels kamen und fraßen es auf. Einiges fiel auf felsigen Grund, wo es nicht viel Boden hatte. Es ging zwar schnell auf, weil es keinen tiefen Boden hatte. Als aber die Sonne höher stieg, wurde es versengt und verdorrte, weil es keine Wurzel hatte. Einiges fiel unter die Dornen. Die Dornen wuchsen auf und erstickten es, und es brachte keine Frucht. Anderes endlich fiel in gutes Erdreich, ging auf, wuchs und brachte Frucht, dreißig-, sechzig-, ja hundertfältig. Und er rief aus: Wer Ohren hat zu hören, der höre!

 

10 Als er allein war, fragte ihn seine Umgebung samt den Zwölfen über die Gleichnisse. 11 Er sprach zu ihnen: Euch ist das Geheimnis des Gottesreiches gegeben; denen aber, die draußen sind, wird alles in Gleichnissen dargeboten, 12 damit sie sehen und doch nicht sehen, hören und doch nicht verstehen, damit sie sich nicht bekehren und ihnen vergeben werde. 11-12: Jesus wollte durch seine Gleichnisreden die Menschen nicht verstocken, auch keine bekannten Wahrheiten verhüllen. Aber die Geheimnisse des Gottesreiches legte er dem Volke in der Hülle eines Gleichnisses vor. Wer guten Willens war, vermochte ihren tiefen Sinn zu finden. 13 Und er sprach zu ihnen: Versteht ihr dieses Gleichnis nicht, wie werdet ihr dann alle Gleichnisse begreifen? 14 Der Sämann sät das Wort. 15 Am Wege hin wird das Wort gesät bei denen, die es zwar hören; dann kommt aber sogleich der Satan und nimmt das Wort weg, das in sie gesät ist. 16 Ähnlich geartet sind die, bei denen auf felsigen Grund gesät wird, hören sie es, so nehmen sie es alsbald mit Freuden auf. 17 Sie haben aber keine Wurzel in sich und halten nur eine Zeitlang aus. Wenn dann um des Wortes willen Trübsal und Verfolgung kommen, fallen sie gleich ab. 18 Andere, wo unter die Dornen gesät wurde, sind jene, welche das Wort zwar hörten, 19 aber die Sorgen der Welt, der trügerische Reichtum und die Begierden nach den übrigen Dingen schleichen sich ein und ersticken das Wort, und es bleibt ohne Frucht. 20 Auf gutes Erdreich endlich wurde gesät bei denen, die das Wort hören und aufnehmen und Frucht bringen, dreißig-, sechzig-, ja hundertfältig. 1-20: Vgl. Mt 13,1-23; Lk 8,4-15.

 

Andere Gleichnisse. 21 Und er sprach zu ihnen: Läßt man sich etwa ein Licht bringen, um es unter den Scheffel oder unter das Bett zu stellen, und nicht dazu, daß man es auf den Leuchter stelle? 22 Denn nichts ist verborgen, was nicht offenbar werden, und nichts geschieht geheim, was nicht an den Tag kommen soll. 23 Wer Ohren hat zu hören, der höre!

 

24 Weiter sprach er zu ihnen: Merket wohl, was ihr höret! Mit dem Maße, mit dem ihr ausmesset, wird euch eingemessen werden, ja es wird euch noch dazugegeben werden. 25 Denn wer hat, dem wird gegeben. Wer aber nicht hat, dem wird auch das genommen werden, was er hat. 21-25: Vgl. Lk 8,16-18. Die Religion muß auch nach außen sich bekunden und das ganze Leben erfassen. Treues Mitwirken zieht neue Gnaden nach sich; der Nachlässige (= wer nicht hat) verliert bald alles.

 

Das Gleichnis vom Samen auf dem Ackerfeld. 26 Wiederum sprach er: Mit dem Reiche Gottes ist es, wie wenn ein Mann Samen auf das Ackerland streut. 27 Er mag schlafen oder aufstehen, bei Tag und bei Nacht, der Same keimt und wächst auf, ohne daß er es selber weiß. 28 Denn die Erde trägt von selbst Frucht, zuerst den Halm, dann die Ähre, endlich die volle Frucht in der Ähre. 29 Und wenn die Frucht es gestattet, legt er alsbald die Sichel an; denn die Ernte ist da. 26-29 Christus hat den Samen des Gotteswortes auf Erden ausgestreut und läßt ihn wachsen aus innerer Kraft bis zur Ernte beim Weltgericht.

 

Das Gleichnis vom Senfkorn. 30 Er fuhr fort: Womit sollen wir das Reich Gottes vergleichen oder unter welchem Bilde es darstellen? 31 Es ist wie ein Senfkörnlein. Wenn dieses in die Erde gesät wird, ist es das kleinste unter allen Samenkörnern auf der Erde. 32 Ist es aber gesät, so wächst es auf und wird größer als alle Kräuter und treibt so große Zweige, daß die Vögel des Himmels unter seinem Schatten wohnen können.

 

33 In vielen solchen Gleichnissen predigte er ihnen das Wort, je nach ihrer Fassungskraft. 34 Ohne Gleichnisse redete er nicht zu ihnen. Wenn sie aber allein waren, legte er seinen Jüngern alles aus. 30-34: Vgl. Mt 13,31-32. 34-35, Lk 13,18-19. Das Senfkorn ist das kleinste unter den damals in Palästina verwendeten Saatkörnern.

Wunder

Der Sturm auf dem Meere. 35 Am Abend jenes Tages sagte er zu ihnen: Laßt uns hinüberfahren an das andere Ufer! 36 Sie entließen das Volk und nahmen ihn, so wie er war, im Schiffe mit; und andere Schiffe begleiteten ihn. 37 Ein gewaltiger Sturm erhob sich und warf die Wellen in das Schiff, so daß es sich mit Wasser füllte. 38 Er aber war hinten im Kahne und schlief auf einem Kissen. 39 Sie weckten ihn auf mit dem Rufe: Meister, liegt dir nichts daran, daß wir untergehen? Er stand auf, gebot dem Winde und sprach zum See: Sei still, verstumme! Da legte sich der Wind, und es wurde ganz still. 40 Er sprach zu ihnen: Was seid ihr denn so furchtsam? Habt ihr noch keinen Glauben? 41 Sie fürchteten sich sehr und sprachen zueinander: Wer ist doch dieser, daß ihm Wind und See gehorchen! 35-41: Vgl. Mt 8,18. 23-27, Lk 8,22-25.

 

5 Heilung des Besessenen. Sie kamen über den See hinüber in die Landschaft der Gerasener. Als er aus dem Schifflein stieg, lief ihm sogleich von den Grabhöhlen her ein Mann mit einem unreinen Geist entgegen. Dieser hatte seinen Aufenthalt in den Grabhöhlen, und bisher konnte man ihn nicht einmal mit Ketten binden. Denn schon oft war er mit Fußfesseln und Ketten gefesselt worden, aber die Ketten waren von ihm zerrissen und die Fußfesseln zerrieben worden, und niemand konnte ihn bändigen. Immerfort, Tag und Nacht, hielt er sich in den Grabhöhlen und im Gebirge auf, schrie und schlug sich selbst mit Steinen. Als er Jesus von ferne sah, lief er hin, warf sich vor ihm nieder und schrie mit lauter Stimme: Was habe ich mit dir zu schaffen, Jesus, du Sohn Gottes, des Allerhöchsten? Ich beschwöre dich bei Gott, quäle mich nicht! Denn er sprach zu ihm: Fahre aus von diesem Menschen, unreiner Geist! Er fragte ihn auch: Wie heißest du? Er antwortete ihm: Legion ist mein Name; denn wir sind viele. 10 Er bat ihn inständig, er möchte sie nicht aus dieser Gegend vertreiben. 11 Es war aber dort am Berge eine große Schweineherde auf der Weide. 12 Die Geister baten ihn: Jage uns in die Schweine, laß uns in sie fahren! 13 Er gestattete es ihnen sogleich. Da fuhren die unreinen Geister aus und fuhren in die Schweine. Die Herde stürzte sich den Abhang hinunter in den See, an zweitausend, und sie ertranken im See. 14 Ihre Hirten aber flohen davon und meldeten es in der Stadt und auf den Gehöften. Und die Leute gingen hinaus, um zu sehen, was geschehen war. 15 Sie kamen zu Jesus und sahen den Besessenen, der die Legion gehabt hatte, dasitzen, angekleidet und bei gesundem Verstande, und sie fürchteten sich. 16 Die Augenzeugen erzählten ihnen, was mit dem Besessenen vorgefallen war und mit den Schweinen. 17 Da baten sie ihn, er möchte sich entfernen aus ihrem Gebiete. 18 Als er das Schiff bestieg, bat ihn der, welcher zuvor besessen gewesen, ihn begleiten zu dürfen. 19 Doch er ging nicht darauf ein, sondern sprach zu ihm: Geh nach Hause zu den Deinigen und erzähle ihnen, was der Herr Großes an dir getan und wie er sich deiner erbarmt hat. 20 Jener ging hin und verkündete im Gebiet der Zehn-Städte, was Jesus an ihm Großes getan. Und alle verwunderten sich. 1-20: Vgl. Mt 8,28-34; Lk 8,26-39. Matthäus nennt zwei Besessene, Markus und Lukas erwähnen bloß den einen, der die Hauptrolle spielte. In seiner heidnischen Heimat soll der Geheilte zum Glaubensboten werden; im jüdischen Gebiet hätte er das Wirken Jesu eher gehemmt.

 

Heilung einer Blutflüssigen und Auferweckung der Tochter des Jairus. 21 Als Jesus im Schiffe wieder über den See gefahren war, versammelte sich viel Volk um ihn; und er verweilte am See. 22 Da kam einer von den Synagogenvorstehern, namens Jairus. Als er Jesus sah, fiel er ihm zu Füßen 23 und bat ihn inständig: Mein Töchterchen liegt in den letzten Zügen. Komm und leg ihm die Hände auf, damit es gesund werde und lebe! 24 Er ging mit ihm. Viel Volk begleitete ihn und umdrängte ihn. 25 Eine Frau, die seit zwölf Jahren am Blutflusse litt 26 und viel von vielen Ärzten ausgestanden und ihr ganzes Vermögen aufgewendet und doch keine Hilfe gefunden hatte — vielmehr war es nur schlimmer geworden —, 27 hatte von Jesus gehört. Sie kam unter der Menge von hinten heran und berührte sein Kleid. 28 Denn sie dachte: Wenn ich nur seine Kleider berühre, werde ich gesund. 29 Sogleich wurde ihr Blutfluß gestillt, und sie fühlte an ihrem Leib, daß sie von der Plage geheilt sei. 30 Jesus merkte sogleich an sich, daß eine Kraft von ihm ausgegangen war. Er wandte sich in der Menge um und fragte: Wer hat meine Kleider angerührt? 31 Seine Jünger antworteten ihm: Du siehst doch, daß dich das Volk umdrängt, und da fragst du: Wer hat mich berührt? 32 Doch er sah sich um nach der, die es getan hatte. 33 Da kam die Frau, voll Furcht und Zittern, im Bewußtsein dessen, was mit ihr geschehen war, fiel vor ihm nieder und gestand ihm die volle Wahrheit. 34 Er aber sprach zu ihr: Tochter, dein Glaube hat dir geholfen! Geh hin im Frieden und sei geheilt von deiner Plage!

 

35 Während er noch redete, kamen Leute von dem Synagogenvorsteher mit der Nachricht: Deine Tochter ist gestorben; warum belästigst du den Meister noch weiter? 36 Jesus fing das Wort auf, das da gesprochen wurde, und sagte zu dem Synagogenvorsteher: Sei ohne Furcht, glaube nur! 37 Er ließ niemand mit als Petrus, Jakobus und Johannes, den Bruder des Jakobus. 38 Sie kamen in das Haus des Synagogenvorstehers. Jesus vernahm den Lärm und das laute Weinen und Wehklagen. 39 Er ging hinein und sprach zu ihnen: Warum lärmt und weint ihr? Das Mädchen ist nicht tot, sondern schläft. 40 Da lachten sie ihn aus. Er aber wies alle hinaus und ging mit dem Vater und der Mutter des Mädchens und seinen Begleitern dorthin, wo das Mädchen lag. 40: Das Lachen der berufsmäßigen Klageweiber beweist den wirklichen Tod des Mädchens, den Jesus nur bildhaft als Schlaf bezeichnet hatte. 41 Da faßte er das Mädchen bei der Hand und sprach zu ihm: Talitha kumi, das heißt: Mädchen, ich sage dir, steh auf! 42 Sogleich stand das Mädchen auf und ging umher; es war nämlich zwölf Jahre alt. Große Bestürzung ergriff die Leute. 43 Er schärfte ihnen nachher ernstlich ein, daß es niemand erfahre. Dann sagte er, man solle ihr zu essen geben. 21-43: Vgl. Mt 9,18-26; Lk 8,40-56. Das Leiden der Frau war um so quälender, weil auch die Gegenstände, die sie berührte, als levitisch unrein galten, so daß ein Zusammenleben mit ihr erschwert war.

 

Jesu Wanderung um den See

6 Jesus in Nazareth. Von da ging er weg und kam in seine Vaterstadt. Seine Jünger begleiteten ihn. Am Sabbat begann er in der Synagoge zu lehren. Und die vielen Zuhörer verwunderten sich [über seine Lehre] und fragten: Woher hat er denn dies? Was ist das für eine Weisheit, die ihm verliehen ist? Und solche Wunder geschehen durch seine Hände! Ist das nicht der Zimmermann, der Sohn Marias, ein Bruder des Jakobus, Joses, Judas und Simon? Sind nicht auch seine Schwestern hier bei uns? Und sie wurden irre an ihm. Jesus aber sprach zu ihnen: Nirgends findet ein Prophet weniger Anerkennung als in seiner Vaterstadt und bei seinen Verwandten und seiner Familie. Und er konnte daselbst kein einziges Wunder wirken, außer daß er wenige Kranke durch Handauflegung heilte. 6a Er wunderte sich über ihren Unglauben. 6b Und er zog durch die Dörfer ringsherum und lehrte. 5-6: Jesus konnte seine Wunderkraft nicht anwenden, weil auf seiten seiner Landsleute der Glaube als notwendige Voraussetzung fehlte. 1-6: Vgl. Mt 13,53-58; Lk 4,16-30. Niemals werden diese „Brüder“ und „Schwestern“ Jesu als Kinder Marias oder Josephs erwähnt. Es waren Vettern und Basen. Vgl. Mt 12,46.

 

Aussendung der Apostel. Er berief die Zwölf, sandte sie zwei und zwei aus und gab ihnen Gewalt über die unreinen Geister. Er gebot ihnen, nichts mit auf den Weg zu nehmen außer einem Stab; kein Brot, keine Tasche, kein Geld im Gürtel. Sandalen sollten sie tragen, aber nicht zwei Röcke anziehen. 10 Auch sprach er zu ihnen: Wo ihr in ein Haus einkehrt, da bleibet, bis ihr von dort weitergeht. 11 Wo man euch aber nicht aufnimmt noch hört, von da gehet fort und schüttelt den Staub von euren Füßen, ihnen zum Zeugnis. 12 Und sie zogen aus und predigten, man solle Buße tun. 13 Sie trieben auch viele böse Geister aus und salbten viele Kranke mit Öl und heilten sie. 7-12: Vgl. Mt 10,1. 9-15; Lk 9,1-6; 10,3-12. Bei der Salbung der Kranken mit Öl handelte es sich noch nicht um das Sakrament der heiligen Ölung.

 

Enthauptung des Täufers. 14 Der König Herodes hörte davon — denn sein Name war in aller Munde — und sprach: Johannes der Täufer ist von den Toten auferstanden — darum wirken die Wunderkräfte in ihm. 15 Andere aber sagten: Er ist Elias; wieder andere: Er ist ein Prophet, wie einer aus den Propheten. 16 Da Herodes dies hörte, sprach er: Johannes, den ich habe enthaupten lassen, der ist [von den Toten] auferstanden. 14-16: Das schlechte Gewissen plagte Herodes. 14-29: Vgl. Mt 14,1-12; Lk 3,19-20; 9,7-9. 17 Herodes hatte nämlich Leute ausgesandt und Johannes verhaften, fesseln und im Gefängnis halten lassen wegen der Herodias, der Frau seines Bruders Philippus, weil er sie zur Frau genommen hatte. 18 Denn Johannes hatte zu Herodes gesagt: Es ist dir nicht erlaubt, deines Bruders Frau zu haben. 19 Darum war ihm Herodias aufsässig und hätte ihn gern umbringen lassen; aber sie konnte es nicht, 20 denn Herodes fürchtete den Johannes, weil er wußte, daß er ein gerechter und heiliger Mann sei. Er hielt ihn in Haft, und wenn er ihn hörte, wurde er sehr verlegen, aber er hörte ihn gern. 20: Der lateinische Text lautet: „Er nahm ihn in Schutz, tat vieles auf seine Worte hin und hörte ihn gern.“ Die Ehebrecherin mochte fürchten, entlassen zu werden, wenn der Einfluß des Gefangenen auf Herodes länger dauerte. 21 Da kam ein gelegener Tag, das Geburtsfest des Herodes, an welchem dieser seinen Fürsten, den Hauptleuten und Vornehmsten von Galiläa ein Gastmahl gab. 22 Da trat die Tochter der Herodias herein und tanzte. Sie gefiel dem Herodes und seinen Gästen. Und der König sprach zu dem Mädchen: Begehre von mir, was du willst, ich will es dir geben. 23 Ja, er schwur ihr: Was du auch von mir begehrst, ich will es dir geben, und wäre es auch die Hälfte meines Reiches. 24 Sie ging hinaus und fragte die Mutter: Was soll ich begehren? Diese aber antwortete: Das Haupt Johannes des Täufers. 25 Sogleich ging sie in Eile zum König und bat: Ich will, daß du mir sofort auf einer Schüssel das Haupt Johannes des Täufers gebest. 26 Da wurde der König tief betrübt. Allein wegen seiner Eide und wegen der Tischgenossen wollte er sie nicht abweisen. 26: Der Eid konnte ihn nicht zu etwas Bösem verpflichten. 27 Er schickte gleich einen Scharfrichter ab mit dem Befehl, sein Haupt [auf einer Schüssel] zu bringen. Dieser ging hin, enthauptete ihn im Gefängnis 28 und brachte sein Haupt auf einer Schüssel und gab es dem Mädchen, und das Mädchen gab es seiner Mutter. 29 Die Jünger hörten dies, kamen und holten seinen Leichnam und setzten ihn in einem Grabe bei.

 

Rückkehr der Apostel. Erste Brotvermehrung. 30 Die Apostel kamen zu Jesus und berichteten ihm alles, was sie getan und gelehrt hatten. 31 Und er sprach zu ihnen: Ziehet euch zurück an einen einsamen Ort und ruhet ein wenig aus. Denn derer, die ab und zu gingen, waren viele, und sie hatten nicht einmal Zeit zum Essen. 32 Sie stiegen in ein Schiff und fuhren abseits an einen einsamen Ort. 33 Aber man sah sie abfahren, und viele merkten es. Die Leute liefen aus allen Städten zu Fuß dorthin zusammen und kamen ihnen zuvor. 34 Als Jesus ausstieg, sah er eine große Volksmenge. Er fühlte Mitleid mit ihnen; denn sie waren wie Schafe, die keinen Hirten haben. Und er begann, sie über vieles zu belehren. 35 Da es bereits spät war, traten seine Jünger herzu und sprachen: Diese Gegend ist öde, und es ist schon spät. 36 Entlaß sie, damit sie in die umliegenden Dörfer und Flecken gehen und sich zu essen kaufen können. 37 Er entgegnete ihnen: Gebt ihr ihnen zu essen! Sie sagten zu ihm: Sollen wir hingehen und für zweihundert Denare Brot kaufen und ihnen zu essen geben? 37. Zweihundert Denare hätten gereicht, um für jeden Mann nach heutigem Geld ein „Dreipfennigbrötchen“ zu kaufen. 38 Er aber erwiderte ihnen und sagte: Wieviel Brote habt ihr? Geht und Sehet nach! Nachdem sie nachgesehen, sagten sie: Fünf und zwei Fische. 39 Er gebot ihnen, daß alle in Gruppen sich auf dem grünen Grase niederlassen sollten. 40 Sie lagerten sich in Abteilungen zu je hundert und je fünfzig. 41 Und er nahm die fünf Brote und die zwei Fische, blickte zum Himmel auf, segnete und brach die Brote und gab sie seinen Jüngern zum Austeilen. Auch die zwei Fische verteilte er unter alle. 42 Alle aßen und wurden satt. 43 Ja, man hob noch zwölf Körbe voll Brocken auf, auch Überbleibsel von den Fischen. 44 Es waren aber derer, die gegessen hatten, fünftausend Männer.

 

Jesus wandelt auf dem See. 45 Alsbald nötigte er seine Jünger, das Boot zu besteigen und an das andere Ufer nach Bethsaida ihm vorauszufahren; unterdessen wollte er das Volk entlassen. 45: Die Jünger kamen sonst in Gefahr, in die falsche messianische Begeisterung der Menge hineingerissen zu werden. 46 Als er sie entlassen hatte, ging er auf den Berg, um zu beten. 47 Es war Abend geworden, und das Schiff befand sich mitten auf dem See, er war allein auf dem Lande. 48 Er sah, daß sie große Mühe hatten beim Rudern, denn sie hatten Gegenwind. Da kam er um die vierte Nachtwache zu ihnen, auf dem See wandelnd, und wollte an ihnen vorbeigehen. 49 Als sie ihn aber auf dem See wandeln sahen, meinten sie, es sei ein Gespenst, und schrien auf. 50 Denn alle sahen ihn und erschraken. Er aber redete sie alsbald an mit den Worten: Seid getrost, ich bin es, fürchtet euch nicht! 51 Und er stieg zu ihnen in das Schiff, und der Wind legte sich. Sie aber gerieten vor Staunen ganz außer sich; 52 denn sie waren nicht zur Einsicht gelangt bei den Broten, weil ihr Herz verhärtet war. 51-52: Wären die Jünger weniger schwerfällig gewesen, so hätten sie schon bei dem Wunder der Brotvermehrung die Macht des Meisters über die Naturgesetze erkennen müssen. 53 Sie fuhren hinüber ans Land, kamen nach Genesareth und legten an. 54 Beim Aussteigen erkannten ihn die Leute sogleich, 55 liefen in der ganzen Gegend umher und brachten die Kranken auf Tragbahren, wo sie hörten, daß er es sei. 56 Und wo er in Dörfer oder in Städte oder in Gehöfte kam, legte man die Kranken auf die freien Plätze und bat ihn, daß sie nur die Quaste seines Gewandes berühren dürften. Und alle, die ihn berührten, wurden gesund. 30-56: Vgl. Mt 14,13-36; Lk 9,10-17; Jo 6,1-24.

 

7 Vorschriften der Pharisäer. Und es versammelten sich bei ihm die Pharisäer und einige von den Schriftgelehrten, die von Jerusalem gekommen waren. Als sie bemerkten, daß einige seiner Jünger mit unreinen, das heißt ungewaschenen Händen ihre Mahlzeit hielten, — die Pharisäer und alle Juden essen nämlich, weil sie an der Überlieferung der Alten festhalten, nur nach gründlicher Waschung der Hände, und vom Markte gekommen, essen sie nicht, ohne sich zuvor zu waschen, und so gibt es noch viele andere Gebräuche, welche sie der Überlieferung gemäß beobachten: das Waschen von Bechern, Krügen, Kupfergeschirren [und Bettstätten] — da fragten ihn die Pharisäer und Schriftgelehrten: Warum halten sich deine Jünger nicht an die Satzung der Alten, sondern essen das Brot mit unreinen Händen? Er antwortete ihnen: Treffend hat Isaias von euch Heuchlern geweissagt, wie geschrieben steht: Dieses Volk ehrt mich mit den Lippen, aber ihr Herz ist weit von mir. Vergeblich ehren sie mich, indem sie Lehren und Satzungen von Menschen vortragen (Is 29, 13). Denn das Gebot Gottes setzt ihr hintan und haltet die Menschensatzungen, Waschen von Krügen und Bechern und vieles andere derart tut ihr. Und er sprach zu ihnen: Schön hebt ihr Gottes Gebot auf, um eure Überlieferungen zu halten. 9: Die Überlieferungen der Juden waren rein menschliche Zutaten zum göttlichen Gesetz, also etwas anderes als die mündliche Überlieferung in der Kirche Christi, die neben der Heiligen Schrift eine Offenbarungsquelle bildet. 10 Moses hat gesagt: Du sollst Vater und Mutter ehren, und: Wer seinem Vater oder seiner Mutter flucht, soll des Todes sterben. 11 Ihr aber sagt: Wenn einer zu Vater oder Mutter spricht: Korban, das heißt Opfergabe soll sein, was ich dir zu leisten hätte, 12 so laßt ihr ihn nichts mehr tun für seinen Vater und seine Mutter 13 und hebt so das Wort Gottes auf durch eure Satzung, die ihr weiter überliefert habt. Und noch vieles derart tut ihr. 14 Und er rief die Menge wieder herbei und sprach zu ihnen: Höret mich alle und verstehet es! 15 Nichts, was von außen in den Menschen eingeht, kann ihn verunreinigen, sondern was aus dem Menschen ausgeht, das verunreinigt ihn. 16 Wer Ohren hat zu hören, der höre! 17 Als er vom Volke weg nach Hause gegangen war, fragten ihn seine Jünger über das Gleichnis. 18 Er sprach zu ihnen: Seid denn auch ihr ohne Einsicht? Versteht ihr nicht, daß alles, was von außen in den Menschen hineinkommt, ihn nicht verunreinigen kann? 19 Denn es kommt nicht in sein Herz, sondern in den Magen und nimmt den natürlichen Ausgang, der alle Speisen ausscheidet. 20 Was aber, fuhr er fort, aus dem Menschen herauskommt, das macht ihn unrein. 21 Denn von innen, aus dem Herzen der Menschen, kommen die bösen Gedanken, Unzucht, Diebstahl, Mord, 22 Ehebruch, Geiz, Bosheit, Betrug, Schamlosigkeit, böser Blick, Lästerung, Hoffart, Torheit. 23 All dies Böse kommt von innen heraus und verunreinigt den Menschen. 1-23: Vgl. Mt 15,1-20.

 

Die kanaanäische Frau. 24 Er machte sich auf und zog von da in das Gebiet von Tyrus und Sidon. Er ging in ein Haus und wollte, daß es niemand erfahre, konnte aber nicht verborgen bleiben. 25 Denn eine Frau, deren Tochter einen unreinen Geist hatte, hörte alsbald von ihm, kam und fiel ihm zu Füßen. 26 Die Frau war eine Heidin, aus Syrophönizien gebürtig. Sie bat ihn, er möge den bösen Geist aus ihrer Tochter austreiben. 27 Er sprach zu ihr: Laß zuerst die Kinder satt werden. Denn es ist nicht recht, den Kindern das Brot zu nehmen und es den Hündlein vorzuwerfen. 27: Nach dem Urtext gebraucht auch Jesus den weniger demütigenden Ausdruck „Hündlein“ statt „Hunde“. Zuerst soll nach Gottes Willen den Israeliten, den Kindern in der Familie, das Heil angeboten werden. 28 Sie entgegnete ihm: Jawohl, Herr! Auch die Hündlein essen unter dem Tische von den Brosamen der Kinder. 29 Er sprach zu ihr: Um dieses Wortes willen gehe hin. Der böse Geist ist ausgefahren aus deiner Tochter. 30 Als sie heimkam, fand sie die Tochter auf dem Bette liegen, der böse Geist war ausgefahren. 24-30: Vgl. Mt 15,21-28

 

Heilung des Taubstummen. 31 Er ging wieder weg aus dem Gebiet von Tyrus und kam durch Sidon an den galiläischen See mitten in das Gebiet der Zehn-Städte. 32 Da brachte man zu ihm einen Taubstummen mit der Bitte, er möge ihm die Hand auflegen. 33 Er nahm ihn vom Volke abseits, legte ihm seine Finger in die Ohren und berührte seine Zunge mit Speichel, 34 sah auf zum Himmel, seufzte und sprach zu ihm: Ephpheta, das heißt: Öffne dich! 35 Und sogleich öffneten sich seine Ohren, und das Band seiner Zunge ward gelöst, und er redete richtig. 36 Er verbot ihnen, es jemand zu sagen. Doch je mehr er es ihnen verbot, desto mehr verkündeten sie es. 37 Und sie gerieten ganz außer sich vor Staunen und sagten: Er hat alles wohl gemacht. Die Tauben macht er hören und die Stummen reden. 31-37: Jemand zu Christus führen, damit er ihm helfe, ist wahre Liebe.

 

8 Zweite Brotvermehrung. In jenen Tagen war wieder viel Volk beisammen, und sie hatten nichts zu essen. Da rief er seine Jünger herbei und sprach zu ihnen: Mich erbarmt des Volkes. Denn sie harren schon drei Tage bei mir aus und haben nichts zu essen. Und wenn ich sie ungespeist nach Hause gehen lasse, werden sie auf dem Wege verschmachten; und einige von ihnen sind weit her gekommen. Da entgegneten ihm seine Jünger: Woher wird jemand hier in der Wüste Brot bekommen können, sie zu sättigen? Er fragte sie: Wieviel Brote habt ihr? Sie sagten: Sieben. Da befahl er der Menge, sich auf der Erde zu lagern. Dann nahm er die sieben Brote, dankte, brach sie und gab sie seinen Jüngern zum Vorlegen; und sie legten sie dem Volke vor. Sie hatten auch einige Fischlein. Er segnete auch diese und ließ sie vorlegen. Und sie aßen und wurden satt. Und von den Stücken, die übrig geblieben waren, hoben sie sieben Körbe voll auf. Es waren aber bei viertausend. Und er entließ sie.

 

Warnung vor den Pharisäern. 10 Sogleich stieg er mit seinen Jüngern in das Schiff und kam in das Gebiet von Dalmanutha. 1-10: Vgl. Mt 15,32-39. 11 Da kamen die Pharisäer heraus und fingen mit ihm zu streiten an. Sie forderten von ihm ein Zeichen vom Himmel und versuchten ihn. 12 Er aber seufzte auf in seinem Herzen und sprach: Warum verlangt dieses Geschlecht ein Zeichen? Wahrlich, ich sage euch: Nimmermehr wird diesem Geschlecht ein Zeichen gegeben werden! 13 Und er ließ sie stehen, stieg wieder in das Schiff und fuhr hinüber. 14 Sie hatten aber vergessen, Brot mitzunehmen; nur ein einziges Brot hatten sie bei sich im Schiffe. 15 Er mahnte sie mit den Worten: Sehet zu und hütet euch vor dem Sauerteig der Pharisäer und vor dem Sauerteig des Herodes. 16 Da machten sie sich untereinander Gedanken darüber, daß sie kein Brot hätten. 17 Jesus merkte dies und sagte zu ihnen: Was macht ihr euch Gedanken, daß ihr keine Brote habt? Erkennt und begreift ihr denn noch nicht? Habt ihr noch ein verhärtetes Herz? 18 Habt ihr Augen und sehet nicht? Habt ihr Ohren und höret nicht? Und denkt ihr nicht mehr daran, 19 als ich die fünf Brote brach für die Fünftausend, wie viele Körbe voll Stücklein habt ihr da aufgehoben? Sie sagten zu ihm: Zwölf. 20 Und da ich die sieben Brote für die Viertausend brach, wieviel Körbe voll Stücklein habt ihr aufgehoben? Sie sagten zu ihm: Sieben. 21 Da sprach er zu ihnen: Begreift ihr noch nicht? 11-21: Vgl. Mt 16,1-12 Das Bild vom Sauerteig wird von Jesus im guten (Mt 13,33) und im bösen Sinne gebraucht. Hier versinnbildet es die falsche Frömmigkeit der Pharisäer und die gehässige Sittenlosigkeit des Herodes. Beides bot die Gefahr der Ansteckung.

 

Heilung eines Blinden. 22 Sie kamen nach Bethsaida. Da brachte man einen Blinden zu ihm mit der Bitte, er möge ihn berühren. 23 Er faßte den Blinden bei der Hand, führte ihn vor das Dorf hinaus, benetzte seine Augen mit Speichel, legte ihm die Hände auf und fragte ihn, ob er etwas sehe. 24 Er blickte auf und sagte: Ich sehe die Leute; denn wie Bäume sehe ich sie umhergehen. 25 Darauf legte er die Hände noch einmal auf seine Augen. Da sah er scharf hin und ward hergestellt, so daß er alles deutlich sah. 26 Er schickte ihn nach Haus und sprach: Geh auch nicht ins Dorf hinein. 22-26: Wie so oft, will Jesus Aufsehen vermeiden. Er wirkt das Wunder in zwei Stufen, um das Vertrauen des Blinden zu heben. Im Lateinischen steht: Geh heim, und wenn du ins Dorf kommst, sag es niemand. Im Griechischen ist Bethsaida gemeint, im Lateinischen das Heimatdorf des Geheilten.

 

Jesus bei Cäsarea Philippi

Bekenntnis des Petrus. 27 Jesus zog mit seinen Jüngern fort in die Dörfer bei Cäsarea Philippi. Auf dem Wege fragte er seine Jünger: Für wen halten mich die Leute? 28 Sie antworteten ihm: Einige für Johannes den Täufer, andere für Elias, andere für einen aus den Propheten. 29 Da sprach er zu ihnen: Ihr aber, für wen haltet ihr mich? Petrus antwortete ihm: Du bist der Messias! 30 Er schärfte ihnen ein, niemanden von ihm etwas zu sagen.

 

Erste Leidensweissagung. 31 Nun fing er an, sie zu belehren, der Menschensohn müsse vieles leiden, von den Ältesten, Oberpriestern und Schriftgelehrten verworfen und getötet werden und nach drei Tagen auferstehen. 31: Jesus gebrauchte gern den messianischen Titel „Menschensohn“ als Selbstbezeichnung, weil dieser seit Daniel übliche Titel weniger die falschen Messias­erwartungen förderte. Die Jünger müssen lernen, das Leiden ihres Meisters als unvermeidlich zu betrachten und die Religion Jesu als Religion des Kreuzes zu erfassen. Das Seelenheil geht über alles. 32 Er redete davon ganz offen. Da nahm ihn Petrus beiseite und fing an, es ihm zu verweisen. 33 Er aber wandte sich um, sah seine Jünger an, drohte dem Petrus und sprach: Weg von mir, Satan! Denn du hast nicht Sinn für das, was Gottes, sondern was der Menschen ist. 33: Wer uns einen anderen Weg weisen will als den Weg des Kreuzes in der Nachfolge Christi, hält uns als Gehilfe Satans vom ewigen Heile ab. 34 Dann rief er das Volk und seine Jünger zusammen und sprach zu ihnen: Wenn jemand mir nachfolgen will, so verleugne er sich selbst und nehme sein Kreuz auf sich und folge mir. 35 Denn wer sein Leben retten will, wird es verlieren. Wer aber sein Leben verliert um meinetwillen und um der Heilsbotschaft willen, der wird es retten. 36 Denn was nützt es dem Menschen, wenn er die ganze Welt gewinnt, aber seine Seele verliert? 37 Oder was kann der Mensch wohl geben als Entgelt für seine Seele? 38 Denn wer sich meiner und meiner Worte schämt vor diesem ehebrecherischen und sündhaften Geschlecht, dessen wird auch der Menschensohn sich schämen, wenn er kommt in der Herrlichkeit seines Vaters mit den heiligen Engeln. 27-39: Vgl. Mt 16,13-28; Lk 9,18-27

 

Und er sprach zu ihnen: Wahrlich, ich sage euch: Einige von denen, die hier stehen, werden den Tod nicht kosten, bis sie das Reich Gottes kommen sehen mit Macht.

 

Die Verklärung. Nach sechs Tagen nahm Jesus den Petrus, Jakobus und Johannes mit und führte sie ganz allein auf einen hohen Berg. Da ward er vor ihnen verklärt. Seine Kleider wurden ganz glänzend weiß [wie der Schnee], so wie sie kein Walker auf Erden bleichen kann. Es erschienen ihnen Elias mit Moses, die mit Jesus redeten. Da nahm Petrus das Wort und sprach zu Jesus: Meister, es ist gut, daß wir hier sind. Wir wollen drei Hütten bauen, dir eine, dem Moses eine und dem Elias eine. Er wußte nämlich nicht, was er sagte, so waren sie erschrocken. Da kam eine Wolke, die sie überschattete, und aus der Wolke erscholl eine Stimme: Dieser ist mein geliebter Sohn; auf ihn sollt ihr hören! Und plötzlich, als sie um sich blickten, sahen sie niemand mehr bei sich als Jesus allein. Während sie von dem Berge herabstiegen, gebot er ihnen, niemanden von dieser Erscheinung zu erzählen, bis der Menschensohn von den Toten auferstanden wäre. 10 Sie hielten fest an dem Wort, besprachen sich aber, was das bedeute: „von den Toten auferstehen“. 11 Und sie fragten ihn: Warum sagen denn die [Pharisäer und] Schriftgelehrten, Elias müsse zuvor kommen? (Mal 3, 23.) 12 Er antwortete ihnen: Elias wird zuvor kommen und alles wiederherstellen. Wie steht aber von dem Menschensohn geschrieben, daß er viel leiden und verachtet werden soll? 13 Ich sage euch aber: Elias ist schon gekommen, aber man hat mit ihm gemacht, was man wollte, wie von ihm geschrieben steht. 1-13: Vgl. Mt 17,1-13; Lk 9,28-36. Die Verse des 9. Kapitels bleiben im Lateinischen um eins hinter den Zahlen des griechischen Textes zurück, worin 8,39 = 9,1 ist.

 

Heilung eines besessenen Knaben. 14 Da sie zu den Jüngern kamen, sahen sie viel Volk um sie her und Schriftgelehrte mit ihnen im Wortwechsel. 15 Sobald das ganze Volk Jesus erblickte, gerieten sie in freudige Erregung, liefen hinzu und grüßten ihn. 16 Er fragte sie: Worüber streitet ihr mit ihnen? 17 Da antwortete einer aus der Menge: Meister, ich habe meinen Sohn zu dir gebracht; der ist von einem stummen Geist besessen. 18 Wenn er ihn packt, zerrt er ihn hin und her. Dann schäumt er, knirscht mit den Zähnen und liegt starr da. Ich sagte zu deinen Jüngern, sie möchten ihn austreiben; aber sie vermochten es nicht. 19 Da antwortete er ihnen: O ungläubiges Geschlecht! Wie lange soll ich noch bei euch sein? Wie lange soll ich euch noch ertragen? 20 Bringet ihn her zu mir! Sie brachten ihn zu ihm. Sobald er ihn erblickte, zerrte ihn der Geist. Er fiel zu Boden und wälzte sich schäumend. 21 Da fragte Jesus seinen Vater: Wie lange hat er dieses Leiden? Dieser antwortete: Von Kindheit an. 22 Schon oft hat er ihn ins Feuer und ins Wasser geworfen, um ihn umzubringen. Wenn du etwas vermagst, so erbarme dich unser und hilf uns! 23 Jesus sprach zu ihm: Was das angeht: Wenn du etwas vermagst, so wisse: Wer glaubt, dem ist alles möglich. 24 Sogleich rief der Vater des Knaben: Ich glaube, [Herr]! Hilf meinem Unglauben! 24: Der Vater glaubt, aber sein Glaube erscheint ihm noch viel zu schwach, um das Wunder zu verdienen. Das Leiden des Knaben ist wirkliche Besessenheit, wenn es auch wie Epilepsie aussieht. 25 Da Jesus sah, daß das Volk herbeieilte, drohte er dem unreinen Geist und sprach zu ihm: Taubstummer Geist, ich gebiete dir, fahr aus von ihm und komm nie mehr in ihn! 26 Da schrie er, schüttelte ihn heftig und fuhr aus von ihm. Und er war wie tot, so daß die meisten sagten: Er ist gestorben! 27 Jesus aber nahm ihn bei der Hand und richtete ihn empor, und er stand auf. 28 Zu Hause fragten ihn seine Jünger allein: Warum haben wir ihn nicht austreiben können? 29 Er antwortete ihnen: Diese Art kann nur ausgetrieben werden durch Gebet [und Fasten].

 

Zweite Leidensweissagung. 30 Von da gingen sie weiter und wanderten durch Galiläa; aber er wollte nicht, daß es jemand erfahre. 31 Denn er belehrte seine Jünger und sagte ihnen: Der Menschensohn wird in die Hände der Menschen überliefert werden. Sie werden ihn töten, aber drei Tage nach seinem Tode wird er auferstehen. 14-31: Vgl. Mt 17;14-23; Lk 9,37-45 32 Sie verstanden die Rede nicht, scheuten sich aber, ihn zu fragen.

 

Streit der Jünger. 33 Sie kamen nach Kapharnaum. Als er zu Hause war, fragte er sie: Wovon habt ihr auf dem Wege gesprochen? 34 Sie schwiegen, denn sie hatten auf dem Wege miteinander gestritten, wer von ihnen der Größte sei. 35 Da setzte er sich nieder, rief den Zwölfen und sprach zu ihnen: Wenn jemand der Erste sein will, so sei er der Letzte von allen und der Diener aller. 36 Und er nahm ein Kind, stellte es mitten unter sie, schloß es in seine Arme und sprach zu ihnen: 37 Wer eines von diesen Kindern in meinem Namen aufnimmt, nimmt mich auf; und wer mich aufnimmt, nimmt nicht sowohl mich auf, als den, der mich gesandt hat. 35-37: Dieses Beispiel und die Worte des Erlösers über die Würde des Kindes hatten eine ganz neue Wertschätzung der Kindesseele im Gefolge. Religiöse Erziehungsarbeit am Kinde ist Christusdienst und Gottesdienst. 38 Da sagte Johannes zu ihm: Meister, wir haben einen gesehen, wie er, ohne uns zu folgen, in deinem Namen Teufel austrieb, und wir wehrten es ihm, weil er uns nicht nachfolgt. 39 Jesus erwiderte: Wehret es ihm nicht! Denn niemand kann in meinem Namen ein Wunder wirken und so bald übel von mir reden. 40 Denn wer nicht wider uns ist, der ist für uns. 41 Wenn euch jemand einen Becher Wasser zu trinken gibt [in meinem Namen], darum, weil ihr Christus angehöret, wahrlich, ich sage euch: Er wird seinen Lohn nicht verlieren. 33-41: Nicht Strebertum und Geltungsbedürfnis, sondern demütiges Dienen ziert den Christusjünger.

 

Warnung vor Ärgernissen. 42 Wer einem aus diesen Kleinen, die an mich glauben, Anlaß zur Sünde gibt, für den wäre es besser, daß ein Eselsmühlstein an seinen Hals gehängt und er ins Meer geworfen würde. 43 Wenn dir deine Hand Anlaß zur Sünde gibt, so haue sie ab; es ist besser für dich, verstümmelt ins Leben einzugehen, als mit zwei Händen in die Hölle zu fahren, in das unauslöschliche Feuer 44 [wo ihr Wurm nicht stirbt und das Feuer nicht erlischt] (Is 66, 24). 45 Und wenn dein Fuß dir Anlaß zur Sünde gibt, so haue ihn ab. Es ist für dich besser, lahm in das Leben einzugehen, als mit zwei Füßen in die Hölle geworfen zu werden 46 [in das unauslöschliche Feuer, wo ihr Wurm nicht stirbt und das Feuer nicht erlischt]. 47 Und wenn dein Auge dir Ärgernis gibt, so reiß es aus. Es ist für dich besser, einäugig in das Reich Gottes einzugehen, als mit zwei Augen in das Feuer der Hölle geworfen zu werden, 48 wo ihr Wurm nicht stirbt und das Feuer nicht erlischt. 49 Denn jeder wird mit Feuer gesalzen werden [und jedes Opfer mit Salz gesalzen]. 50 Das Salz ist gut; wenn aber das Salz schal wird, womit könntet ihr es würzen? Habet Salz in euch und haltet Frieden untereinander. 42-50: Wenn Christus solche Opfer verlangt zur Vermeidung der Sünde und mit ewiger Höllenstrafe droht, kann die Sünde nicht eine leicht verzeihliche Schwäche sein. Allen Opfern wurde Salz beigegeben. Leiden und Prüfungen machen die Christusjünger zur wohlgefälligen Opfergabe; und das Salz der Opfergesinnung sichert den Frieden untereinander. 33-50: Vgl. Mt 18,1-9; Lk 9,46-50; 17,1-2

 

Jesus in Judäa und Peräa

10 Unauflöslichkeit der Ehe. Er machte sich auf von da und kam in das Gebiet von Judäa und das Ostjordanland, und die Volksscharen versammelten sich wieder um ihn, und er lehrte sie abermals, wie er gewohnt war. Da traten die Pharisäer hinzu und fragten ihn, um ihn zu versuchen: Ist es einem Manne erlaubt sein Weib zu entlassen? Er aber antwortete ihnen: Was hat euch Moses geboten? Sie sprachen: Moses hat erlaubt, einen Scheidebrief zu schreiben und das Weib zu entlassen (5 Mos 24,1). Jesus antwortete ihnen: Mit Rücksicht auf eure harten Herzen hat er euch diese Vorschrift gegeben. Am Anfang der Schöpfung aber hat Gott einen Mann und ein Weib geschaffen. Darum wird ein Mann Vater und Mutter verlassen und seinem Weibe anhangen. Und die beiden werden ein Fleisch sein. Sie sind also nicht mehr zwei, sondern ein Fleisch (1 Mos 2, 24). Was nun Gott verbunden hat, das darf der Mensch nicht trennen. 10 Zu Hause fragten ihn seine Jünger abermals darüber. 11 Und er sprach zu ihnen: Wer sein Weib entläßt und eine andere heiratet, der begeht Ehebruch an ihr. 12 Und wenn sie ihren Mann entläßt und einen anderen heiratet, so bricht sie die Ehe. 1-12 Vgl. Mt 19,1-12. Das Wirken Jesu in der Heimatprovinz ist zu Ende. Das Leiden naht.

 

Segnung der Kinder. 13 Sie brachten Kinder zu ihm, daß er sie berühren möchte. Die Jünger aber fuhren die, welche sie herbrachten, hart an. 14 Als nun Jesus das sah, ward er unwillig und sprach zu ihnen: Lasset die Kinder zu mir kommen und wehret es ihnen nicht; denn für solche ist das Reich Gottes. 15 Wahrlich, ich sage euch: Wer das Reich Gottes nicht aufnimmt wie ein Kind, wird nicht hineingelangen. 16 Und er schloß sie in seine Arme, legte ihnen die Hände auf und segnete sie. 13-16: Die Kinder zu Christus zu führen, ist das schönste Vorrecht und die heiligste Pflicht der Eltern und Erzieher.

 

Der reiche Jüngling. 17 Als er sich auf den Weg machte, lief einer herbei, kniete vor ihm nieder und fragte ihn: Guter Meister, was muß ich tun, um das ewige Leben zu erlangen? 18 Jesus sprach zu ihm: Warum nennst du mich gut? Niemand ist gut als Gott allein. 18: Jesus hält sich nicht für einen sündigen Menschen, sondern will den Jüngling zu tieferem Verstehen seiner Person führen. Er lehrt ihn auch die wichtige Wahrheit: Wer nach dem höchsten sittlichen Ziele strebt, wird sich mit der bloßen Erfüllung der Gebote nicht begnügen, sondern aus Liebe mehr zu tun bemüht sein. 19 Die Gebote kennst du: Du sollst nicht töten, du sollst nicht ehebrechen, du sollst nicht stehlen, du sollst kein falsches Zeugnis geben, du sollst nicht betrügen, du sollst Vater und Mutter ehren. 20 Er aber antwortete ihm: Meister, dies alles habe ich von meiner Jugend an gehalten. 21 Jesus aber blickte ihn an, gewann ihn lieb und sprach zu ihm: Eines fehlt dir noch: Geh hin, verkaufe alles, was du hast, und gib es den Armen, so wirst du einen Schatz im Himmel haben; dann komm und folge mir nach. 22 Jener aber wurde unwillig über dieses Wort und ging betrübt davon; denn er hatte viele Güter.

 

Jesu Warnung vor Reichtum. 23 Jesus blickte umher und sprach zu seinen Jüngern: Wie schwer werden die, welche viel Vermögen haben, in das Reich Gottes eingehen! 24 Die Jünger aber waren betroffen über seine Worte. Jesus wiederholte ihnen: Kinder, wie schwer ist es, daß die, welche auf Geld ihr Vertrauen setzen, in das Reich Gottes eingehen! 25 Leichter geht ein Kamel durch ein Nadelöhr als ein Reicher in das Reich Gottes. 26 Da erschraken sie noch mehr und sprachen zueinander: Wer kann dann selig werden? 27 Jesus blickte sie an und sprach: Bei den Menschen ist es unmöglich, aber nicht bei Gott; denn bei Gott ist alles möglich. 23-27: Gottes Gnade vermag den Menschen auch für den freiwilligen Verzicht auf die Erdengüter zu begeistern.

 

Lohn der freiwilligen Armut. 28 Da nahm Petrus das Wort und sprach zu ihm: Siehe, wir haben alles verlassen und sind dir nachgefolgt! 29 Jesus antwortete: Wahrlich, ich sage euch: Niemand verläßt Haus oder Brüder oder Schwestern oder Vater oder Mutter oder Kinder oder Äcker um meinetwillen oder um der Heilsbotschaft willen 30 und erhält nicht Hundertfältiges dafür, jetzt in dieser Zeit Häuser und Brüder und Schwestern und Mütter und Kinder und Äcker mitten unter Verfolgungen und in der zukünftigen Welt das ewige Leben. 31 Viele aber, welche die Ersten sind, werden die Letzten, und welche die Letzten sind, werden die Ersten sein. 13-31: Vgl. Mt 19,13-30; Lk 18,15-30. Wer also noch die Lösung des ehelichen Bandes für erlaubt hält, stellt das jüdische Recht über das christliche. 28-31: Gott sichert denen, die um seinetwillen alles verließen, kein sorgenloses Erdenleben zu, sondern höheren Lohn im Jenseits. Aber keiner darf sich falscher Selbstgewißheit überlassen.

 

Dritte Leidensweissagung. 32 Sie waren nun auf dem Wege nach Jerusalem hinauf; Jesus ging vor ihnen her; sie staunten und folgten ihm voll Furcht. Da nahm er abermals die Zwölf zu sich und begann mit ihnen von dem zu sprechen, was ihm widerfahren werde: 33 Sehet, wir ziehen hinauf nach Jerusalem, und der Menschensohn wird den Oberpriestern und Schriftgelehrten [und Ältesten] überliefert werden. Sie werden ihn zum Tode verurteilen und den Heiden übergeben. 34 Diese werden ihn verspotten und anspeien und ihn geißeln und töten. Aber nach drei Tagen wird er auferstehen. 32-34: Vgl. Mt 20,17-19, Lk 18,31-34. Ein herrliches Vorbild: Jesus geht unerschrocken dem schwersten Leiden entgegen, das er bis in seine Einzelheiten voraussieht. Es ist der Gang durch die Nacht zum Licht.

 

Die Söhne des Zebedäus. 35 Da traten Jakobus und Johannes, die Söhne des Zebedäus, zu ihm und sprachen: Meister, wir wünschen, daß du uns eine Bitte gewährest. 36 Er sprach zu ihnen: Was wollt ihr von mir? 37 Sie sagten: Gewähre uns, daß wir, einer zu deiner Rechten und einer zu deiner Linken, in deiner Herrlichkeit sitzen. 38 Jesus entgegnete ihnen: Ihr wisset nicht um was ihr bittet! Könnt ihr den Kelch trinken, den ich trinke, oder getauft werden mit der Taufe, mit welcher ich getauft werde? 39 Sie antworteten ihm: Wir können es. Da sprach Jesus zu ihnen: Den Kelch werdet ihr zwar trinken, den ich trinke, und mit der Taufe getauft werden, mit welcher ich getauft werde, 40 aber das Sitzen zu meiner Rechten oder Linken habe ich nicht zu verleihen, sondern das gebührt denen, welchen es bereitet ist. 41 Als die Zehn dies hörten, wurden sie unwillig über Jakobus und Johannes. 42 Jesus aber rief sie zu sich und sprach zu ihnen: Ihr wisset: Die, welche als Fürsten der Völker angesehen werden, herrschen über sie, und ihre Großen vergewaltigen sie. 43 Nicht so ist es unter euch, sondern wer groß werden will, der sei euer Diener, 44 und wer unter euch der Erste sein will, der sei der Diener aller. 42-44: Niemand hat entschiedener gefordert, aber auch niemand vorbildlicher bewiesen als Jesus, daß Gemeinnutz vor Eigennutz geht. 45 Auch der Menschensohn ist nicht gekommen, um sich bedienen zu lassen, sondern um zu dienen und sein Leben hinzugeben als Lösegeld für viele. 35-45: Vgl. Mt 20, 20-28. Nach Mt war die Mutter dabei. Alle drei stecken noch in den falschen Messiashoffnungen.

 

Heilung eines Blinden. 46 Sie kamen nach Jericho. Als er mit seinen Jüngern und einer sehr großen Volksmenge aus Jericho auszog, saß der Sohn des Timäus, Bartimäus, ein blinder Bettler, am Wege. 47 Und als er hörte, daß es Jesus von Nazareth sei, rief er laut: Sohn Davids, Jesus, erbarme dich meiner! 48 Viele fuhren ihn an, daß er schweigen solle. Er aber schrie noch lauter: Du Sohn Davids, erbarme dich meiner! 49 Jesus blieb stehen und sagte: Ruft ihn! Sie riefen den Blinden herbei und sagten zu ihm: Sei getrost, steh auf, er ruft dich! 50 Da warf er sein Obergewand weg, sprang auf und kam zu Jesus. 51 Jesus fragte ihn: Was soll ich dir tun? Der Blinde antwortete ihm: Meister, daß ich wieder sehe! 52 Da sprach Jesus zu ihm: Geh hin, dein Glaube hat dir geholfen! Und sogleich konnte er wieder sehen und folgte ihm auf dem Wege. 46-52‑ Vgl. Mt 20,29-34; Lk 18,35-43. Über die scheinbaren Widersprüche vgl. die Erklärung zu Mt 20,29-34.

 

Tätigkeit Jesu in Jerusalem

 

Beginn der Leidenswoche

11 Einzug in Jerusalem. Als sie sich Jerusalem bei Betphage und Bethanien am Ölberge näherten, sandte er zwei von seinen Jüngern ab mit dem Auftrag: Geht in das Dorf, das vor euch liegt, und sogleich, wenn ihr hineinkommt, werdet ihr ein Füllen angebunden finden, auf dem noch kein Mensch gesessen hat; bindet es los und bringt es. Und wenn euch jemand fragt: Was macht ihr da? so saget: Der Herr braucht es und schickt es bald hierher zurück. Da gingen sie hin und fanden das Füllen, angebunden an der Türe, draußen auf der Dorfstraße; und sie banden es los. Einige von denen, die dabeistanden, sagten zu ihnen: Was macht ihr, daß ihr das Füllen losbindet? Sie antworteten ihnen, wie es ihnen Jesus befohlen hatte, und man ließ sie gewähren. Da führten sie das Füllen zu Jesus, legten ihre Kleider darüber, und er setzte sich darauf. Viele breiteten ihre Kleider auf den Weg, andere brachen Zweige auf den Feldern ab und streuten sie auf den Weg. Und die vorangingen und die nachfolgten, riefen laut: Hosanna! Hochgelobt sei, der da kommt im Namen des Herrn! 10 Hochgelobt sei das Reich unseres Vaters David, das da kommt! Hosanna in der Höhe! 1-10 Vgl. Mt 21,1-9; Lk 19,29-44; Jo 12,12-19. Das Volk huldigt Christus als Messiaskönig, der das Reich Davids erneuert. Mit dem Ruf „Hosanna in der Höhe“ = „Hilf doch, (Gott) in der Höhe“, rufen sie den Segen des Himmels auf ihn herab.

 

Verfluchung des Feigenbaums. 11 Er zog ein in Jerusalem und ging in den Tempel. Nachdem er alles ringsherum besehen hatte, ging er, als bereits der Abend gekommen war, hinaus nach Bethanien mit den Zwölfen. 12 Des anderen Tages aber, da sie von Bethanien weggingen, hungerte ihn. 13 Er sah von ferne einen Feigenbaum, der Blätter hatte, und ging hinzu, ob er wohl etwas an ihm fände. Als er aber hinkam, fand er nichts als Blätter, denn es war nicht Feigenzeit. 14 Da redete er ihn an mit den Worten: Niemals esse jemand wieder eine Frucht von dir in Ewigkeit! Seine Jünger hörten es. 11-14: Vgl. Mt 21,18-19. Der Fluch und seine Wirkung (V. 20-21) hat symbolische Bedeutung. Der Baum ist ein Bild Israels.

 

Tempelreinigung. 15 Sie kamen nach Jerusalem. Er ging in den Tempel und trieb die Verkäufer und Käufer im Tempel hinaus, die Tische der Wechsler und die Stände der Taubenhändler stieß er um. 16 Und er ließ nicht zu, daß jemand ein Gerät durch den Tempel trug. 17 Er lehrte sie also: Steht nicht geschrieben: Mein Haus soll ein Bethaus heißen für alle Völker? Ihr aber habt es zu einer Räuberhöhle gemacht (Is 56, 7). 18 Als die Oberpriester und die Schriftgelehrten dies hörten, trachteten sie, wie sie ihn umbringen könnten; sie hatten nämlich Furcht vor ihm; denn das ganze Volk war erstaunt über seine Lehre. 19 Und wenn es Abend wurde, gingen sie zur Stadt hinaus. 15-19: Vgl. Mt 21,12-13; Lk 19,45-48; Jo 2,13-22

 

Macht des Glaubens. 20 Am Morgen kamen sie an dem Feigenbaum vorüber und sahen, daß er von der Wurzel aus verdorrt war. 21 Da erinnerte sich Petrus und sagte zu ihm: Meister, sieh, der Feigenbaum, den du verflucht hast, ist verdorrt! 22 Jesus erwiderte ihnen: Habet Glauben an Gott! 23 Wahrlich, ich sage euch: Wer zu diesem Berge spricht: Hebe dich und stürze dich ins Meer, und er zweifelt nicht in seinem Herzen, sondern glaubt, daß alles, was er sagt, geschehen werde, so wird es ihm zuteil! 24 Darum sage ich euch: Alles, was ihr im Gebete begehret, glaubet nur, daß ihr es empfangen habt, so wird es euch werden. 25 Wenn ihr zum Gebete dasteht, so vergebet, wenn ihr etwas gegen jemand habt, damit auch euer himmlischer Vater euch eure Sünden vergebe. 26 [Wenn ihr aber nicht vergebt, so wird euch euer himmlischer Vater auch eure Sünden nicht vergeben.] Vers 26 fehlt in den meisten Handschriften des Urtextes und ist wohl aus Mt 6,15 hierher übertragen. 20-26: Vgl. Mt 21,20-22

 

Im Streit mit Pharisäern und Sadduzäern

Anfrage des Hohen Rates. 27 Sie kamen abermals nach Jerusalem. Als er in dem Tempel umherwandelte, traten die Oberpriester, Schriftgelehrten und Ältesten zu ihm 28 und fragten ihn: In welcher Vollmacht tust du dies? Wer hat dir die Vollmacht dazu gegeben? 29 Jesus entgegnete ihnen: Ich will euch nur eine Frage vorlegen. Beantwortet mir diese; dann will ich euch sagen, in welcher Vollmacht ich dies tue. 30 War die Taufe des Johannes vom Himmel oder von Menschen? Antwortet mir! 31 Da überlegten sie miteinander: Sagen wir „vom Himmel“, so wird er erwidern: Warum habt ihr ihm also nicht geglaubt? 32 Sollen wir etwa sagen: „Von Menschen“? Sie hatten Angst vor dem Volk; denn alle hielten den Johannes wirklich für einen Propheten. Sie antworteten Jesus also: Wir wissen es nicht. 33 Da sprach Jesus zu ihnen: Nun, so sage ich euch auch nicht, in welcher Vollmacht ich dies tue. 27-33: Vgl. Mt 21,23-27; Lk 20,1-8. Es ist Dienstag in der Leidenswoche.

 

12 Gleichnis von den Winzern. Er begann in Gleichnissen zu ihnen zu reden: Ein Mann pflanzte einen Weinberg, umgab ihn mit einem Zaune, grub eine Kelter, baute einen Turm, verpachtete ihn an Winzer und verreiste. Als die Zeit kam, schickte er zu den Winzern einen Knecht, um von den Winzern seinen Teil am Ertrag des Weinbergs in Empfang zu nehmen. Diese ergriffen und schlugen ihn und ließen ihn leer abziehen. Abermals schickte er zu ihnen einen anderen Knecht; auch diesen verwundeten sie am Kopf und taten ihm Schmach an. Und er schickte wieder einen anderen, den töteten sie, und mehrere andere, die sie zum Teil mißhandelten, zum Teil töteten. Da hatte er noch seinen einzigen Sohn, den er überaus liebte. Den sandte er zuletzt an sie ab und sprach: Vor meinem Sohne werden sie sich scheuen. Die Winzer aber sagten zueinander: Das ist der Erbe; kommt, wir wollen ihn umbringen, und unser wird das Erbe sein. Und sie ergriffen ihn, töteten ihn und warfen ihn zum Weinberg hinaus. Was wird nun der Herr des Weinbergs tun? Er wird kommen und die Winzer umbringen und den Weinberg anderen geben. 10 Habt ihr diese Schriftstelle nicht gelesen: Der Stein, den die Bauleute verworfen haben, der ist zum Eckstein geworden. 10: Christus ist der Eckstein, den die Bauleute verworfen haben. Vgl. Apg 4,11. 11 Vom Herrn ist das geschehen, und es ist wunderbar in unsern Augen? (Ps 118, 22. 23.) 12 Sie suchten ihn zu ergreifen, aber sie fürchteten das Volk. Denn sie merkten wohl, daß er mit diesem Gleichnis sie meine. So ließen sie von ihm ab und gingen davon. 1-12: Vgl Mt 21,33-46; Lk 20,9-19. Gott hat mit Israel gehandelt wie der Mann mit seinem Weinberg.

 

Die Steuermünze. 13 Sie schickten einige aus den Reihen der Pharisäer und der Herodianer zu ihm, um ihn in einer Rede zu fangen. 14 Diese kamen und sprachen zu ihm: Meister, wir wissen, daß du wahrhaftig bist und nach niemandem fragst. Denn du siehst nicht auf die Person der Menschen, sondern lehrst den Weg Gottes nach der Wahrheit. Ist es erlaubt, dem Kaiser Steuer zu zahlen oder nicht? Sollen wir sie zahlen oder sollen wir sie nicht zahlen? 14: Drei Tage später nennen sie ihn einen Volksverführer (Lk 23,5) und am Samstag einen Betrüger (Mt 27,63). 15 Er erkannte ihre Heuchelei und sprach zu ihnen: Warum versucht ihr mich? Bringt mir einen Denar her, daß ich ihn sehe! 16 Da brachten sie einen. Er sprach zu ihnen: Wessen ist dieses Bild und die Aufschrift? Sie antworteten ihm: Des Kaisers. 17 Da erwiderte ihnen Jesus: Gebt also dem Kaiser, was des Kaisers ist, und Gott, was Gottes ist! Und sie staunten über ihn.

 

Die Sadduzäer und die Auferstehung. 18 Es kamen zu ihm Sadduzäer, die da sagen, es gebe keine Auferstehung. Diese fragten ihn: 19 Meister, Moses hat uns vorgeschrieben: Wenn jemands Bruder stirbt und eine Frau, aber kein Kind hinterläßt, so soll sein Bruder die Frau nehmen und seinem Bruder Nachkommenschaft erwecken (5 Mos 25, 5). 20 Nun waren sieben Brüder. Der erste nahm eine Frau; und da er starb, hinterließ er keine Nachkommenschaft. 21 Da nahm sie der zweite; auch dieser starb und hinterließ keine Nachkommenschaft. Ebenso der dritte. 22 [Es nahmen sie auf gleiche Weise] die sieben und hinterließen keine Nachkommenschaft. Zuletzt von allen starb auch die Frau. 23 Bei der Auferstehung nun, falls sie auferstehen werden, wessen Frau wird sie sein? Denn alle sieben haben sie zur Frau gehabt. 24 Jesus antwortete ihnen: Seid ihr nicht im Irrtum deshalb, weil ihr weder die Schrift noch die Macht Gottes versteht? 24: „Die Unkenntnis der Heiligen Schrift ist an allem Unheil schuld“ (Joh. Chrysostomus). 25 Denn wenn sie von den Toten auferstehen, werden sie weder heiraten, noch verheiratet werden, sondern sie sind wie Engel im Himmel. 25: Jesus will die Ehe nicht als etwas Minderwertiges hinstellen, sondern den Spöttern klarmachen, daß sie in ihren Ansichten über das Leben im Jenseits von ganz verkehrten Voraussetzungen ausgehen. 26 Was aber die Auferstehung der Toten betrifft, habt ihr nicht im Buche Moses gelesen, in der Geschichte vom Dornbusch, wie Gott zu ihm sprach: Ich bin der Gott Abra­hams, der Gott Isaaks und der Gott Jakobs? (2 Mos 3,6.) 27 Gott aber ist kein Gott der Toten, sondern der Lebendigen. Ihr irrt euch sehr. 13-27: Vgl. Mt 22,15-33; Lk 20,20-40

 

Das Hauptgebot. 28 Einer von den Schriftgelehrten hatte ihren Wortwechsel gehört und bemerkt, daß er ihnen treffend geantwortet hatte. Er kam herbei und fragte ihn, welches das erste aller Gebote sei. 29 Jesus antwortete ihm: Das erste [von allen Geboten] ist: Höre, Israel, der Herr, unser Gott, ist der einzige Herr. 30 Und du sollst den Herrn, deinen Gott, lieben aus deinem ganzen Herzen, aus deiner ganzen Seele, aus deiner ganzen Vernunft und aus allen deinen Kräften. [Dies ist das erste Gebot] (5 Mos 6,4. 5). 31 Das andere aber lautet also: Du sollst deinen Nächsten lieben wie dich selbst. Ein anderes größeres Gebot als dieses gibt es nicht (3 Mos 19,18). 32 Der Schriftgelehrte sprach zu ihm: Trefflich, Meister, ganz richtig hast du gesprochen, denn es ist nur ein Gott und außer ihm ist kein anderer. 33 Und ihn soll man lieben aus ganzem Herzen, aus ganzer Einsicht, [aus ganzer Seele] und aus allen Kräften, und den Nächsten soll man lieben wie sich selbst, das ist mehr als alle Brandopfer und Schlachtopfer. 34 Als Jesus sah, daß er verständig geantwortet hatte, sprach er zu ihm: Du bist nicht ferne vom Gottesreiche! Und niemand mehr wagte, ihm eine Frage vorzulegen. 28-34: Vgl. Mt 22,34-40; Lk 10,25-28. Die Schriftgelehrten unterschieden nicht weniger als 613 Einzelsatzungen im Gesetz des Alten Bundes. 248 Gebote (Zahl der Glieder am Menschenleibe) und 365 Verbote (Zahl der Tage im Jahr).

 

Warnung vor den Schriftgelehrten. 35 Jesus lehrte im Tempel und sprach: Wie sagen die Schriftgelehrten, der Messias sei Davids Sohn? 36 David sagte ja selbst im Heiligen Geiste: Es sprach der Herr zu meinem Herrn: Setze dich zu meiner Rechten, bis ich deine Feinde als Schemel dir zu Füßen lege. 37a David selbst nennt ihn also „Herr“. Wie ist er dann sein Sohn? 37b Und die große Volksmenge hörte ihn gern. 38 Er sprach zu ihnen in seiner Unterweisung: Hütet euch vor den Schriftgelehrten, die gerne in langen Kleidern einhergehen und gegrüßt sein wollen auf dem Markte, 39 in den Synagogen gerne obenan sitzen und bei Gastmählern die ersten Plätze suchen, 40 die die Häuser der Witwen verprassen unter dem Vorwand langer Gebete. Über sie wird ein um so strengeres Gericht kommen. 35-40: Vgl. Mt 22,41-46; 23,1-36; Lk 20,41-47.

 

Das Scherflein der Witwe. 41 Jesus setzte sich der Schatzkammer gegenüber und sah, wie das Volk Geld in die Schatzkammer brachte, viele Reiche brachten viel hinein. 42 Da kam auch eine arme Witwe und brachte zwei Scherflein hinein, das ist einen Pfennig. 43 Da rief er seine Jünger zusammen und sprach zu ihnen: Wahrlich, ich sage euch: Diese arme Witwe hat mehr hereingebracht als alle andern, die etwas in die Schatzkammer brachten. 44 Denn alle haben von ihrem Überfluß hineingebracht; diese aber opferte von ihrer Armut alles, was sie hatte, ihren ganzen Lebensunterhalt. 41-44: Vgl. Lk 21,1-4. Für die verschiedenen Zwecke waren 13 Behälter dort angebracht. Der Opfernde nannte dem Priester den Betrag, den er spendete, und den Zweck. So konnte Jesus beobachten, was die einzelnen opferten. Gott bewertet das Opfer nach der Gesinnung des Spenders, nicht nach dem Umfang der Gabe.

 

Vom Ende Jerusalems und der Welt

13 Allgemeine Vorzeichen. Als er aus dem Tempel heraustrat, sagte einer von seinen Jüngern zu ihm: Meister, sieh doch, was für Steine und was für Bauten? Jesus antwortete ihm: Siehst du alle diese gewaltige Bauten? Kein Stein wird auf dem andern bleiben, der nicht zerstört wird. Als er auf dem Ölberg saß, dem Tempel gegenüber, fragten ihn Petrus, Jakobus, Johannes und Andreas noch besonders: Sag uns, wann wird dies geschehen? Und welches wird das Zeichen sein, wann dies alles in Erfüllung gehen soll? Jesus antwortete ihnen: Sehet zu, daß euch niemand verführe! Denn viele werden unter meinem Namen auftreten und sagen: Ich bin es, und sie werden viele verführen. Wenn ihr aber höret von Kriegen und Kriegsgerüchten, so erschrecket nicht. Denn das muß geschehen, aber es ist noch nicht das Ende. Denn es wird Volk wider Volk und Reich wider Reich aufstehen; und es werden Erdbeben sein hier und dort und Hungersnot. Das ist der Anfang der Wehen. Sehet euch vor! Denn sie werden euch den Gerichten ausliefern, und in den Synagogen werdet ihr gegeißelt und vor Statthalter und Könige gestellt werden um meinetwillen, ihnen zum Zeugnis. 10 Allen Völkern muß zuerst die Heilsbotschaft verkündet werden. 10: Der Satz widerlegt die Behauptung, Jesus habe irrtümlich das baldige Weltende erwartet. Zur Verkündigung der Heilsbotschaft unter allen Völkern war nämlich lange Zeit nötig. 11 Wenn man euch den Gerichten ausliefert, so macht euch vorher keine Sorge, was ihr reden sollt, sondern was euch in jener Stunde gegeben wird, das redet. Denn nicht ihr seid es, die da reden, sondern der Heilige Geist. 12 Es wird der Bruder den Bruder in den Tod liefern und der Vater das Kind, die Kinder werden sich auflehnen gegen die Eltern und sie in den Tod bringen. 13 Und ihr werdet allen verhaßt sein um meines Namens willen. Wer aber ausharrt bis ans Ende, der wird gerettet werden.

 

Vorzeichen der Zerstörung Jerusalems. 14 Wenn ihr nun die grauenhafte Verwüstung dort seht, wo sie nicht herrschen soll — wer das liest, verstehe es wohl — dann fliehe, wer in Judäa ist, auf die Berge (Dan 9, 27). 15 Wer auf dem Dache ist, steige nicht in das Haus hinab und gehe nicht hinein, um etwas aus seinem Haus zu holen. 16 Wer auf dem Felde ist, der kehre nicht zurück, seinen Rock zu holen. 17 Wehe aber denen, die in jenen Tagen ein Kind unter dem Herzen oder an der Brust tragen. 17: Der Erlöser hat besonderes Mitleid mit der Not der hoffenden und stillenden Mutter. 18 Bittet, daß es nicht im Winter geschehe!

 

Vorzeichen der Wiederkunft Christi. 19 Denn in jenen Tagen wird eine Drangsal sein, wie es desgleichen, seit Gott sein Schöpfungswerk begonnen hat, bis jetzt keine gegeben hat, noch je geben wird. 20 Wenn der Herr diese Tage nicht abgekürzt hätte, würde kein Mensch gerettet werden. Aber um der Auserwählten willen, die er erwählt hat, kürzte er die Tage ab. 21 Wenn dann jemand zu euch sagt: Siehe, hier ist der Messias, siehe, dort! — so glaubt es nicht! 22 Denn es werden falsche Messiasse und falsche Propheten auftreten und Zeichen und Wunder wirken, um, wenn es möglich wäre, auch die Auserwählten in Irrtum zu führen. 23 Ihr aber sehet euch vor! Sehet, ich habe euch alles vorhergesagt.

 

Wiederkunft Christi. 24 In jenen Tagen nach dieser Drangsal wird die Sonne verfinstert werden, der Mond wird seinen Schein nicht mehr geben, 25 die Sterne werden vom Himmel fallen, und die Kräfte des Himmels werden erschüttert werden. 26 Dann werden sie den Menschensohn in den Wolken kommen sehen mit großer Macht und Herrlichkeit. 27 Dann wird er seine Engel aussenden und seine Auserwählten von den vier Winden zusammenbringen lassen, vom Ende der Erde bis zum Ende des Himmels.

 

Gleichnis vom Feigenbaum. 28 Vom Feigenbaum aber lernet das Gleichnis: Wenn sein Zweig schon saftig wird und die Blätter hervorsprossen, wißt ihr, daß der Sommer nahe ist. 29 So sollt auch ihr, wenn ihr dies sehet, merken, daß er nahe vor der Türe ist. 30 Wahrlich, ich sage euch: Dieses Geschlecht wird nicht vergehen, bis dies alles geschieht. 31 Himmel und Erde werden vergehen, aber meine Worte werden nicht vergehen. 30-31: Der Vers gibt den Jüngern die Antwort auf ihre Frage nach der Zerstörung Jerusalems innerhalb eines Menschenalters. Diese für die Jünger niederschmetternde Auskunft beteuerte Jesus feierlich. 32 Von jenem Tag aber und jener Stunde hat niemand Kenntnis, weder die Engel im Himmel noch der Sohn, sondern nur der Vater. 32: Den Zeitpunkt des Gerichtes mitzuteilen, gehört nicht zur messianischen Aufgabe des Sohnes, obgleich er ihn kennt.

 

Gleichnis vom Hausherrn. 33 Sehet zu, wachet [und betet]. Denn ihr wißt nicht, wann die Zeit da ist. 34 Es ist wie bei einem Manne, der verreiste, sein Haus verließ, seinen Knechten Vollmacht gab, jedem sein Geschäft, und den Türhüter beauftragte, wachsam zu sein. 35 Seid also wachsam. Denn ihr wißt nicht, wann der Herr des Hauses kommt, abends oder um Mitternacht oder beim Hahnenschrei oder in der Frühe, 36 sonst könnte er, wenn er unerwartet kommt, euch schlafend finden. 37 Was ich aber euch sage, das sage ich allen: Wachet! 1-37: Vgl. Mt 24,1-25, 46; Lk 21,5-38.

 

Leiden, Sterben und Verherrlichung Christi

 

Die Vorbereitung

14 Beschluß des Hohen Rates. Nach zwei Tagen aber war Ostern und das Fest der ungesäuerten Brote. Die Oberpriester und Schriftgelehrten überlegten, wie sie ihn mit List ergreifen und töten könnten. Sie sagten nämlich: Nur nicht am Festtage, damit kein Aufruhr unter dem Volke entsteht. 1-2: Vgl. Mt 26,1-5; Lk 22,1-2

 

Jesus in Bethanien. Als er zu Bethanien war im Hause Simons des Aussätzigen und zu Tische saß, kam eine Frau mit einem Gefäß aus Alabaster, voll kostbarer Salbe von echter Narde. Sie zerbrach das Gefäß und goß sie über sein Haupt aus. Einige aber gaben ihrem Unwillen untereinander Ausdruck: Wozu diese Verschwendung der Salbe? Man hätte die Salbe um mehr als dreihundert Denare verkaufen und den Armen geben können. Und sie schimpften über sie. 5: Der Wert der Salbe ist also höher als das Jahreseinkommen eines vollbeschäftigten Arbeiters (Mt 20,2), ein Beweis für die Wohlhabenheit der bethanischen Geschwister und für ihre Liebe zu Jesus. Was Christus geopfert wird, ist stets gut verwendet. Jesus aber sprach: Lasset sie! Warum kränket ihr sie? Sie hat ein gutes Werk an mir getan! Denn die Armen habt ihr allezeit bei euch und könnt ihnen Gutes tun, wann ihr wollt. Mich aber habt ihr nicht allezeit. Diese tat, was sie konnte. Sie salbte schon zum voraus meinen Leib zum Begräbnis ein. Wahrlich, ich sage euch: Wo man in der ganzen Welt die Heilsbotschaft verkünden wird, da wird man auch zu ihrem Andenken erzählen, was sie getan hat. 3-9: Vgl. Mt 26,6-13; Jo 12,1-8. Die Salbung fand schon sechs Tage vor Ostern statt (Jo 12,1). Der Bericht wird vom Evangelium nachgetragen wegen der üblen Rolle, die Judas beim Mahle spielte.

 

Der Verrat des Judas. 10 Da ging Judas Iskariot, einer von den Zwölfen, zu den Oberpriestern, um ihnen Jesus zu verraten. 11 Als sie das hörten, freuten sie sich sehr und versprachen, ihm Geld zu geben. Er suchte eine günstige Gelegenheit, ihn zu verraten. 10-11: Vgl. Mt 26,14-16; Lk 22,3-6. Wer sich über Verrat freut und ihn bezahlt, ist schlimmer als der Verräter selbst.

 

Feier des Abendmahls. 12 Am ersten Tage der ungesäuerten Brote, da man das Osterlamm zu schlachten pflegte, sagten seine Jünger zu ihm: Wo sollen wir hingehen und Vorbereitungen treffen, damit du das Osterlamm essen kannst? 13 Da sandte er zwei seiner Jünger und sprach zu ihnen: Geht in die Stadt; da wird euch ein Mann begegnen, der einen Wasserkrug trägt, ihm folget, 14 und wo er eintritt, da sagt zu dem Hausherrn: Der Meister läßt dir sagen: Wo ist mein Gemach, in dem ich das Osterlamm mit meinen Jüngern essen kann? 15 Und er wird euch ein großes, mit Polstern belegtes und hergerichtetes Obergemach zeigen. Dort richtet für uns zu. 16 Die Jünger gingen hin, kamen in die Stadt und fanden es, wie er ihnen gesagt hatte. Und sie bereiteten das Ostermahl.

 

Entlarvung des Verräters. 17 Da es nun Abend geworden war, kam er mit den Zwölfen. 18 Als sie zu Tische lagen und aßen, sprach Jesus: Wahrlich, ich sage euch: Einer von euch, der mit mir ißt, wird mich verraten! 19 Da wurden sie betrübt, und einer um den andern fragte ihn: Ich bin es doch nicht? 20 Er antwortete: Einer von den Zwölfen, der [die Hand] mit mir in die Schüssel tunkt. 21 Der Menschensohn geht zwar hin, wie von ihm geschrieben steht. Wehe aber dem Menschen, durch welchen der Menschensohn verraten wird! Ihm wäre es besser, wenn er nicht geboren wäre. 21: Judas ist also ewig verdammt; sonst träfe der Satz nicht zu. 12-21: Vgl. Mt 26,17-25; Lk 22,7-23; Jo 13,1-30.

 

Einsetzung des allerheiligsten Altarssakramentes. 22 Während des Mahles nahm Jesus Brot, segnete es, brach es und gab es ihnen mit den Worten: Nehmet hin; das ist mein Leib. 23 Dann nahm er einen Kelch, dankte und gab ihn ihnen und alle tranken daraus. 24 Und er sprach zu ihnen: Das ist mein Blut des [Neuen] Bundes, das für viele vergossen wird. 25 Wahrlich, ich sage euch: Ich werde nicht mehr trinken von dem Gewächse des Weinstocks, bis zu jenem Tage, da ich es im Reiche Gottes neu trinken werde. 22-25: Vgl. Mt 26,26-29; Lk 22,19-20, 18; 1 Kor 11,23-26.

 

Beteuerung der Jünger. 26 Und nachdem sie den Lobgesang gesprochen hatten, gingen sie hinaus an den Ölberg. 27 Da sagte Jesus zu ihnen: Ihr werdet alle [in dieser Nacht an mir] irre werden. Denn es steht geschrieben: Ich will den Hirten schlagen, und die Schafe werden zerstreut werden (Zach 13 7). 28 Aber nach meiner Auferstehung werde ich euch vorangehen nach Galiläa. 29 Da sprach Petrus zu ihm: Wenn auch alle an dir irre werden, so werde ich es nicht tun. 30 Jesus entgegnete ihm: Wahrlich, ich sage dir: Heute, in dieser Nacht, ehe der Hahn zweimal kräht, wirst du mich dreimal verleugnen! 31 Der aber ereiferte sich über die Maßen: Und wenn ich auch mit dir sterben müßte, werde ich dich doch nicht verleugnen. In gleicher Weise sprachen aber auch alle. 26-31: Vgl. Mt 26,30-35; Lk 22,31-34; Jo 13,36-38.

 

Jesus am Ölberg

Todesangst. 32 Sie kamen in einen Meierhof, Gethsemani genannt. Da sprach er zu seinen Jüngern: Setzet euch hier, während ich bete. 33 Nun nahm er Petrus, Jakobus und Johannes mit. Dann fing er an zu zittern und zu zagen. 34 Er sprach zu ihnen: Meine Seele ist betrübt bis in den Tod. Bleibet hier und wachet. 35 Und er ging ein wenig vorwärts, fiel auf die Erde nieder und betete, daß, wenn es möglich wäre, die Stunde an ihm vorüberginge. 36 Er sprach: Abba, Vater, dir ist alles möglich. Laß diesen Kelch an mir vorübergehen! Doch nicht, wie ich will, sondern wie du willst. 37 Er kam und fand sie schlafend. Und er sprach zu Petrus: Simon, du schläfst? Nicht eine Stunde konntest du wachen? 38 Wachet und betet, damit ihr nicht in Versuchung fallet! Der Geist ist zwar willig, aber das Fleisch ist schwach. 39 Und er ging wieder hin, zu beten, und sprach dieselben Worte. 40 Da er wieder zurückkam, fand er sie abermals schlafend; denn ihre Augen waren schwer geworden, und sie wußten nicht, was sie ihm antworten sollten. 41 Und er kam zum drittenmal und sprach zu ihnen: Ihr schlaft weiter und ruhet! Es ist genug: Die Stunde ist gekommen. Sehet, der Menschensohn wird in die Hände der Sünder überliefert. 42 Stehet auf, lasset uns gehen. Sehet, mein Verräter naht! 41-42: Der Gottmensch sucht Trost bei seinen Jüngern. In schweren Stunden brauchen wir einen verstehenden Menschen. Den besten Trost aber finden wir wie die Menschennatur Jesu in vertrauensvollem Gebet und mutigem Jasagen zum Willen Gottes.

 

Gefangennahme Jesu. 43 Und da er noch redete, kam Judas [Iskariot], einer von den Zwölfen, und mit ihm ein großer Haufe mit Schwertern und Prügeln, [abgeschickt] von den Oberpriestern, Schriftgelehrten und Ältesten. 44 Sein Verräter hatte ihnen aber ein Zeichen gegeben und gesagt: Den ich küssen werde, der ist's, den ergreifet und führet ihn vorsichtig ab. 45 Als er herangekommen war, trat er sogleich auf ihn zu und sprach: [Sei gegrüßt,] Meister! Und er küßte ihn. 46 Sie aber legten Hand an ihn und ergriffen ihn. 47 Einer von den Umstehenden zog sein Schwert und schlug den Knecht des Hohenpriesters und hieb ihm das Ohr ab. 48 Jesus sagte zu ihnen: Wie gegen einen Räuber seid ihr ausgezogen mit Schwertern und Prügeln, um mich zu fangen. 49 Täglich war ich bei euch und lehrte im Tempel, und ihr habt mich nicht ergriffen. Allein es mußte die Schrift erfüllt werden. 50 Da verließen ihn alle [Jünger] und flohen. 51 Ein Jüngling, der ein Linnenhemd auf dem bloßen Leibe trug, folgte ihm, und man ergriff ihn. 52 Er aber ließ das Linnenhemd los und floh nackt davon. 51-52: Der Evangelist erzählt diesen kleinen Zwischenfall, weil er wahrscheinlich selbst der Jüngling gewesen ist. 32-52: Vgl. Mt 26,36-56; Lk 22,39-53, Jo 18,1-12. Gethsemani bedeutet Ölpresse. Die Umgebung ist reich an Olivenbäumen, daher „Ölberg“.

 

Vor dem Hohen Rat

Sitzung des Hohen Rates. 53 Sie führten Jesus zu dem Hohenpriester. Dort versammelten sich alle Oberpriester und Ältesten und Schriftgelehrten. 54 Petrus aber folgte ihm von ferne bis hinein in den Hof des Hohenpriesters. Er saß bei den Dienern am Feuer und wärmte sich. 55 Die Oberpriester und der ganze Hohe Rat suchten Zeugnis wider Jesus, um ihn töten zu können; doch sie fanden keines. 56 Viele machten zwar falsche Aussagen wider ihn, aber ihre Aussagen stimmten nicht überein. 57 Einige traten auf, machten falsche Aussagen wider ihn, indem sie sprachen: 58 Wir haben ihn sagen hören: Ich will diesen Tempel, der mit Händen gemacht ist, niederreißen und in drei Tagen einen andern aufbauen, der nicht mit Händen gemacht ist. 59 Aber nicht einmal in diesem Falle stimmte ihre Aussage überein. 59: Zwei übereinstimmende Zeugenaussagen waren erforderlich. 60 Da stand der Hohepriester auf, trat in die Mitte und fragte Jesus: Antwortest du nichts auf das, was diese gegen dich vorbringen? 61 Er aber schwieg und antwortete nichts. Abermals fragte ihn der Hohepriester: Bist du der Christus, der Sohn [Gottes] des Hochgelobten? 62 Jesus sprach zu ihm: Ich bin es! Und ihr werdet den Menschensohn zur Rechten der Allmacht [Gottes] sitzen und mit den Wolken des Himmels kommen sehen. 63 Da zerriß der Hohepriester seine Kleider und sprach: Was haben wir noch Zeugen nötig? 63: Das galt als Zeichen höchster Entrüstung. Das Kleid wurde dabei am Schlitz auf der Brust etwas eingerissen. 64 Ihr habt die Gotteslästerung gehört. Was dünkt euch? Sie urteilten alle, daß er des Todes schuldig sei. 65 Nun spien ihn einige an, verhüllten sein Angesicht, schlugen ihn mit Fäusten und sagten zu ihm: Weissage! Die Diener nahmen ihn mit Backenstreichen in Empfang.

 

Verleugnung des Petrus. 66 Petrus war unten im Hofe. Da kam eine von den Mägden des Hohenpriesters, 67 und da sie den Petrus sich wärmen sah, schaute sie ihn an und sagte: Auch du warst bei Jesus, dem Nazarener. 68 Er leugnete und sprach: Ich kenne ihn nicht und verstehe auch nicht, was du sagst. Er ging in die Vorhalle hinaus; da krähte der Hahn. 69 Die Magd sah ihn abermals und sagte zu den Umstehenden: Dieser ist auch einer von jenen. 70 Er leugnete abermals. Gleich darauf sagten die Umstehenden wieder zu Petrus: Wahrhaftig, du bist einer von jenen; denn du bist auch ein Galiläer. 71 Da fing er an zu fluchen und zu schwören: Ich kenne diesen Menschen nicht, von dem ihr redet. 72 Und alsbald krähte der Hahn zum zweitenmal. Da erinnerte sich Petrus des Wortes, das Jesus ihm gesagt hatte: Ehe der Hahn zweimal kräht, wirst du mich dreimal verleugnen. Und er begann zu weinen. 72: Die Reue des Petrus war echt, die des Judas nicht. 53-72: Vgl. Mt 26,57-75; Lk 22,54-71; Jo 18,13-27.

 

Vor Pilatus

15 Sogleich in der Morgenfrühe faßten die Oberpriester mit den Ältesten, den Schriftgelehrten und dem ganzen Gerichtshof Beschluß. Dann ließen sie Jesus binden und fortführen und übergaben ihn dem Pilatus. Pilatus fragte ihn: Bist du der König der Juden? Er antwortete ihm: Du sagst es! Die Oberpriester brachten viele Klagen gegen ihn vor. Pilatus fragte ihn abermals: Antwortest du nichts? Sieh, welch schwere Anklagen sie gegen dich vorbringen! Jesus aber antwortete nichts mehr, so daß Pilatus sich verwunderte. 5: Das Schweigen Jesu ist der Ausdruck höchster Würde, es besagt mehr als alles Schreien der Masse.

 

Auf das Fest pflegte er ihnen einen von den Gefangenen freizugeben, den sie sich ausbitten durften. Nun war ein Mann namens Barabbas mit andern Aufrührern im Gefängnis. Diese hatten bei einem Aufstand einen Mord begangen. Das Volk zog hinauf und begann, um das zu bitten, was er sonst immer gewährte. Pilatus erwiderte ihnen: Wollt ihr, daß ich euch den König der Juden freigebe? 10 Er wußte nämlich, daß die Oberpriester ihn aus Neid überantwortet hatten. 11 Die Oberpriester aber hetzten das Volk auf, daß er ihnen vielmehr den Barabbas freigebe. 12 Pilatus entgegnete ihnen abermals: Was soll ich denn mit dem machen, den ihr den König der Juden nennt? 13 Sie riefen abermals: Kreuzige ihn! 14 Pilatus sprach zu ihnen: Was hat er denn Böses getan? Allein sie schrien noch mehr: Kreuzige ihn! 15 Pilatus wollte dem Volke willfährig sein. Darum gab er ihnen den Barabbas frei, Jesus aber ließ er geißeln und übergab ihn zur Kreuzigung.

 

Die Dornenkrönung. 16 Die Soldaten aber führten ihn hinein in das Innere des Palastes, das heißt der Statthalterresidenz und riefen die ganze Abteilung zusammen. 17 Sie legten ihm einen Purpurmantel um, flochten eine Dornenkrone, setzten sie ihm auf und fingen an, 18 ihm zu huldigen: Sei gegrüßt, König der Juden! 19 Sie schlugen ihm mit einem Rohr auf das Haupt, spien ihn an, beugten die Knie und huldigten ihm. 20a Nachdem sie ihn verspottet hatten, nahmen sie ihm den Purpurmantel ab, zogen ihm seine Kleider an 20b und führten ihn hinaus, um ihn zu kreuzigen. 1-20 Vgl. Mt 27,11-31; Lk 23,1-25; Jo 18,28-19, 16.

 

Kreuzigung Jesu. 21 Einen Vorübergehenden, Simon von Cyrene, der vom Felde kam, den Vater des Alexander und Rufus, nötigten sie, sein Kreuz zu tragen. 21: Nur Markus nennt die Söhne Simons, weil sie der römischen Christengemeinde bekannt waren (Röm 16, 13). 22 Sie führten ihn an den Ort Golgotha, das heißt Schädelstätte. 23 Dort reichten sie ihm mit Myrrhe gewürzten Wein; er aber nahm ihn nicht. 24 Nachdem sie ihn gekreuzigt hatten, teilten sie seine Kleider und warfen das Los darüber, was ein jeder bekommen solle. 25 Es war aber die dritte Stunde, da sie ihn kreuzigten. 25: Johannes nennt die sechste Stunde. Markus rechnet nämlich die Geißelung nach römischer Sitte schon zur Kreuzigung. 26 Die Inschrift mit der Angabe seiner Schuld lautete: Der König der Juden. 27 Mit ihm kreuzigten sie zwei Räuber, einen zu seiner Rechten, den andern zu seiner Linken. 28 So erfüllte sich das Wort der Schrift: Er ist unter die Übeltäter gerechnet worden (Is 53, 12).

 

29 Die Vorübergehenden lästerten ihn, schüttelten ihre Köpfe und sagten: Ei, der du den Tempel zerstörst und in drei Tagen wieder aufbaust, 30 hilf dir selbst und steig herab vom Kreuze! 31 Gleicherweise verspotteten ihn auch die Oberpriester und Schriftgelehrten und sprachen zueinander: Andern hat er geholfen sich selbst kann er nicht helfen! 32 Der Messias, der König von Israel, er steige jetzt herab vom Kreuze, daß wir sehen und glauben. Auch die, welche mit ihm gekreuzigt waren, schmähten ihn.

 

Jesu Tod. 33 Als die sechste Stunde gekommen war, kam eine Finsternis über das ganze Land bis zur neunten Stunde. 34 Und um die neunte Stunde rief Jesus mit lauter Stimme: Eloi, Eloi, lama sabakthani, das heißt: Mein Gott, mein Gott, warum hast du mich verlassen? (Ps 22, 2). 35 Einige von den Umstehenden hörten es und sagten: Hört, er ruft den Elias. 36 Einer lief hin, füllte einen Schwamm mit Essig, steckte ihn auf ein Rohr, gab ihm zu trinken und sagte: Laßt mich, wir wollen sehen, ob Elias kommt und ihn herabnimmt. 36: Jesus ist also am Kreuze nicht mit Essig und Galle getränkt worden. Der Essig war ein saurer Wein, wie ihn die Soldaten bei sich hatten. 37 Jesus aber stieß einen lauten Schrei aus und gab den Geist auf. 38 Da zerriß der Vorhang des Tempels in zwei Stücke von oben bis unten. 39 Der Hauptmann aber, der ihm gegenüber stand und ihn so [laut rufend] sterben sah, sprach: Wahrlich, dieser Mensch war Gottes Sohn! 40 Von ferne schauten auch Frauen zu, darunter Maria Magdalena, Maria, die Mutter des Jakobus des Jüngeren und des Joses, und Salome. 41 Diese hatten ihn, als er in Galiläa war, begleitet und ihm gedient. Auch viele andere waren da, die zugleich mit ihm nach Jerusalem hinaufgezogen waren. 21-41: Vgl. Mt 27,32-56; Lk 23,26-49; Jo 19,17-30..

 

Jesu Grablegung

42 Als es bereits Abend geworden war^ — es war nämlich Rüsttag, das heißt der Tag vor dem Sabbat —,43 kam Joseph von Arimathäa, ein angesehener Ratsherr, der selbst auf das Reich Gottes wartete. Dieser trat herzhaft vor Pilatus und bat um den Leichnam Jesu. 44 Pilatus wunderte sich, daß er schon verschieden sei. Er ließ den Hauptmann kommen und fragte ihn, ob er denn schon gestorben sei. 45 Als er es vom Hauptmann erfahren hatte, schenkte er dem Joseph den Leichnam. 46 Der kaufte Leinwand, nahm ihn ab, wickelte ihn in die Leinwand und legte ihn in ein Grab, das in einen Felsen gehauen war. Dann wälzte er einen Stein vor den Eingang des Grabes. 46: Heute überdeckt die Grabeskirche zugleich den Golgothafelsen und die Grabstätte. 47 Maria Magdalena aber und Maria, die Mutter des Joses, sahen zu, wo er beigesetzt wurde. 42-47: Vgl. Mt 27,57-66; Lk 23,50-56; Jo 19,31-42. Alle vier Evangelisten berichten, daß Jesus an einem Freitag gestorben ist, nach den drei Älteren war es um die neunte Stunde = 3 Uhr nachmittags.

 

Die Verherrlichung Jesu

 

Die Auferstehung

16 Die Frauen am Grabe. Als der Sabbat vorüber war, kauften Maria Magdalena, Maria, die Mutter des Jakobus, und Salome Spezereien, um hinzugehen und Jesus zu salben. Sie kamen am ersten Tag der Woche in aller Frühe zum Grabe, da die Sonne eben am Aufgehen war. Sie sprachen zueinander: Wer wird uns den Stein vom Eingang des Grabes wegwälzen? Als sie hinblickten, sahen sie, daß der Stein weggewälzt war; er war nämlich sehr groß. Sie gingen in das Grab hinein und sahen einen Jüngling zur Rechten sitzen, angetan mit einem weißen Gewande, und sie erschraken sehr. Dieser aber sprach zu ihnen: Erschrecket nicht! Ihr suchet Jesus von Nazareth, den Gekreuzigten. Er ist auferstanden; er ist nicht hier. Sehet den Ort, wo sie ihn hingelegt hatten. Aber geht hin und sagt seinen Jüngern, besonders dem Petrus, daß er euch vorangehe nach Galiläa. Dort werdet ihr ihn sehen, wie er euch gesagt hat. Sie gingen hinaus und flohen vom Grabe weg; denn Schrecken und Entsetzen hatte sie ergriffen. Und sie sagten niemand etwas, weil sie sich fürchteten.

 

Jesus erscheint den Seinigen. Nachdem er in der Frühe, am ersten Tage der Woche auferstanden war, erschien er zuerst der Maria Magdalena, von der er sieben böse Geister ausgetrieben hatte. 10 Sie ging hin und berichtete es seinen Begleitern, die jetzt trauerten und weinten. 11 Als sie hörten, daß er lebe und ihr erschienen sei, glaubten sie es nicht.

 

12 Hernach erschien er in anderer Gestalt zweien aus ihnen, die aufs Land gingen. 13 Auch sie gingen hin und meldeten es den übrigen, aber sie glaubten es ihnen ebenfalls nicht.

 

14 Später erschien er den Elfen, da sie zu Tische saßen. Er verwies ihnen ihren Unglauben und ihre Herzenshärte, weil sie denen nicht geglaubt hatten, die ihn nach seiner Auferstehung gesehen hatten. 15 Er sprach zu ihnen: Gehet hin in alle Welt und verkündet die Frohbotschaft allen Geschöpfen. 16 Wer glaubt und sich taufen läßt, wird gerettet werden; wer aber nicht glaubt, wird verdammt werden. 17 Folgende Wunderzeichen werden jene, die gläubig geworden, begleiten: In meinem Namen werden sie böse Geister austreiben, in neuen Sprachen reden, 18 Schlangen aufheben, und wenn sie etwas Tödliches trinken, wird es ihnen nicht schaden; Kranken werden sie die Hände auflegen, und sie werden gesund werden. 1-18: Vgl. Mt 28,1-20; Lk 24,1-49; Jo 20,1-21, 23. Die Frauen kauften die Spezereien am Samstag, nachdem beim Sonnenuntergang die Sabbatruhe aufgehört hatte. Immer wieder wird der Unglaube und Schrecken der Jünger betont. Niemand dachte an die Auferstehung. Das macht es unmöglich, dieses Wunder als Einbildung der Jünger und der frommen Frauen zu erklären.

 

Himmelfahrt

19 Nachdem der Herr Jesus mit ihnen geredet hatte, wurde er in den Himmel aufgenommen und setzte sich zur Rechten Gottes. 20 Jene aber gingen hin und predigten überall. Und der Herr wirkte mit und bekräftigte das Wort durch die begleitenden Wunderzeichen. 19-20: Der im Himmel thronende Christkönig lebt und wirkt auf Erden seiner Kirche. Die Taufe gliedert uns in die Lebensgemeinschaft mit ihm ein. 9-20: Der Abschnitt 9-20 fehlt zwar in wichtigen Handschriften, gehört aber zum Evangelium.