Word: Römer

 

Die Briefe des hl. Apostels Paulus

 

Der Völkerapostel und seine Briefe

Einleitung

Über keinen Apostel gibt uns die Apostelgeschichte soviel Auskunft wie über den heiligen Paulus. Dennoch ist dieses Bild nicht lückenlos und abgeschlossen, weil der heilige Lukas keine Lebensbeschreibung liefern, sondern den Siegeszug des Evangeliums bis in die Welthauptstadt Rom in ausgewählten Berichten schildern wollte. Unsere Kenntnis über den erfolgreichsten Verkünder des Evangeliums wird in wichtigen Punkten aus dessen eigenen Schriften ergänzt, wobei weniger das äußere Geschehen erzählt als die innere Entwicklung dieses „auserwählten Werkzeuges“ Gottes erkennbar wird. Keiner war in gleichem Maße wie Paulus dazu berufen, „den Heiden die unergründlichen Reichtümer Christi zu verkünden und allen klarzumachen, welches die Verwirklichung des Geheimnisses sei, das von Ewigkeit her in Gott, dem Schöpfer des Alls, verborgen war“ (Eph 3,8-9). Was wir über den Rahmen der Apostelgeschichte hinaus vom Lebensgang des Apostels aus seinen eigenen Schriften erfahren, wird durch die älteste Überlieferung bestätigt. Der Prozeß vor dem kaiserlichen Gerichtshof endete i. J. 63 mit Freisprechung. Wahrscheinlich hat sich Paulus dann zunächst für kurze Zeit nach Spanien begeben. Auf einer Fahrt nach Mazedonien und Kleinasien ließ er seinen Schüler Timotheus als Bischof in Ephesus zurück, den Titus auf Kreta. Um 66 wurde er zum zweitenmal „Gefangener Christi“ in Rom und starb dort i. J. 67 für seinen himmlischen Herrn durch Enthauptung.

 

Alle Schriften des Apostels sind Briefe. In ihrer geistigen Höhenlage sind sie weder reine Privatbriefe noch literarische Kunstepisteln. An Einzelpersonen oder bestimmte Gemeinden oder an eine Mehrheit von Gemeinden gerichtet, tragen sie den Charakter von Gelegenheitsschriften. In der Form passen sie sich dem damaligen Briefstil an und sind alle in der griechischen Weltsprache geschrieben. Der Apostel pflegte sie zu diktieren und einen eigenhändigen Gruß am Schlusse beizufügen. Ihre Gedankenfülle macht sie zu unerschöpflichen Quellen der göttlichen Offenbarung, zu Bergwerken des Geistes, wie der heilige Johannes Chrysostomus sagt. Zum Vorlesen beim Gottesdienst wurden sie bald vielmals abgeschrieben. Die heutige Reihenfolge ordnet sie nicht nach der Zeit der Abfassung, sondern nach dem Umfang und der Bedeutung, wobei der Hebräerbrief eine Größe für sich darstellt. Nicht alle Paulusbriefe sind uns erhalten geblieben. Unter den erhaltenen werden mehrere Gruppen unterschieden. Der Römerbrief, die beiden Korintherbriefe und der Galaterbrief heißen „die großen Gemeindebriefe“. Die Briefe an die Epheser, Kolosser, Philipper und an Philemon, die alle aus der ersten römischen Gefangenschaft stammen, werden als „Gefangenschaftsbriefe“ bezeichnet. Die zwei Schreiben an Timotheus und jenes an Titus werden „Pastoralbriefe“ genannt. Sie sind zeitlich die letzten, die Briefe an die Thessalonicher die ersten.

 

Der Brief an die Römer

Einleitung

Während Paulus die Wintermonate des Jahres 57 auf 58 in Korinth verbrachte, richtete er ein Schreiben an die Christengemeinde in Rom. Zwar kannte er einzelne ihrer Mitglieder, die Mehrheit aber war ihm unbekannt. Und weil er bald nach der Welthauptstadt zu kommen hoffte, um von dort nach Spanien zu gehen, da ihm der Osten kein ausreichendes Arbeitsfeld mehr bot (Röm 15,23-24), so sollte der Brief sein Kommen vorbereiten. Die verhältnismäßig stille Winterzeit gab dem Apostel auf dem Höhepunkt seiner Missionstätigkeit die erforderliche Muße, um die schon im Galaterbrief anklingenden Grundgedanken der Erlösungslehre noch ausführlicher zu behandeln. Das Verhältnis zwischen jüdischem Gesetz und christlicher Freiheit oder zwischen den „Werken des Gesetzes“ und dem „Glauben“ hatte den Geist des Apostels schon lange beschäftigt. An wen hätte er eher darüber schreiben sollen als an die blühende Christengemeinde Roms, gemischt aus ehemaligen Juden und Heiden, wobei die Heidenchristen in der Mehrheit waren? Das Fehlen stärkerer persönlicher Beziehungen zu dieser Gemeinde ermöglichte eine ruhige und tiefgreifende Erörterung dieser Lebensfragen der jungen Kirche. So entstand in jenem Wintermonaten das bedeutsamste aller paulinischen Schreiben, dessen Gehalt bis heute noch kein christlicher Denker ausgeschöpft hat.

 

Nach der üblichen Anschrift und Begrüßung (1,1-7) darf Paulus der römischen Gemeinde hohes Lob spenden und den Leitgedanken seines Schreibens aussprechen (1,8-17). Dann legt er im ersten Hauptteil dar, daß weder die Philosophie der Heiden noch das Gesetz der Juden, sondern nur der lebendige Glaube an Jesus Christus dem sündigen Menschen die Rechtfertigung verschaffen kann (1,18-11,36). Der zweite Hauptteil mahnt zur sittlichen Gestaltung des Christenlebens (12,1-15,13). Persönliche Mitteilungen und eine reiche Grußliste bilden den Schluß (15,14-16,27).

 

1 Gruß. Paulus, Knecht Christi Jesu, berufen zum Apostel, auserwählt für die Heilsbotschaft Gottes, die Gott schon längst verheißen hat durch seine Propheten in den heiligen Schriften, von seinem Sohne, der dem Fleische nach aus dem Geschlechte Davids stammte, 4 dem Heiligen Geiste nach als Gottes Sohn machtvoll erwiesen wurde durch seine Auferstehung von den Toten, von Jesus Christus, unserm Herrn. 3-4 Paulus bekennt hier deutlich seinen Glauben an den Gottmenschen Jesus Christus, dessen menschliche und göttliche Natur er unterscheidet. Durch ihn haben wir Gnade und Apostelamt empfangen, um alle Völker zum Gehorsam im Glauben zu führen um seines Namens willen, zu denen auch ihr gehört, Berufene von Jesus Christus. Euch allen, Gottgeliebten, berufenen Heiligen in Rom, sei Gnade und Friede von Gott, unserem Vater, und dem Herrn Jesus Christus.

 

Freude über den Zustand der Gemeinde. Vor allem danke ich meinem Gott durch Jesus Christus für euch alle, weil euer Glaube in der ganzen Welt gerühmt wird. Gott, dem ich in meinem Geiste durch die Verkündigung der frohen Botschaft von seinem Sohne diene, ist mein Zeuge, daß ich unablässig euer gedenke. 10 Allzeit flehe ich in meinen Gebeten, es möchte mir doch endlich einmal nach Gottes Willen gelingen, zu euch zu kommen. 11 Denn ich sehne mich danach, euch zu sehen, um euch irgendeine geistige Gnadengabe mitteilen zu können zu eurer Stärkung, 12 das heißt, damit wir uns gegenseitig trösten durch unsern Glauben, den euren sowohl wie den meinen. 13 Es liegt mir daran, euch wissen zu lassen, Brüder, daß ich schon oft vorhatte, zu euch zu kommen; leider wurde ich bis jetzt daran gehindert. Ich möchte eben auch bei euch einige Früchte erhalten, wie bei den andern Völkern. 14 Griechen und Barbaren, Gebildeten und Ungebildeten bin ich Schuldner. 14: Wie Paulus sich als Schuldner aller bekennt, so trägt jeder Christ Mitverantwortung für das Heil seiner Mitmenschen. Keiner ist im Religiösen unabhängig. 15 So bin ich, was an mir liegt, bereit, auch euch in Rom die Heilsbotschaft zu verkünden.

 

Angabe des Themas. 16 Ich schäme mich der Heilsbotschaft nicht. Ist sie ja eine Gotteskraft zum Heil für jeden, der glaubt, für den Juden zuerst und auch für den Heiden. 16: Wer sich seines Glaubens in Christus schämt, beweist, daß er ihn nicht kennt. 17 In ihr wird offenbar die Rechtfertigung durch Gott, die aus dem Glauben stammt und zum Glauben führt, wie geschrieben steht: Der Gerechte lebt aus dem Glauben (Hab 2,4).

 

Rechtfertigung durch Jesus Christus

 

Heilsbedürftigkeit der Menschheit

Die Sünde der Heidenwelt. 18 Gottes Zorn wird vom Himmel her offenbar über alle Gottlosigkeit und Ungerechtigkeit der Menschen, welche die Wahrheit [Gottes] durch ihre Ungerechtigkeit unterdrücken. 19 Was man von Gott erkennen kann, ist ihnen offenbar, Gott selbst hat es ihnen geoffenbart. 20 Sein unsichtbares Wesen, seine ewige Macht und Göttlichkeit sind seit Erschaffung der Welt durch das Licht der Vernunft an seinen Werken zu erkennen. Deshalb sind sie nicht zu entschuldigen. 21 Denn, obwohl sie Gott erkannten, haben sie ihn doch nicht als Gott geehrt, noch ihm gedankt, sondern wurden töricht in ihren Gedanken, und ihr unverständiges Herz wurde verfinstert. 22 Weise meinten sie zu sein und sind Toren geworden. 23 Die Herrlichkeit des unvergänglichen Gottes vertauschten sie mit dem Bilde von vergänglichen Menschen, Vögeln, vierfüßigen und kriechenden Tieren. 18-23: Der Glaubenssatz, daß wir mit dem Lichte der Vernunft das Dasein Gottes aus den geschaffenen Dingen erkennen können, ist hier unzweideutig gelehrt. Nur durch eigene Schuld ist Unkenntnis Gottes möglich. „Nur der Tor spricht in seinem Herzen: Es gibt keinen Gott!“ 24 Darum überließ sie Gott den Gelüsten ihres Herzens, der Unreinigkeit, so daß sie ihre eigenen Leiber entehrten. 25 Den wahren Gott haben sie mit falschen Götzen vertauscht und die Geschöpfe verehrt und angebetet anstatt des Schöpfers, der gepriesen sei in Ewigkeit. Amen. 26 Darum überließ sie Gott schändlichen Leidenschaften; ihre Weiber vertauschten den natürlichen Verkehr mit dem widernatürlichen. 27 Ebenso verließen auch die Männer den natürlichen Umgang mit der Frau und entbrannten in wilder Gier gegeneinander; Männer verübten Schamloses aneinander und empfingen den gebührenden Lohn für ihre Verwirrung an sich selbst. 28 Weil sie die Gotteserkenntnis verwarfen, überließ sie Gott ihrer verworfenen Gesinnung, so daß sie taten, was nicht recht ist. 29 Sie wurden voll jeglicher Ungerechtigkeit, Bosheit, [Unzucht,] Habsucht, Schlechtigkeit, voll Neid, Mord, Hader, Arglist, Tücke. Sie sind Ohrenbläser, 30 Verleumder, Gottesfeinde, Spötter, Stolze, Prahler, Erfinder von Bösem, widerspenstig gegen Eltern, 31 unvernünftig, ungeordnet, ohne Liebe, ohne Treue, ohne Erbarmen. 32 Zwar kennen sie die göttliche Rechtsordnung (und wissen), daß jene den Tod verdienen, die solches treiben, dennoch tun sie es nicht nur selbst, sondern zollen auch denen noch Beifall, die es treiben. 26-32: Paulus, der nicht übertreibt, zeichnet hier ein erschütterndes Bild der sittlichen Zustände im Heidentum. Die Wurzel all dieser Verkommenheit aber ist die Abwendung von Gott. Das sechste Gebot wird dort am meisten übertreten, wo das erste nicht beobachtet wird.

 

2 Die Sünde der Juden. Darum bist du unentschuldbar, o Mensch, der du dich zum Richter aufwirfst, wer immer du bist; denn während du den andern richtest, verurteilst du dich selbst; du tust ja dasselbe, du als Richter. Denn wir Wissen, daß das Gericht Gottes der Wahrheit gemäß ist gegen die, welche solches tun. Vermeinst aber du, o Mensch, der du diejenigen richtest, die solches tun, und tust es selber auch, daß du dem Gerichte Gottes entrinnen wirst? Oder verachtest du den Reichtum seiner Güte, Geduld und Langmut? Weißt du nicht, daß die Güte Gottes dich zur Bekehrung leitet? Aber durch deine Hartnäckigkeit und dein unbußfertiges Herz häufest du dir Zorn auf für den Tag des Zornes und der Offenbarung des gerechten Gerichtes Gottes, der einem jeden vergelten wird nach seinen Werken! denen, die durch Beharrlichkeit im Guten Herrlichkeit und Ehre und Unvergänglichkeit suchen, mit ewigem Leben, denen aber, die streitsüchtig sind und der Wahrheit sich nicht beugen, dagegen der Ungerechtigkeit sich hingeben, mit Zorn und Ungnade, Trübsal und Angst kommen über jede Menschenseele, die das Böse tut, über den Juden zuerst, aber auch über den Heiden; 10 Herrlichkeit aber und Ehre und Friede jedem, der das Gute wirkt, dem Juden zuerst, aber auch dem Heiden. 11 Denn es gibt keine Bevorzugung der Person bei Gott. 12 Alle nämlich, die, ohne das Gesetz zu kennen, gesündigt haben, werden ohne Gesetz verlorengehen, und alle, die im Gesetze gesündigt haben, werden durch das Gesetz gerichtet werden. 13 Denn nicht die Hörer des Gesetzes sind gerecht vor Gott, sondern die Befolger des Gesetzes werden gerechtfertigt werden. 14 Wenn nämlich die Heiden, die das Gesetz nicht haben, von Natur aus die Vorschriften des Gesetzes erfüllen, so sind sie, die das Gesetz nicht haben, sich selbst Gesetz. 15 Sie zeigen damit, daß der Inhalt des Gesetzes in ihre Herzen geschrieben ist, indem ihnen ihr Gewissen Zeugnis gibt und untereinander die Gedanken sich anklagen oder verteidigen, 16 an dem Tage, da Gott richten wird das Verborgene der Menschen nach meiner Heilsverkündung durch Jesus Christus. 14-16: Ein doppeltes Gesetz bindet den Menschen an Gott: Jedem Menschen ist das Naturgesetz ins Herz geschrieben. Es wird ihm bekannt durch die Stimme des Gewissens. Darüber hinaus hat Gott den Israeliten im Alten Bund das Gesetz der Offenbarung gegeben.

 

Pochen auf das Gesetz nutzlos. 17 Du nennst dich stolz einen Juden, verläßt dich auf das Gesetz, und rühmst dich Gottes. 18 Du kennst seinen Willen und weißt, vom Gesetze belehrt, zu beurteilen, was mehr frommt. 19 Du traust dir zu, ein Führer der Blinden zu sein, ein Licht derer, die im Finstern sind, 20 ein Erzieher der Unverständigen, ein Lehrer der Unmündigen, der du doch die Richtschnur der Erkenntnis und Wahrheit im Gesetze besitzest. 21 Einen anderen lehrst du, und dich selbst belehrst du nicht? Du predigst, man dürfe nicht stehlen, und stiehlst? 22 Du sprichst, man dürfe nicht ehebrechen, und brichst die Ehe? Du verabscheust die Götzenbilder und beraubst doch ihre Tempel? 23 Du rühmst dich des Gesetzes und entehrst Gott durch Übertretung des Gesetzes? 24 Der Name Gottes wird doch euretwegen gelästert unter den Heiden, wie geschrieben steht (Is 52,5). 17-24: Der klarere Einblick in den Willen Gottes erhöht die Verantwortlichkeit. Wo das Leben im Gegensatz zur Lehre steht, wird die Religion zum Gespött.

 

Wert der Beschneidung. 25 Die Beschneidung nützt zwar, wenn du das Gesetz beobachtest; wenn du aber ein Übertreter des Gesetzes bist, so ist dein Judentum zum Heidentum geworden. 26 Wenn also der Unbeschnittene die Vorschriften des Gesetzes hält, wird ihm nicht sein Heidentum als Judentum angerechnet werden? 27 Und wird nicht der von Natur Unbeschnittene, der das Gesetz erfüllt, dich richten, der du trotz der Schrift und der Beschneidung ein Übertreter des Gesetzes bist? 28 Denn nicht der ist ein Jude, der es äußerlich ist; auch taugt die Beschneidung nichts, die nur äußerlich am Leibe vollzogen ist. 29 Vielmehr ist der ein Jude, der es innerlich ist und die Beschneidung des Herzens dem Geiste, nicht dem Buchstaben nach an sich trägt. Lob wird einem solchen freilich nicht von Menschen, sondern von Gott zuteil. 25-29: Nicht die äußere Zugehörigkeit zur Religionsgemeinschaft macht den Menschen wohlgefällig vor Gott, sondern rechte Gesinnung und Tat, im Alten wie im Neuen Bund.

 

3 Stellung der Juden. Was hat nun der Jude voraus, oder was nützt die Beschneidung? In jeder Hinsicht viel. Vor allem sind ihnen die Verheißungen Gottes anvertraut worden. Doch wie? Wenn einige von ihnen die Treue gebrochen haben, wird etwa ihre Untreue die Treue Gottes aufheben? Nimmer mehr! Gott muß als wahrhaftig dastehen, jeder Mensch dagegen als Lügner, wie geschrieben steht: Daß du gerecht befunden werdest in deinen Worten und den Sieg erhaltest, wenn man dich richtet (Ps 51,6). Wenn aber unsere Ungerechtigkeit die Gerechtigkeit Gottes dartut, was werden wir sagen? Ist etwa Gott menschlich gesprochen, ungerecht, da er die Strafe verhängt? Nimmermehr. Wie wird denn Gott sonst die Welt richten? Wenn die Wahrheit Gottes durch meine Lüge um so größer erscheint und zu seiner Verherrlichung dient, warum werde ich dann noch als Sünder verurteilt? Sollten wir etwa, wie man uns lästert und wie wir nach einigen behaupten sollen, das Böse tun, damit Gutes daraus werde? Deren Verurteilung ist allerdings gerecht. 1-8: Ein für allemal bleibt dem Volke Israel der Vorzug, daß Gott es unverdient zum Träger seiner Offenbarung gemacht hat. Israels klägliches Versagen läßt Gottes Güte in noch hellerem Licht erscheinen. Niemand darf daraus den Fehlschluß ziehen, ein guter Zweck heilige jemals ein schlechtes Mittel.

 

Allgemeine Sündhaftigkeit. Wie also? Haben wir (Juden) etwas vor ihnen voraus? Keineswegs; denn wir haben vorhin die Anklage erhoben, daß Juden und Heiden alle unter der Herrschaft der Sünde sind. 10 Wie geschrieben steht: Gerecht ist auch nicht einer, 11 keiner ist verständig, keiner, der Gott sucht. 12 Alle sind abgewichen, sind unnütz geworden, keiner ist, der Gutes tue, auch nicht einer. 13 Ein offenes Grab ist ihre Kehle, mit ihren Zungen üben sie Trug. Schlangengift ist unter ihren Lippen. 14 Ihr Mund ist voll von Fluch und Bitterkeit. 15 Ihre Füße sind schnell zum Blutvergießen, 16 Verderben und Unglück ist auf ihren Wegen, 17 den Weg des Friedens kennen sie nicht, 18 Furcht Gottes ist nicht vor ihren Augen (Ps 14,2. 3). 19 Wir wissen aber, daß das Gesetz alles, was es sagt, denen sagt, die unter dem Gesetze sind, damit jeder Mund verstumme und alle Welt dem Gericht Gottes unterstehe. 20 Denn durch die Werke des Gesetzes wird kein Mensch vor ihm gerechtfertigt; das Gesetz ist ja nur der Weg zur Erkenntnis der Sünde (Gal 2,16). 9-20: In dem gänzlichen Unvermögen, sich selbst aus Schuld und Sünde zu erlösen, sind Juden und Heiden gleich. Selbsterlösung ist ein Irrwahn. Auch das Gesetz vermag nicht zu retten. Es zeigt wohl, was Sünde sei, verleiht aber dem schwachen Menschen nicht die Kraft zum sündenreinen Leben.

 

Das Wesen der Rechtfertigung

Der rechtfertigende Glaube. 21 Jetzt aber ist Gerechtigkeit Gottes ohne Gesetz offenbar geworden, bezeugt vom Gesetz und den Propheten, 22 nämlich Gerechtigkeit durch den Glauben an Jesus Christus, allen [und über alle], welche an ihn glauben; denn es ist kein Unterschied. 23 Denn alle haben gesündigt und ermangeln der Herrlichkeit Gottes. 24 Sie werden gerechtfertigt ohne Verdienst durch seine Gnade, durch die Erlösung in Christus Jesus. 25 Ihn hat Gott dargestellt als blutiges Sühneopfer [das wirksam wird] durch den Glauben, um seine Gerechtigkeit zu erweisen. In seiner göttlichen Langmut hat er die früher begangenen Sünden hingehen lassen, 26 um in der jetzigen Zeit seine Gerechtigkeit zu erweisen, damit er selber gerecht sei und denjenigen rechtfertige, der den Glauben an Jesus Christus hat. 27 Wo ist also dein Rühmen? Es ist ausgeschlossen! Durch welches Gesetz? Das der Werke? Nein, sondern durch das Gesetz des Glaubens. 28 Denn wir halten dafür, daß der Mensch durch den Glauben gerechtfertigt werde, ohne die Werke des Gesetzes. 28: Mit den „Werken des Gesetzes“ sind nicht die guten Werke des Christen gemeint, in denen der Glaube erst seine Lebenskraft beweist, sondern jüdische Gesetzeswerke, denen keine rechtfertigende Kraft innewohnt. Hätte Luther den Vers nicht falsch gedeutet, so wäre die berühmt gewordene Einfügung des Wörtchens „allein“ berechtigt gewesen. 29 Oder gehört Gott nur den Juden an, nicht auch den Heiden? Ja doch auch den Heiden. 30 Denn es gibt nur einen Gott, und der rechtfertigt die Beschnittenen aus dem Glauben und die Unbeschnittenen durch den Glauben. 31 Heben wir also das Gesetz auf durch den Glauben? Nimmermehr, sondern wir bestätigen das Gesetz. 21-31: Was weder die heidnische Philosophie noch das jüdische Gesetz zu gewähren vermochten, das erlangen alle Menschen im Glauben an Jesus Christus: Sein Erlösungstod schenkt denen, die sich gläubig ihm anschließen, die „Herrlichkeit Gottes“, d. h. das übernatürliche Gnadenleben. Keine Nation ist mehr dabei bevorzugt.

 

4 Abrahams Rechtfertigung durch den Glauben. Was werden wir also sagen, daß unser Vater dem Fleische nach, Abraham, erlangt habe? Ist Abraham aus Werken gerechtfertigt worden, so hätte er Grund, sich zu rühmen, aber nicht vor Gott. Denn was sagt die Schrift? Abraham glaubte Gott, und dies wurde ihm zur Gerechtigkeit angerechnet (1 Mos 15, 6). Wer Werke vollbringt, dem wird der Lohn nicht aus Gnade, sondern nach, Schuldigkeit angerechnet. Wer dagegen keine Werke vollbringt, wohl aber an den glaubt, der den Sünder rechtfertigt, dem wird sein Glaube zur Gerechtigkeit angerechnet [nach dem Ratschlusse der Gnade Gottes]. So spricht auch David den Menschen selig, dem Gott Gerechtigkeit ohne Werke zurechnet: Selig, deren Missetaten vergeben und deren Sünden bedeckt sind; selig der Mann, welchem Gott die Sünde nicht zurechnet (Ps 32,1. 2). 1-8: Auch im Alten Testament erfolgte die Rechtfertigung durch den Glauben und nicht durch natürliche Werke. Dies sehen wir an Abraham, der nicht um seiner Werke willen, sondern für seinen Glauben die Rechtfertigung erhielt. Aus Gnade hat ihn Gott gerechtfertigt; und ebenso war es bei David.

 

Abraham gerecht vor der Beschneidung. Gilt nun diese Seligpreisung nur von den Beschnittenen oder auch von den Unbeschnittenen? Wir sagen ja, daß dem Abraham der Glaube zur Gerechtigkeit angerechnet ward. 10 Wie ward er ihm denn angerechnet? Nach der Beschneidung oder vor der Beschneidung? Nicht nach, sondern vor der Beschneidung. 11 Er erhielt die Beschneidung als Siegel, und zwar als Zeichen der Gerechtigkeit, die im Glauben liegt, den er vor der Beschneidung schon hatte. Er sollte Vater aller unbeschnittenen Gläubigen sein, so daß auch ihnen die Gerechtigkeit angerechnet wird. 12 Und er sollte auch der Vater der Beschnittenen sein, nicht bloß derer, welche die Beschneidung haben, sondern auch derer, welche den Fußstapfen des Glaubens nachwandeln, den unser Vater Abraham vor der Beschneidung hatte. 9-12 Als Abraham gerechtfertigt wurde, war er noch unbeschnitten; also können auch Heiden = Unbeschnittene das Heil erlangen. 13 Nicht durch das Gesetz wurde die Verheißung dem Abraham oder seiner Nachkommenschaft, daß er Erbe der Welt sein solle, sondern durch die Glaubensgerechtigkeit. 14 Denn wenn die Anhänger des Gesetzes Erben sind, so ist der Glaube wertlos und die Verheißung nichtig. 15 Das Gesetz wirket ja Zorn. Wo aber kein Gesetz ist, da ist auch keine Übertretung.

 

Vertrauen Abrahams. 16 Deshalb gilt: Auf Grund des Glaubens und somit aus Gnade, damit die Verheißung gültig bleibe für alle Nachkommen, nicht bloß für den, der das Gesetz hat, sondern auch für den, der den Glauben Abrahams hat; er ist ja unser aller Vater, 17 wie geschrieben steht: Zum Vater vieler Völker habe ich dich bestellt. Gott hat er geglaubt, der die Toten lebendig macht und das, was nicht ist, ins Dasein ruft. 16: Unser aller Vater kann Abraham nur genannt werden, wenn nicht mehr aus dem Blute, sondern aus dem Geiste, nicht mehr aus dem Gesetz, sondern aus dem Glauben das Kindesverhältnis zu Gott erwächst. 18 Gegen alle Hoffnung hat er voll Hoffnung geglaubt, daß er Vater vieler Völker würde, weil ihm gesagt worden: So (zahllos) wird deine Nachkommenschaft sein (1 Mos 15,5). 19 Und er ward nicht schwach im Glauben, beachtete weder seinen erstorbenen Leib, da er beinahe hundert Jahre alt war, noch den erstorbenen Schoß der Sara. 20 Er zweifelte nicht ungläubig an der Verheißung Gottes, sondern erstarkte im Glauben, indem er Gott die Ehre gab 21 in der festen Überzeugung, daß er mächtig ist, auch zu tun, was immer er versprochen hat. 22 Darum wurde es ihm auch angerechnet zur Gerechtigkeit. 23 Aber nicht bloß seinetwegen steht geschrieben, es sei ihm angerechnet worden zur Gerechtigkeit, 24 sondern auch um unsertwillen, denen es wird angerechnet werden, wenn wir glauben an den, der unsern Herrn Jesus Christus von den Toten auferweckt hat, 25 ihn, der dahingegeben wurde um unserer Sünden willen und auferstanden ist um unserer Rechtfertigung willen. 13-25: Von allen Menschen gilt, was an Abraham geschah: Nicht das Gesetz, sondern der Glaube wird ihnen der Weg zum Heil. Aber es muß ein starker Glaube sein, der auch dann nicht wankt, wenn alles verloren zu sein scheint (V. 18).

 

Die Früchte der Rechtfertigung

5 Friede mit Gott. Gerechtfertigt also durch den Glauben haben wir Frieden mit Gott durch unsern Herrn Jesus Christus. Durch ihn haben wir mittels des Glaubens auch Zutritt zu dieser Gnade, in der wir stehen, und rühmen uns ob der Hoffnung auf die Herrlichkeit [der Kinder] Gottes. Aber nicht allein dies, sondern wir rühmen uns auch ob der Trübsale, da wir wissen, daß Trübsal Geduld wirkt (Jak 1,3), die Geduld Bewährung, die Bewährung aber Hoffnung. Die Hoffnung aber trügt nicht; denn die Liebe Gottes ist ausgegossen in unsere Herzen durch den Heiligen Geist, der uns gegeben ist. 3-5: Der Geist Gottes lehrt uns, das Leid nicht in stummer Ergebung hinzunehmen, sondern ihm hohe positive Werte abzugewinnen. Denn Christus ist, da wir noch schwach waren, zur rechten Zeit für Gottlose gestorben. Es stirbt nämlich kaum jemand für einen Gerechten; für den Wohltäter dürfte vielleicht jemand den Mut haben, zu sterben. Gott aber erweist seine Liebe zu uns dadurch, daß Christus für uns gestorben ist, da wir noch Sünder waren. Um so viel mehr also werden wir jetzt, da wir in seinem Blute gerechtfertigt sind, durch ihn vor dem Zorne bewahrt werden. 10 Wurden wir, solange wir Feinde waren, versöhnt mit Gott durch den Tod seines Sohnes, so werden wir um so mehr als Versöhnte errettet werden durch sein Leben. 11 Und nicht allein dies, sondern wir rühmen uns auch Gottes durch unsern Herrn Jesus Christus, durch den wir jetzt Versöhnung empfangen haben. 1-11: Die Sünde hatte Feindschaft zwischen Gott und den Menschen geschaffen. Christi Erlösungstod brachte den Frieden. Nachdem er aus reiner Liebe soviel für uns Sünder tat, was dürfen wir da erst als Erlöste von seiner Güte erwarten! Dem Christen ziemt steter Optimismus.

 

Vergleich zwischen Adam und Christus. 12 Demnach, gleichwie durch einen Menschen die Sünde in die Welt gekommen ist und durch die Sünde der Tod, und so auf alle Menschen der Tod deshalb übergegangen ist, weil alle gesündigt haben. 12: Der Satz ist unvollendet. 13 Zwar gab es bis zum Gesetz Sünde in der Welt; aber die Sünde wird nicht zugerechnet, wenn kein Gesetz da ist. 14 Aber der Tod herrschte von Adam bis auf Moses auch über diejenigen, welche nicht durch eine ähnliche Übertretung wie Adam sündigten. Dieser (Adam) ist ein Vorbild des zukünftigen. 15 Aber nicht wie mit der Sünde (durch den einen) verhält es sich auch mit der Gnade. Denn wenn durch des einen Sünde die vielen gestorben sind, so ist die Gnade Gottes und die Gabe in der Gnade des einen Menschen Jesus Christus um so reicher auf die vielen übergegangen. 16 Und nicht wie mit der Sünde durch den einen verhält es sich auch mit der Gnade; denn das Gericht ging von einer Sünde aus (und führte) zu der Verdammung, die Begnadigung aber von vielen Sünden zur Rechtfertigung. 17 Wenn durch die Sünde des einen der Tod herrschte durch den einen, werden um so mehr die, welche die Fülle der Gnade und der Gabe der Rechtfertigung empfangen, im Leben herrschen durch den einen Jesus Christus. 18 Wie also durch des einen Sünde auf alle Menschen Verdammnis kam, so kommt auch durch des einen Gerechtigkeit auf alle Menschen Rechtfertigung zum Leben. 19 Wie nämlich durch den Ungehorsam des einen Menschen die vielen zu Sündern geworden sind, so werden auch durch den Gehorsam des einen die vielen zu Gerechtigkeit gemacht. 20 Das Gesetz aber kam hinzu, damit die Sünde überhand nehme; als aber die Sünde überschwenglich war, wurde die Gnade noch überschwenglicher. 21 Wie die Sünde herrschte durch den Tod, so sollte die Gnade herrschen mittels der Rechtfertigung zum ewigen Leben durch Jesus Christus, unsern Herrn. 12-21: Christus ist als Erlöser der Stammvater eines neuen Geschlechtes. Von Adam gingen Sünde, Tod und Elend auf alle seine Nachkommen über; von Christus fließt die Fülle des neuen Lebens der Gnade auf alle über. Die Lehre von der Erbsünde ist hier biblisch begründet. Bei Erwägung dieser paulinischen Erlösungslehre hat der hl. Augustinus das kühne Wort geprägt: „O glückhafte Schuld, die einen solch herrlichen Erlöser verdient hat!“ Wer über das Geheimnis der Bosheit grübelt, darf das Geheimnis der noch größeren Liebe nicht vergessen.

 

Rechtfertigung und sittliches Leben

6 Die Wirksamkeit der rechtfertigenden Gnade. Was also werden wir sagen? Werden wir in der Sünde verharren, damit die Gnade um so reichlicher werde? Das sei ferne! Da wir der Sünde gestorben sind, wie sollten wir in ihr noch leben? Oder wisset ihr nicht, daß wir alle, die auf Jesus Christus getauft wurden, auf seinen Tod getauft worden sind? Denn mitbegraben sind wir mit ihm durch die Taufe auf den Tod, damit wie Christus auferstanden ist von den Toten durch die Herrlichkeit des Vaters, so auch wir einen neuen Lebenswandel führen. Wenn wir mit ihm durch Ähnlichkeit mit seinem Tode verwachsen sind, so werden wir es zugleich auch mit seiner Auferstehung sein. Dies wissen wir, daß unser alter Mensch mitgekreuzigt worden ist, damit der sündige Leib zerstört werde und wir fürderhin nicht mehr der Sünde dienen. Wer gestorben ist, ist gerechtfertigt von der Sünde. 1-7: Der in Christus so reich beschenkte Christ darf sich nicht träger Ruhe oder gar genießerischer Zügellosigkeit hingeben. Der Adel der Erlösung legt die Pflicht eines reinen Lebens auf. Christ sein und Sünder sein wäre ein Unding, wie leben und zugleich tot sein. Bei der Taufe, die durch Untertauchen gespendet wurde, ist der alte Mensch der Sünde begraben worden; ein neuer Mensch mit Christus, dem Auferstandenen, zur Lebenseinheit verbunden, ist aus dem Taufwasser emporgestiegen. Wenn wir aber mit Christus gestorben sind, so glauben wir, daß wir zugleich auch leben werden mit ihm, da wir wissen, daß Christus nach seiner Auferstehung von den Toten nicht mehr stirbt, der Tod über ihn fürder nicht herrschen wird. 10 Insofern er starb, starb er ein für allemal der Sünde; insofern er aber lebt, lebt er Gott. 11 So betrachtet auch ihr euch als solche, die der Sünde abgestorben sind, für Gott aber leben in Christus Jesus [unserm Herrn]. 12 Darum herrsche nicht die Sünde in eurem sterblichen Leibe, daß ihr seinen Begierden gehorchet. 8-12: Alle Sünde ist abgetan, wie bei einem Verbrecher die gesamte Schuld gesühnt ist durch die vollzogene Todesstrafe. Rückfall in die Sünde bedeutet Rückfall in die Sklaverei der Begierden.

 

Leben im Dienste Gottes. 13 Gebet eure Glieder der Sünde nicht hin als Werkzeug der Ungerechtigkeit, sondern gebet euch Gott hin als solche, die vom Tode zum Leben gekommen sind, und gebet eure Glieder Gott hin als Werkzeuge der Gerechtigkeit. 14 Denn die Sünde wird nicht über euch Gewalt haben, weil ihr nicht unter dem Gesetze seid, sondern unter der Gnade. 15 Wie nun? Werden wir sündigen, weil wir nicht unter dem Gesetz sind, sondern unter der Gnade? Das sei ferne! 16 Wisset ihr nicht, daß ihr dessen Knechte seid und dem zu gehorchen habt, dem ihr euch als Knechte zum Gehorsam gebt, entweder Knechte der Sünde zum Tod oder des Gehorsams zur Gerechtigkeit? 17 Dank aber sei Gott, daß ihr, die ihr Knechte der Sünde waret, von Herzen gehorsam geworden seid gegen die Vorschriften der Lehre, in die ihr eingeführt wurdet. 18 Losgelöst von der Sünde, seid ihr dienstbar geworden der Gerechtigkeit. 19 Ich rede nach Menschenweise um der Schwachheit eures Fleisches willen: Wie ihr eure Glieder hingegeben habt zum Dienst der Unreinigkeit und Gesetzwidrigkeit, zu einem ungezügelten Leben, so gebet jetzt eure Glieder hin in den Dienst der Gerechtigkeit zur Heilung. 20 Da ihr nämlich Diener der Sünde waret, seid ihr frei gegenüber der Gerechtigkeit gewesen. 21 Welche Frucht hattet ihr aber damals von den Dingen, über die ihr jetzt errötet? Das Ende derselben ist ja der Tod. 22 Jetzt aber, befreit von der Sünde und dem Dienst für Gott geweiht, habt ihr als Frucht Heiligung und als Endgewinn das ewige Leben. 23 Denn der Sold der Sünde ist der Tod, die Gnade Gottes aber das ewige Leben in Jesus Christus, unserem Herrn. 13-23: Jeder Christ bleibt sein Leben lang verpflichtet, die Sünde zu meiden, deren Knecht er einst war. Er gehört ganz Christus zu eigen. Streben nach Heiligkeit ist nicht nur Sache einzelner, sondern aller Erlösten. Ewiges Leben ist der lockende Preis.

 

7 Die Befreiung vom Dienst des Gesetzes. Oder wisset ihr nicht, Brüder, ich rede zu solchen, die das Gesetz kennen, daß das Gesetz über den Menschen herrscht, solange er lebt? Denn ein Weib, das unter einem Manne steht, ist an das Gesetz gebunden, solange der Mann lebt; ist aber der Mann gestorben, so ist sie vom Gesetze des Mannes befreit. Darum wird sie, wenn sie zu Lebzeiten ihres Mannes mit einem andern Manne zusammenlebt, Ehebrecherin genannt; ist aber ihr Mann gestorben, so ist sie befreit vom Gesetze des Mannes, so daß sie nicht Ehebrecherin ist, wenn sie mit einem anderen Manne lebt. Somit seid auch ihr, Brüder, dem Gesetze gegenüber tot durch den Leib Christi, um einem andern anzugehören, dem, der von den Toten erstanden ist, damit wir Frucht bringen für Gott. Denn da wir im Fleische waren, da waren die sündhaften Leidenschaften infolge des Gesetzes wirksam in unseren Gliedern, so daß sie Frucht brachten für den Tod. Jetzt aber sind wir als Gestorbene gelöst vom Gesetze, in dem wir festgehalten wurden, so daß wir dienen im neuen Geiste und nicht mehr nach alten Buchstaben. 1-6: Die gänzliche Hingabe an Christus ist keine Untreue gegen den früheren Herrn, das Gesetz. Denn das mystische Sterben mit Christus in der Taufe hat uns frei gemacht, wie eine Frau durch den Tod ihres Mannes frei wird für eine neue Ehe. Der Vergleich setzt die Unauflöslichkeit der Ehe zu Lebzeiten beider Gatten als selbstverständlich voraus.

 

Gesetz und Begierlichkeit. Was werden wir also sagen? Ist das Gesetz Sünde? Das sei ferne! Aber ich habe die Sünde nur kennengelernt durch das Gesetz. Ich hätte von der Lust nichts gewußt, wenn nicht das Gesetz sagte: Du sollst nicht begehren. Es nahm aber die Sünde vom Gebot Anlaß und wirkte in mir jegliche Lust; denn ohne Gesetz war die Sünde tot. Ich aber lebte einmal ohne Gesetz; als aber das Gebot gekommen war, lebte die Sünde auf. 10 Ich dagegen starb. Das Gebot, welches zum Leben verhelfen sollte, gereichte mir in Wirklichkeit zum Tode. 11 Denn die Sünde, welche durch das Gebot veranlaßt wurde, verführte mich und tötete mich durch dasselbe. 12 So ist zwar das Gesetz heilig und das Gebot heilig, gerecht und gut. 13 Ist also das Gute mir Ursache des Todes geworden? Ferne sei dies! Aber die Sünde, um offenbar zu werden als Sünde, brachte mir durch das Gute den Tod, damit die Sünde durch das Gebot über die Maßen sündhaft werde. 7-13: Das Gesetz als solches ist keineswegs böse. Wenn aber mit den Unterscheidungssjahren die böse Begierlichkeit erwacht, reizt das Gesetz mit seinen Geboten und Verboten zur Sünde. Es nötigt nicht zur Sünde, aber es wird Anlaß zur Sünde. Gott ließ das zu, obgleich er es voraussah, weil auf diese Weise die unheimliche Macht des Bösen den Menschen zum Bewußtsein kam. Nie hätte das Gesetz allein die Rettung bringen können.

 

Zwiespalt zwischen Geist und Fleisch. 14 Wir wissen, daß das Gesetz geistig ist; ich aber bin fleischlich, verkauft an die Sünde. 15 Was ich wirke, kenne ich nicht, tue ich doch nicht das, was ich will, [das Gute,] sondern ich tue [das Böse], das ich hasse. 16 Wenn ich aber das tue, was ich nicht will, so stimme ich dem Gesetze bei, daß es gut sei. 17 Dann aber bin nicht mehr ich der Täter, sondern die in mir wohnende Sünde. 18 Ich weiß, daß in mir, das ist in meinem Fleische, nichts Gutes wohnt. Denn das Wollen liegt mir nahe, aber das Vollbringen des Guten nicht. 19 Ich tue ja nicht das Gute, das ich will, sondern das Böse, das ich nicht will, das tue ich. 20 Wenn ich aber tue, was ich nicht will, so wirke nicht ich es, sondern die in mir wohnende Sünde. 21 Ich finde also, indem ich das Gute tun will, das Gesetz in mir, daß mir das Böse anklebt. 22 Ich freue mich am Gesetze Gottes nach dem inneren Menschen. 23 Aber ich sehe ein anderes Gesetz in meinen Gliedern, das dem Gesetze meines Geistes widerstreitet und mich gefangenhält unter dem Gesetze der Sünde, das in meinen Gliedern ist. 24 O ich unglückseliger Mensch, wer wird mich befreien von diesem todbringenden Leiden? 25 Dank sei Gott durch Jesus Christus, unsern Herrn! Somit diene ich selber mit dem Geiste dem Gesetze Gottes, mit dem Fleische aber dem Gesetze der Sünde. 14-25: Ergreifend schildert der Apostel die sittliche Not des noch unerlösten, dem Gesetz verpflichteten, aber noch nicht durch die Gnade gestärkten Menschen. Paulus hat ja ähnliches an sich erfahren vor seiner Bekehrung. Also nicht der Christusjünger Paulus ist unter dem „Ich“ zu verstehen, sondern der Unbekehrte, der vom Gesetz das Heil vergeblich erwartete. Wie oft endet der Titanenstolz der „Übermenschen“ im gleichen Elend.

 

8 Das Glück des Gnadenstandes. Freiheit von Sünde und Tod. Demnach gibt es keine Verdammnis mehr für diejenigen, die in Christus Jesus sind [und nicht nach dem Fleische wandeln]. Denn das Gesetz des lebendigmachenden Geistes in Christus Jesus hat mich vom Gesetz der Sünde und des Todes befreit. Was dem Gesetze unmöglich war, weil es durch das Fleisch geschwächt ward, [das hat Gott bewirkt]. Er sandte seinen Sohn, der uns ähnlich wurde durch das sündhafte Fleisch und wegen der Sünde, und er verdammte in seinem Fleische die Sünde.So sollte die Satzung des Gesetzes erfüllt werden in uns, die wir nicht nach dem Fleische wandeln, sondern nach dem Geiste. 1-4: In jubelnder Begeisterung stellt der Apostel dem Bilde des jammervollen Sündenknechtes das Bild des durch Christus erlösten und zur Freiheit erhobenen Menschen gegenüber. Denn die nach dem Fleische leben, sinnen auf das, was des Fleisches ist; die aber nach dem Geiste leben, sinnen auf das, was des Geistes ist. Das Sinnen des Fleisches ist Tod, das Sinnen des Geistes aber Leben und Friede. Das Sinnen des Fleisches ist feindlich wider Gott, da es dem Gesetze Gottes sich nicht unterwirft und dies auch nicht vermag. Die dem Fleische leben, können Gott nicht gefallen. Ihr aber lebt nicht dem Fleische, sondern im Geiste, wenn anders Gottes Geist in euch wohnt. Wenn aber jemand den Geist Christi nicht hat, gehört er ihm nicht an. 10 Ist dagegen Christus in euch, so ist der Leib zwar dem Tode verfallen wegen der Sünde, der Geist aber lebt wegen der Rechtfertigung. 5-10: Christen sind Geistesmenschen. Wer den Sinn eines wahrhaft positiven Christentums erfassen will, findet hier den besten Aufschluß.

 

Das ewige Leben des Leibes und der Seele. 11 Wenn der Geist dessen, der Jesus von den Toten erweckt hat, in euch wohnt, so wird der, welcher Christus Jesus von den Toten erweckt hat, auch eure sterblichen Leiber beleben durch seinen Geist, der in euch wohnt. 12 Darum, Brüder, sind wir Schuldner nicht dem Fleische, um nach dem Fleische zu leben. 13 Wenn ihr nach dem Fleische lebt, werdet ihr sterben, wenn ihr aber durch den Geist die Regungen des Fleisches ertötet, werdet ihr leben. 14 Alle, die sich vom Geiste Gottes leiten lassen, sind Kinder Gottes. 15 Ihr habt ja nicht wieder empfangen den Geist der Knechtschaft, damit ihr euch wieder fürchten müßtet, sondern ihr habt den Geist der Kindschaft empfangen, in dem wir rufen: Abba, Vater! (2 Tim 1,7; Gal 4,5. 6.) 16 Der Geist selbst gibt Zeugnis zusammen mit unserm Geist, daß wir Kinder Gottes sind. 17 Wenn aber Kinder, so auch Erben: Erben Gottes und Miterben Christi, wenn wir nämlich mit ihm leiden, um mit ihm auch verherrlicht zu werden. 11-17: Wer dem Christentum vorwirft, es zerbreche den aufrechten Charakter und erzeuge knechtische Gesinnung, kann hier lernen, daß genau das Gegenteil zutrifft. 18 Ich halte dafür, daß die Leiden dieser Zeit nicht zu vergleichen sind mit der künftigen Herrlichkeit, die an uns wird offenbar werden. 19 Denn das Harren der Schöpfung ist ein Harren auf die Offenbarung der Kinder Gottes. 20 Denn der Vergänglichkeit ist die Schöpfung unterworfen, nicht freiwillig, sondern um dessentwillen, der sie unterworfen hat in der Hoffnung, 21 daß auch die Schöpfung selbst befreit wird von der Knechtschaft der Vergänglichkeit zur herrlichen Freiheit der Kinder Gottes. 22 Wir wissen, daß die ganze Schöpfung mitseufzt und in Wehen liegt bis jetzt; 23 aber nicht nur sie, sondern auch wir selbst, die wir den Geist als Erstlingsgabe besitzen, seufzen in unserem Innern und erwarten, daß wir zu Kindern Gottes angenommen und unser Leib erlöst werde. 24 Durch Hoffnung sind wir ja gerettet worden. Die Hoffnung aber, welche man sieht, ist keine Hoffnung; denn wie kann einer hoffen, was er schon erfüllt sieht. 25 Wenn wir aber hoffen auf das, was wir nicht sehen, so erwarten wir es mit Geduld. 26 Ebenso kommt auch der Geist unserer Schwachheit zu Hilfe; denn um was wir bitten sollen, wie es sich gehört, wissen wir nicht, sondern der Geist selbst tritt dafür ein mit unaussprechlichen Seufzern. 27 Der aber die Herzen erforscht, weiß, was der Geist begehrt; denn in Übereinstimmung mit Gott begehrt er für den Heiligen. 26-27: Ein trostvoller Gedanke für alle, die darunter leiden, daß sie nicht besser beten können! Gottes Geist betet mit ihnen und für sie wie die Mutter für ihr stammelndes Kind. 28 Wir wissen aber, daß denjenigen, die Gott lieben, alle Dinge zum Besten dienen, denen, die nach der Vorherbestimmung [zu Heiligen] berufen sind. 28: Für den, der Gott liebt, gibt es nur ein einziges Unglück: die Sünde. 29 Denn die er vorher erkannte, hat er auch vorherbestimmt, dem Bild seines Sohnes gleichförmig zu werden, damit er der Erstgeborene sei unter vielen Brüdern. 30 Die er aber vorherbestimmt hat, die hat er auch berufen, und die er berufen hat, die hat er auch gerechtfertigt, die er aber gerechtfertigt hat, die hat er auch verherrlicht. 29-30: Gottes Ruf und des Menschen Antwort, Gnadengeschenk des Himmels und freies Mittun des Geschöpfes wirken zusammen. Wir müssen Christus gleichförmig werden, sonst sind wir keine Christen. 18-30: Das neue Leben ist Gegenwart und Zukunft zugleich. Sogar die leblose Natur ist infolge des Sündenfalles in diesen Prozeß hineingezogen und läßt in ihrem schmerzlichen Harren die Größe der künftigen Herrlichkeit ahnen.

 

Heilsgewißheit. 31 Was werden wir nun dazu sagen? Wenn Gott für uns ist, wer ist wider uns? 32 Er, der ja seines eigenen Sohnes nicht schonte, sondern für uns alle ihn hingegeben hat, wie sollte er uns mit ihm nicht alles schenken. 33 Wer wird Anklage erheben gegen die Erwählten Gottes? Gott? Nein! denn er ist es, der rechtfertigt. 34 Wer wird verdammen? Christus Jesus? Nein! denn er ist es, der gestorben, aber auch wieder erstanden ist, der zur Rechten Gottes ist, der auch Fürsprache einlegt für uns. 35 Wer also wird uns scheiden von der Liebe Christi? Trübsal oder Angst oder Verfolgung oder Hunger oder Blöße oder Gefahr oder Schwert? 36 Es steht ja geschrieben: Um deinetwillen werden wir getötet den ganzen Tag, werden geachtet wie Schlachtschafe (Ps 44,23). 37 Aber in all dem überwinden wir durch ihn, der uns geliebt hat. 38 Denn ich bin gewiß: Weder Tod noch Leben, noch Engel, noch Gewalten, weder Gegenwärtiges noch Zukünftiges, noch Mächte, 39 weder Höhe noch Tiefe, noch ein anderes Geschöpf vermag uns zu trennen von der Liebe Gottes, welche ist in Christus Jesus, unserm Herrn. 31-39: Voll von kämpferischem Geist und siegesgewissem Gottvertrauen ruft der Apostel alle Feinde des Heils in die Schranken. Gott wird das Werk seiner Liebe an uns nicht unvollendet lassen.

 

Die Verwerfung der Juden und der Heilsplan Gottes

9 Schmerz des Apostels über die Verwerfung. Ich sage die Wahrheit in Christus, ich lüge nicht, da mir mein Gewissen es mitbezeugt im Heiligen Geiste, daß ich großen Kummer und beständigen Schmerz in meinem Herzen trage. Gerne möchte ich gebannt und vom Messias getrennt sein für meine Brüder, meine Stammesgenossen dem Fleische nach. Sind sie doch Israeliten, denen die Gotteskindschaft zuteil geworden ist und die Herrlichkeit und der Bund und die Gesetzgebung und der Gottesdienst und die Verheißung. Ihnen gehören die Väter an, und aus ihnen stammt dem Fleische nach der Messias, der Gott ist, über allem, hochgelobt in Ewigkeit. Amen

 

Nicht jedoch, als ob das Wort Gottes hinfällig geworden wäre. Denn nicht alle, die aus Israel sind, sind Israeliten. Noch sind alle Kinder, welche Nachkommen Abrahams sind, sondern (es heißt): Nach Isaak soll dir die Nachkommenschaft genannt werden (1 Mos 21,12). Das heißt: Nicht jene, die nur der Abstammung nach Kinder sind, zählen zu den Kindern Gottes, sondern die Kinder der Verheißung werden als Nachkommen angesehen. Das Wort der Verheißung nämlich lautet so: Um diese Zeit werde ich kommen, und Sara wird einen Sohn haben. 10 Aber nicht nur diese, sondern auch Rebekka, welche von einem, nämlich unserem Stammvater Isaak, empfangen hatte. 11 Ehe sie geboren waren oder etwas Gutes oder Böses getan hatten — damit der Ratschluß Gottes aus freier Wahl bestünde —,12 ward ihr nicht um der Werke willen, sondern nach dem Willen des Berufenden gesagt: Der Ältere wird dem Jüngeren dienen, 13 wie geschrieben steht: Jakob habe ich geliebt, den Esau aber gehaßt (Mal 1,2). 1-11, 36: Von der frohen Heilsgewißheit der Erlösten geht der Apostel, der sein Volk innig liebt, über zur Betrachtung der Verwerfung der Juden. Wie läßt sich ihr Schicksal mit Gottes Treue und Barmherzigkeit vereinen? Der Erörterung dieser schwierigen Frage sind die drei Kapitel 9-11 gewidmet. 6-12: Gott ist seinen Verheißungen nicht untreu geworden, denn sie waren, wie die Geschichte der Patriarchen beweist, von vornherein nicht ausschließlich an die leibliche Abstammung von Abraham geknüpft. 13: Mit bloß menschlichem Auge betrachtet, sieht die Auserwählung und Verwerfung wie Liebe oder Haß aus.

 

Freiheit Gottes in der Gnadenwahl. 14 Was also werden wir sagen? Ist etwa Ungerechtigkeit bei Gott? Nimmermehr! 15 Denn zu Moses sagte er: Ich erbarme mich, wessen ich mich erbarmen will, und erzeige Barmherzigkeit, wem ich Barmherzigkeit erzeigen will. 16 Demnach kommt es nicht auf das Wollen an noch auf das Laufen, sondern auf Gottes Erbarmen. 17 Denn es spricht die Schrift zu Pharao: Eben dazu habe ich dich erweckt, um an dir meine Kraft zu zeigen, damit mein Name auf der ganzen Erde verkündet werde (2 Mos 9,16). 18 Also erbarmt er sich, wessen er will, und verhärtet, wen er will. 19 Du sagst mir nun: Warum tadelt er dann noch? Wer widerstehet seinem Willen? 20 O Mensch, wer bist du, daß du mit Gott rechten willst? Spricht etwa das Gebilde zu seinem Bildner: Warum hast du mich so gemacht? 21 Hat der Töpfer nicht Macht über den Ton, aus derselben Masse ein kostbares Prunkgefäß oder ein minderwertiges Gefäß zu machen? 22 Wenn nun Gott, weil er seinen Zorn zeigen und seine Macht kundtun wollte, die Gefäße des Zornes, die zur Verdammnis bestimmt waren, in großer Geduld ertrug, 23 um den Reichtum seiner Herrlichkeit an den Gefäßen der Barmherzigkeit zu zeigen, die er zur Herrlichkeit vorbereitet hat, (was wagst du dawider zu sagen)?

 

Das neue Gottesvolk. 24 Zu solchen hat er auch uns berufen, nicht nur aus den Juden, sondern auch aus den Heiden. 16-24: Es steht nicht bloß bei dem Menschen, die Gnade und Barmherzigkeit Gottes zu erlangen, sondern es steht in erster Linie bei Gott selbst. Nicht unser eigenes Wollen ist Grund unserer Begnadigung; freilich, ohne daß der Mensch will und strebt, begnadigt ihn Gott auch nicht. Wenn nun der Mensch die Gnade nicht will, so kann ihn Gott auch diesem bösen Willen überlassen, oder wie V. 18 dies ausdrückt: den Menschen verhärten. Nie hat ein Mensch das Recht, Gott, seinen Schöpfer, zur Rechenschaft zu ziehen oder sich über ihn zu beklagen. 25 So sagt er auch bei Osee: Ich werde das mein Volk nennen, welches nicht mein Volk ist, und die Nichtgeliebte Geliebte heißen [und Begnadigte, die keine Begnadigte ist] (Os 2,24). 26 Und an der Stätte, wo man zu ihnen sagte: Nicht mein Volk seid ihr, werden sie Kinder des lebendigen Gottes genannt werden (Os 1,10). 27 Isaias ruft über Israel: Wenn auch die Zahl der Kinder Israels dem Sand am Meere gleich wäre, so wird doch nur der Rest gerettet werden. 28 Denn der Herr erfüllt sein Wort und beschleunigt es auf Erden [in der Gerechtigkeit; ja schnell wird der Herr sein Wort ausführen] (Is 10,22). 29 Und wie Isaias vorhergesagt hat: Hätte der Herr der Heerscharen uns nicht einen Samen übriggelassen, so wären wir geworden wie Sodoma, und Gomorrha würden wir gleichen (Is 1,9). 25-29: Die Annahme der Heiden an Kindes Statt nach Verwerfung der halsstarrigen Israeliten, aber auch die Erhaltung eines Restes in Israel hat Gott schon durch die Propheten vorausverkündet.

 

Die Schuld des ungläubigen Israel. 30 Was werden wir nun sagen? Daß die Heiden, die nicht nach der Gerechtigkeit strebten, Gerechtigkeit erlangt haben, aber die Gerechtigkeit aus dem Glauben. 31 Israel aber, das nach der Gesetzesgerechtigkeit strebte, ist zum Gesetze [der Gerechtigkeit] nicht gelangt. 32 Warum? Weil es nicht durch den Glauben, sondern durch die Werke darnach strebte; sie stießen sich an dem Steine des Anstoßes, 33 wie geschrieben steht: Siehe, ich setze in Sion einen Stein des Anstoßes und einen Felsen des Ärgernisses, und jeder, der auf ihn sein Vertrauen setzt, wird nicht zuschanden werden (Is 8,14; 28,16; 1 Petr 2,6). 30-33: Israel ist selber schuld daran, daß es nicht zum Heil gelangte, weil es nicht demütig den Weg des Glaubens gehen wollte.

 

10 Unglaube und Werkheiligkeit der Juden. Brüder! Ihre Rettung ist der Wunsch meines Herzens und der Gegenstand meines Gebetes für sie. Denn ich gebe ihnen das Zeugnis, daß sie Eifer für Gott haben, aber nicht die rechte Einsicht. Da sie die Gerechtigkeit Gottes nicht erkennen und ihre eigene geltend machen wollen, so unterwerfen sie sich nicht der Gerechtigkeit Gottes. Denn Endziel des Gesetzes ist Christus, zur Gerechtigkeit für jeden, der glaubt. Moses schreibt ja von der Gerechtigkeit, die vom Gesetze kommt: Wer sie übt, der wird in ihr leben (3 Mos 18,5). Die Gerechtigkeit aber, die aus dem Glauben kommt, spricht also: Sage nicht in deinem Herzen: Wer steigt zum Himmel auf? das ist, um Christus herabzuholen (5 Mos 30,12). Oder: Wer wird hinabsteigen in den Abgrund? um nämlich Christus von den Toten heraufzuholen, sondern, was sagt die Schrift? Nahe ist dir das Wort, in deinem Munde und in deinem Herzen, das Wort des Glaubens nämlich, das wir verkünden (5 Mos 30,14). Wenn du mit deinem Munde den Herrn Jesus bekennst und in deinem Herzen glaubst, daß Gott ihn von den Toten erweckt hat, so wirst du selig werden. 10 Denn mit dem Herzen glaubt man zur Gerechtigkeit, mit dem Munde aber geschieht das Bekenntnis zum Heile. 11 Die Schrift sagt ja: Jeder, der glaubt an ihn, wird nicht zuschanden werden (Is 28,16). 12 Denn es ist kein Unterschied zwischen Juden und Griechen, einer und derselbe ist ja der Herr aller, reich für alle, die ihn anrufen. 13 Ein jeder, der den Namen des Herrn anruft, wird selig werden (Joel 2,32). 14 Doch wie sollen sie den anrufen, an den sie nicht glauben? Oder wie werden sie an den glauben, von dem sie nicht gehört haben? Wie aber werden sie hören ohne Prediger? 15 Wie kann man aber predigen, wenn man nicht gesandt ist? Steht doch geschrieben: Wie schön sind die Schritte derer, die Frieden verkünden, die frohe Botschaft vom Guten bringen! (Is 52,7). 1-15: An Eifer fehlte es den Juden nicht, aber es war nur blinder Eifer. Der Mensch hat nicht selber zu bestimmen, wie er zu Gott gelangt. In seiner Liebe hat Gott es uns leicht gemacht, ihn zu finden. Er hat Christus zum Mittler bestimmt. Der Glaube an Christus ist die unerläßliche Bedingung des Heils. Mit Wort und Tat muß dieser Glaube bekannt werden.

 

Unentschuldbarkeit der ungläubigen Juden. 16 Aber nicht alle gehorchten der Heilsbotschaft; denn Isaias sagt: Herr, wer glaubte unserer Predigt? (Is 53,1.) 17 Also kommt der Glaube aus dem Hören, das Hören aber durch das Wort Christi. 18 Ich frage nun: Haben sie etwa nicht gehört? Und doch ist über die ganze Erde ihr Schall ergangen und bis an die Grenzen des Erdkreises ihr Wort. 19 Und ich frage: Hat Israel es nicht verstanden? Schon Moses sagt: Zur Eifersucht will ich euch zwingen gegen ein Nichtvolk, gegen ein unverständiges Volk will ich euch zum Zorne reizen (5 Mos 32,21). 20 Ja, Isaias erkühnt sich und sagt: Von denen, die mich nicht suchten, bin ich gefunden worden, und denen, die nach mir nicht fragten, ward ich offenbar. 21 Zu Israel aber spricht er: Den ganzen Tag breite ich meine Hände aus nach einem ungehorsamen und widerspenstigen Volk (Is 65, 1,2). 16-21: Niemand kann sich mit Unkenntnis der Heilsbedingungen entschuldigen. Aber wer nicht hören will, wenn Gott die Wahrheit überall verkünden läßt, darf sich nicht wundern, wenn andere der Gnade teilhaftig werden, die ihm angeboten war.

 

11 Israel ist nicht gänzlich verworfen. Ich frage nun: Hat Gott etwa sein Volk verworfen? Nimmermehr! Denn auch ich bin ein Israelite, ein Nachkomme Abrahams vom Stamme Benjamin. Der Herr hat sein Volk nicht verworfen, das er vorher erkoren hat. Oder wisset ihr nicht, was die Schrift in der Eliasgeschichte sagt, wie er sich bei Gott beklagt gegen Israel? Herr, deine Propheten haben sie getötet, deine Altare verwüstet, ich allein bin übrig, und sie streben mir nach dem Leben (3 Kg 19,18). Aber was sagt ihm die göttliche Antwort? Ich habe mir übrigbehalten siebentausend Männer, welche ihre Knie nicht gebeugt haben vor Baal. So ist auch in dieser Zeit ein Rest, den die Gnade sich auserwählt hat, vorhanden. Ist es aber Gnade, so geschah es nicht für Werke, sonst ist die Gnade nicht mehr Gnade. Wie nun? Was Israel anstrebte, das hat es nicht erreicht. Die Auserwählten haben es erreicht, die übrigen aber sind verstockt worden. Wie geschrieben steht: Gott hat ihnen einen Geist der Betäubung gegeben: Augen, damit sie nicht sehen, Ohren, damit sie nicht hören, bis auf den heutigen Tag (Is 6,10). Und David sagt: Ihr Tisch werde ihnen zum Fallstrick, zum Fange, zum Anstoß und zur Vergeltung. 10 Ihre Augen sollen finster werden, daß sie nicht sehen, und den Rücken beuge ihnen allezeit (Ps 69, 23. 24). 1-10: Trotz allem hat der gütige Gott sein Volk nicht ganz verworfen. Paulus selber ist ein Beweis dafür. Die große Masse geht durch eigene Schuld ins Verderben: aber eine kleine Gruppe bleibt treu. Das Geheimnis der Minderheiten in der Verwirklichung der göttlichen Absichten wiederholt sich immer wieder in der Heilsgeschichte der Menschheit.

 

Berufung der Heiden wird Ansporn für Israel. 11 Ich frage nun: Strauchelten sie so, daß sie für immer fielen? Nimmermehr! Durch ihre Sünde ist das Heil zu den Heiden gekommen, um sie eifersüchtig auf diese zu machen. 12 Wenn aber ihre Sünde für die Welt Reichtum bedeutet und ihre Minderung für die Heiden Reichtum, um wie viel mehr ihre Fülle? 13 Euch Heiden aber sage ich: Solange ich Heidenapostel bin, werde ich meinem Amte Ehre machen; 14 vielleicht könnte ich doch meine Volksgenossen zur Nacheiferung anregen und einige aus ihnen retten. 15 Denn wenn ihre Verwerfung die Versöhnung der Welt bedeutet, was wird ihre Wiederaufnahme anders sein als Leben aus den Toten? 16 Ist die Erstlingsgabe gottgeweiht, so ist es auch die Masse des Opferbrotes; und ist gottgeweiht die Wurzel, so sind es auch die Zweige. 11-16: Gott straft als Vater, schneidet als Arzt. In wunderbarer Wechselwirkung läßt er die Juden fallen und begnadet die Heiden, damit das Glück der Heiden den Juden endlich die Augen öffne und sie nun in heiliger Eifersucht nach den Gütern greifen, die sie ehedem verachteten. 17 Wenn nun einige Zweige abgebrochen sind und du als wilder Ölzweig zwischen ihnen eingepfropft, an der Wurzel und an der Saftfülle des edlen Ölbaums Anteil hast, 18 so erhebe dich nicht über die Zweige. Erhebst du dich aber, so bedenke: Nicht du trägst die Wurzel, sondern die Wurzel dich. 19 Du wirst sagen: Die Zweige wurden ausgebrochen, damit ich eingepfropft würde. 20 Wohl! Wegen des Unglaubens sind sie ausgebrochen worden; du aber stehst durch den Glauben. Sei nicht hoffärtig, sondern fürchte! 21 Wenn nämlich Gott der natürlichen Zweige nicht schonte, könnte er auch deiner nicht schonen. 22 Sieh also die Güte und Strenge Gottes; die Strenge gegen Gefallene, die Güte Gottes gegen dich, wenn du im Guten verharrst; sonst wirst auch du ausgehauen werden. 23 Aber auch jene, wenn sie nicht im Unglauben verharren, werden eingepfropft werden. Gott hat die Macht, sie wieder einzupfropfen. 24 Wenn du aus dem Ölbaum, der von Natur aus wild ist, ausgehauen und gegen die Natur in den edlen Ölbaum eingepfropft wurdest, um wie viel mehr werden jene, die ihm der Natur nach angehören, in ihrem Ölbaum eingepfropft werden? 17-24: Auserwähltenstolz wäre bei den bekehrten Heiden übel angebracht. Israel bleibt der edle Ölbaum, wenn auch manche Zweige abgebrochen sind. Aus dieser Wurzel wuchs das Christentum. Die Heiden, ehedem Wildlinge; sind aus Gnade dem edlen Baum aufgepfropft worden. „Gegen die Natur“ geschah das (24), da sonst ein edler Zweig auf einen wilden Stamm aufgepfropft wird. Darum ziemt dem Heidenchristen demütige Dankbarkeit für das Wunder der Erwählung.

 

Schließliche Bekehrung Israels. 25 Ich will euch, Brüder, nicht im unklaren lassen über folgendes Geheimnis, damit ihr euch nicht für weise haltet: Die Verstocktheit eines Teils der Israeliten dauert so lange, bis die Vollzahl der Heiden eingetreten ist. 26 Alsdann wird ganz Israel gerettet werden, wie geschrieben steht: Aus Sion wird der Retter kommen, der die Gottlosigkeit abwendet von Jakob. 27 Dies ist mein Bund mit ihnen, wenn ich ihre Sünden wegnehmen werde (Is 59,20). 28 Hinsichtlich der Heilsbotschaft sind sie zwar Feinde, um euretwillen, aber hinsichtlich der Erwählung sind sie Lieblinge um der Väter willen. 29 Denn Gottes Gaben und Berufung sind unwiderruflich. 30 So wie einstmals auch ihr Gott nicht gehorcht habt, jetzt aber Barmherzigkeit erlangt habt um ihres Unglaubens willen, 31 so haben auch diese jetzt nicht gehorcht zu eurer Begnadigung, damit auch sie Barmherzigkeit erlangen; 32 Gott hat alle zusammen in den Ungehorsam fallen lassen, damit er aller sich erbarme. 25-32: Einst wird auch für Israel die Gnadenstunde schlagen. Die Kirche betet am Karfreitag in ergreifenden Worten, daß sie bald schlagen möge.

 

33 O Tiefe des Reichtums, der Weisheit und der Erkenntnis Gottes; wie unbegreiflich sind seine Gerichte und wie unerforschlich seine Wege! 34 Wer hat den Sinn des Herrn erkannt, oder wer ist sein Ratgeber gewesen? 35 Oder wer hat ihm zuerst etwas geschenkt, daß ihm vergolten würde? 36 Denn aus ihm und durch ihn und für ihn ist alles; ihm sei Ehre in Ewigkeit. Amen 33-36: Das alles ist so wunderbar, daß der Apostel tiefbewegt einen Hymnus auf die göttliche Vorsehung anstimmt.

 

Mahnung zu gottgefälligem Leben

 

Mahnungen allgemeiner Art

12 Demut. So ermahne ich euch denn, Brüder, bei dem Erbarmen Gottes, daß ihr euren Leib darbringt als ein lebendiges, heiliges, Gott wohlgefälliges Opfer, als euren geistigen Gottesdienst. Und machet euch nicht dieser Welt gleichförmig, sondern wandelt euch um durch Erneuerung eures Sinnes, daß ihr prüfet, was der Wille Gottes, was gut, wohlgefällig und vollkommen sei. 2: Zwischen Christentum und Weltgeist besteht allzeit ein unversöhnlicher Gegensatz. Wer es mit der Welt nicht verderben will, wird sicher Christus untreu werden. Vgl. Jo 15,18-21. Vermöge der mir verliehenen Gnade mahne ich euch alle, nicht höher zu denken, als sich geziemt, sondern bescheiden von sich zu denken, so wie einem jeden Gott das Maß des Glaubens zugeteilt hat. Denn gleichwie wir an einem Leibe viele Glieder haben, aber nicht alle Glieder dieselbe Verrichtung haben, so sind wir viele ein Leib in Christus, einzeln aber untereinander Glieder. Wir haben aber Gaben, die nach der uns verliehenen Gnade verschieden sind. Ist es die Gabe der Prophetie, übt sie aus in Übereinstimmung mit dem Glauben. Oder jemand hat ein Kirchenamt, der sei tätig in dem Amte, wer ein Lehramt hat, der sei tätig in der Belehrung. Wer die Gabe des Ermahnens hat, der sei tätig in der Ermahnung; wer gibt, der gebe in Einfalt, wer Vorsteher ist, tue es mit Sorgfalt; wer Barmherzigkeit übt, tue es in Freudigkeit. 4-8: Hier denkt Paulus vor allem an Laienapostel.

 

Bruderliebe. Die Liebe sei ungeheuchelt, hasset das Böse und haltet fest am Guten! 10 Liebet einander herzlich mit brüderlicher Liebe, kommt mit Achtung einander zuvor. 11 Seid nicht träge im Eifer, seid im Geiste glühend und dient dem Herrn. 12 Seid freudig in der Hoffnung, in der Trübsal geduldig, anhaltend im Gebet. 13 Den Heiligen kommet zu Hilfe in ihren Nöten, befleißigt euch der Gastfreundschaft. 14 Segnet, die euch verfolgen; segnet und verfluchet nicht (Mt 5,44). 15 Freuet euch mit den Fröhlichen, weinet mit den Weinenden. 16 Habet einerlei Gesinnung untereinander, trachtet nicht nach hohen Dingen, sondern lasset euch herab zum Niedrigen. Haltet euch nicht selbst für klug.

 

Friedfertigkeit. 17 Niemandem vergeltet Böses mit Bösem; seid auf das Gute bedacht [nicht nur vor Gott, sondern auch] vor allen Menschen. 18 Habet womöglich, soviel an euch liegt, Frieden mit allen Menschen. 19 Rächet euch nicht selbst, Geliebteste, sondern laßt dem Zorngerichte Gottes Raum; denn es steht geschrieben: Mein ist die Rache; ich will vergelten, spricht der Herr (5 Mos 32,35). 20 Vielmehr, wenn dein Feind Hunger hat, so speise ihn, wenn ihn dürstet, so tränke ihn; denn tust du dieses, wirst du feurige Kohlen auf sein Haupt sammeln. 20: Dem Eindruck steter und selbstloser Liebe sich auf die Dauer zu entziehen, ist so schwer, wie wenn einer glühende Kohlen auf dem Haupte trüge. 21 Laß dich nicht vom Bösen überwinden, sondern überwinde das Böse durch das Gute! 9-21: Fast jeder Satz enthält ein Lebensprogramm. Alles aber ist getragen von echt christlicher Liebe.

 

Pflichten gegen die Obrigkeit

13 Jedermann unterwerfe sich der obrigkeitlichen Gewalt; denn es gibt keine Gewalt außer von Gott, die bestehenden Gewalten aber sind von Gott angeordnet. Wer also sich der Gewalt widersetzt, der widersetzt sich der Anordnung Gottes; die sich aber dieser widersetzen, ziehen sich selbst ihr Strafgericht zu. Die Obrigkeiten sind nicht ein Schrecken für die gute Tat, sondern für die böse. Willst du aber, daß die Obrigkeit für dich nicht zum Schrecken sei, so tue das Gute, und du wirst Lob haben von ihr. Denn Gottes Dienerin ist sie, dir zum Guten; tust du aber das Böse, so fürchte sie; nicht umsonst trägt sie das Schwert; sie ist ja Gottes Dienerin, Rächerin zur Bestrafung für den, der das Böse tut. Darum muß man ihr untertan sein, nicht nur um der Strafe, sondern auch um des Gewissens willen. Aus diesem Grunde entrichtet ihr auch Abgaben; denn Diener Gottes sind jene, die gerade diesem Amte obliegen. Gebet also jedem, was ihr schuldig seid: Steuer, wem Steuer, Zoll, wem Zoll, Ehrfurcht, wem Ehrfurcht, Ehre, wem Ehre gebührt. 1-7: Es verdient Beachtung, daß Paulus diese Mahnungen niederschrieb, als Nero Kaiser des römischen Weltreiches war.

 

Liebe, Erfüllung des Gesetzes. Bleibt niemand etwas schuldig, außer, daß ihr einander liebet; denn wer den Nächsten liebt, hat das Gesetz erfüllt. Denn die Gebote: Du sollst nicht ehebrechen, du sollst nicht töten; du sollst nicht stehlen; [du sollst kein falsches Zeugnis geben;] du sollst nicht begehren, und jedes andere Gebot ist enthalten in dieser Vorschrift: Deinen Nächsten sollst du lieben wie dich selbst. 10 Die Liebe tut dem Nächsten nichts Böses an. Erfüllung des Gesetzes also ist die Liebe.

 

Wandel im Licht. 11 Und dies sollt ihr tun, weil ihr die Zeit versteht; die Stunde ist ja da, wo ihr vom Schlafe euch erheben sollt. Denn jetzt ist unser Heil näher, als da wir gläubig wurden. 12 Die Nacht ist vorgeschritten, und der Tag hat sich genaht. Laßt uns also ablegen die Werke der Finsternis und anlegen die Waffen des Lichtes. 13 Wie am Tage laßt uns ehrbar wandeln, nicht in Schmausereien und Trinkgelagen, nicht in Ausschweifung und Unzucht, nicht in Streit und Eifersucht. 14 Ziehet vielmehr den Herrn Jesus Christus an und pfleget den Leib nicht so, daß dessen Begierden geweckt werden. 11-14: Auch wer das alles treu befolgt, kann es erleben, daß ihn die Feinde des Lichtes Christi zu den Finsterlingen und Dunkelmännern zählen, sich selber aber für „aufgeklärt“ halten.

 

Pflichten gegenüber den Schwachen

14 Ermahnung zur Geduld mit den Schwachen. Des Schwachen im Glauben nehmt euch an, ohne euch über Meinungen zu zanken. Der eine glaubt, alles essen zu dürfen; wer aber schwach ist, der ißt Gemüse. Wer ißt, verachte nicht den, der nicht ißt, und wer nicht ißt, soll den, der ißt, nicht verurteilen; denn Gott hat ihn angenommen. Wer bist du, der du einen fremden Knecht richtest? Seinem Herrn steht oder fällt er; er wird aber stehen, denn der Herr hat die Macht, ihn aufrecht zu halten. Der eine macht einen Unterschied zwischen den Tagen, der andere beurteilt jeden Tag gleich, jeder soll nach seiner festen Überzeugung handeln. Wer den Tag beobachtet, beobachet ihn für den Herrn; wer ißt, der ißt um des Herrn willen; denn er dankt Gott; und wer nicht ißt, der ißt nicht um des Herrn willen und dankt Gott. Niemand von uns lebt ja für sich selbst, und niemand stirbt für sich selbst. Leben wir, so leben wir für den Herrn, sterben wir, so sterben wir für den Herrn. Ob wir also leben oder sterben: wir gehören dem Herrn. Dazu nämlich ist Christus gestorben und ins Leben zurückgekehrt, damit er über die Toten und Lebendigen herrsche. 10 Du aber, was richtest du deinen Bruder? Oder was verachtest du deinen Bruder? Wir alle werden stehen vor dem Richterstuhle Christi. 11 Es steht ja geschrieben: So wahr ich lebe, spricht der Herr, vor mir werden sich alle Knie beugen, und jede Zunge wird Gott bekennen (Is 45,23. 24). 12 Demnach wird ier von uns Gott über sich Rechenschaft geben. 13 Darum wollen wir nicht mehr uns gegenseitig richten, sondern das sei vielmehr euer Gedanke, daß ihr keinem Bruder Anstoß oder Ärgernis gebet. 14 Ich weiß es und bin überzeugt im Herrn Jesus, daß nichts an sich unrein ist; nur dem, welcher es für unrein hält, ist es unrein. 15 Wenn aber dein Bruder wegen einer Speise betrübt wird, so wandelst du nicht mehr nach der Liebe. Richte nicht durch eine Speise jenen zugrunde, für welchen Christus gestorben ist. 16 Laßt also euer Gut nicht zum Gespött werden. 17 Denn das Reich Gottes ist nicht Speise und Trank, sondern Gerechtigkeit, Friede und Freude im Heiligen Geiste. 18 Wer in diesen Dingen Christus dient, ist Gott wohlgefällig und vor den Menschen erprobt. 19 So wollen wir nach dem streben, was den Frieden fördert, und was der Erbauung dient, [das laßt uns untereinander beobachten]. 20 Zerstöre nicht um einer Speise willen das Werk Gottes. Alles ist, rein; aber wer durch sein Essen Ärgernis gibt, für den ist es Sünde. 21 Es ist gut, kein Fleisch zu essen, keinen Wein zu trinken, noch etwas [zu tun], woran dein Bruder sich stößt [oder sich ärgert oder schwach wird]. 22 Hast du eine Überzeugung, so habe sie für dich vor Gott; selig, wer sich selbst nicht zu verdammen hat in dem, was er für recht hält. 23 Wer aber beim Essen zweifelt, der ist verurteilt, wenn er ißt, weil er nicht aus Überzeugung handelt. Alles aber, was nicht aus Überzeugung geschieht, ist Sünde. 1-23: Es gab manche Christen, namentlich Judenchristen, die sich abmühen, manche Äußerlichkeiten streng zu beobachten. Sie hielten gewisse jüdische Feiertage, enthielten sich des Genusses von Fleisch und Wein. Sie fürchteten nämlich, Fleisch oder Wein zu erhalten, die vorher den Götzen geopfert worden waren. Solche Christen werden von Paulus hier kurz „die Schwachen“ genannt. Ihre Religion bewegt sich allzusehr in den Randgebieten, Von der Freiheit der Kinder Gottes sind sie noch weit entfernt. Sehr geschickt weiß der Apostel, Licht und Schatten zu verteilen, so daß weder die „Schwachen“ noch die „Starken“ sich verletzt fühlen können.

 

Neue Ermahnungen

15 Eintracht und Duldsamkeit. Wir Starken müssen die Gebrechen der Schwachen tragen und nicht uns selbst gefallen. Ein jeder von uns sei gefällig gegen seinen Nächsten zum Guten, zur Erbauung. Auch der Messias hat nicht sich selbst zu Gefallen gelebt, sondern wie geschrieben steht: Die Schmähungen derer, die dich schmähen, sind auf mich gefallen (Ps 69,10) 1 ff.: Ein Christ soll sich nach dem Vorbild Christi nie auf den kalten Rechtsstandpunkt stellen und alle Überheblichkeit meiden.. Denn alles, was ehedem geschrieben worden, ist zu unserer Belehrung geschrieben, damit wir durch die Geduld und den Trost aus der Schrift die Hoffnung haben. 4: In der Bibel spricht Gott selber zu uns und gibt unserer Hoffnung eine unerschütterliche Grundlage. Wenn alle von Menschen geschriebenen Bücher uns nichts mehr zu sagen hätten, am Gotteswort vermag sich unsere Seele immer wieder aufzurichten. Der Gott der Geduld und des Trostes aber verleihe euch, einer Gesinnung zu sein untereinander, nach dem Vorbild Christi Jesu, damit ihr einmütig mit einem Munde Gott, den Vater unseres Herrn Jesus Christus, verherrlichet. Darum nehme einer sich des andern an, so wie auch der Messias sich eurer angenommen hat zur Ehre Gottes. Ich sage nämlich: Christus Jesus ist ein Diener der Beschneidung geworden um der Wahrhaftigkeit Gottes willen, um die Verheißungen an die Väter zu bestätigen. Die Heiden aber verherrlichen Gott um der Barmherzigkeit willen, wie geschrieben steht: Darum will ich dich preisen, [o Herr,] unter den Völkern und deinem Namen Lob singen (Ps 18,50). 10 Und wiederum heißt es: Freuet euch, ihr Heidenvölker, mit seinem Volke (5 Mos 32,43). 11 Und weiter: Lobt den Herrn, ihr Völker alle, erhebt ihn, ihr Nationen alle (Ps 117,1). 12 Und wiederum spricht Isaias: Es wird kommen die Wurzel Jesse, und zwar er, der sich erhebt als Herrscher über die Völker; auf ihn werden die Völker hoffen (Is 11,10). 13 Der Gott der Hoffnung aber erfülle euch mit jeglicher Freude und mit Frieden durch den Glauben, damit ihr überreich seiet an Hoffnung in der Kraft des Heiligen Geistes.

 

Schluß des Briefes

Rückblick. 14 Ich bin selber meinerseits überzeugt von euch, meine Brüder, daß auch ihr voll Liebe und reich an aller Erkenntnis seid, fähig, einander zu ermahnen. 15 Ich habe euch zum Teil etwas freimütig geschrieben, jedoch in der Absicht, eure Erinnerung aufzufrischen, und zwar auf Grund der Gnade, die mir von Gott verliehen worden. 16 Ich soll Diener Christi Jesu sein bei den Heiden und den heiligen Dienst an der Frohbotschaft Gottes verrichten, damit die Opfergabe der Heiden wohlgefällig sei, geheiligt im Heiligen Geiste. 17 Und so kann ich mich rühmen in Christus Jesus, was Gott betrifft. 18 Denn ich erkühne mich nicht, von etwas zu reden, was nicht Christus durch mich gewirkt hat, um die Heiden zum Gehorsam zu führen durch Wort und Tat, 19 durch die Kraft der Zeichen und Wunder, durch die Kraft des Heiligen Geistes. So habe ich von Jerusalem an ringsum bis nach Illyrien die Verkündigung der Frohbotschaft vom Messias vollends ausgerichtet. 20 Dabei habe ich es aber als Ehrensache betrachtet, die Heilsbotschaft nicht dort zu verkünden, wo Christus schon bekannt war, um nicht auf fremdem Grunde zu bauen, 21 sondern wie geschrieben steht: Denen keine Kunde ward von ihm, die werden sehen, und die nicht hören, werden verstehen (Is 52,15).

 

Reisepläne. 22 Darum bin ich auch oft verhindert worden, zu euch zu kommen [und bin es noch immer]. 23 Da ich aber jetzt in diesen Gegenden ein Feld der Tätigkeit nicht mehr habe und schon seit vielen Jahren mich danach sehne, zu euch zu kommen, 24 so hoffe ich, wenn ich nach Spanien reise, auf der Durchreise euch zu sehen und von euch dorthin das Geleit zu empfangen, wenn ich vorher die Freude des Zusammenseins mit euch einigermaßen genossen habe. 9-24: Paulus hielt es nicht lange in der Etappe aus. In vorderster Front wollte er stets neue Eroberungen für seinen himmlischen König machen. 25 Jetzt aber reise ich nach Jerusalem, um den Heiligen zu Hilfe zu kommen. 26 Denn Mazedonien und Achaja haben beschlossen, eine Beisteuer zusammenzubringen für die Armen unter den Heiligen zu Jerusalem. 26: Vgl. 1 Kor 16,1-4, 2 Kor 8,1-9, 15. 27 Sie fanden es so für gut; sie sind aber auch deren Schuldner; denn wenn die Heiden Anteil erhalten haben an ihren geistigen Gütern, so sind sie schuldig, ihnen mit den irdischen beizustehen. 28 Wenn ich also dies vollbracht und jenen diesen Ertrag auf Heller und Pfennig eingehändigt habe, so will ich bei euch durch nach Spanien reisen. 29 Ich weiß aber, daß, wenn ich zu euch komme, ich mit der Fülle des Segens Christi kommen werde.

 

30 Darum bitte ich euch, Brüder, bei unserem Herrn Jesus Christus und bei der Liebe des Heiligen Geistes, helfet mir kämpfen durch eure Fürbitte für mich bei Gott, 31 damit ich vor den Ungläubigen, die in Judäa sind, errettet werde und die Heiligen in Jerusalem der überbrachten Gabe sich freuen können. 30-31: Gebetsgemeinschaft ist die beste Kampfgemeinschaft für die Sache Christi. 32 Dann werde ich in Freude zu euch kommen, so Gott will, und mit euch mich erquicken. 33 Der Gott des Friedens aber sei mit euch allen. Amen.

 

16 Empfehlung und Grüße. Ich empfehle euch Phöbe, unsere Schwester, die im Dienste bei der Gemeinde zu Kenchreä ist, nehmet sie auf im Herrn, würdig der Heiligen, und stehet ihr bei in jedem Anliegen, worin sie euer bedarf; denn auch sie ist vielen zur Schützerin geworden, auch mir selber. 1: Phöbe hat noch den Titel „Diakon“. Sie ist amtliche Seelsorgshelferin in der Hafenstadt Kenchreä. Später erst wurde die weibliche Form des Titel. „Diakonisse“ geprägt. Grüßet Priska und Aquila, meine Mitarbeiter in Christus Jesus, die für mein Leben ihren Hals gewagt haben, denen nicht bloß ich Dank schulde, sondern auch alle Gemeinden der Heiden. Grüßet die Gemeinde, die in ihrem Hause ist. Grüßet meinen lieben Epänetus, welcher der Erstling Asiens für Christus ist. Grüßet Maria, die sich viel bemüht hat um euch. Grüßet Andronikus und Junias, meine Verwandten und Mitgefangenen, die unter den Aposteln angesehen sind, die auch vor mir in (Gemeinschaft mit) Christus waren. Grüßet den Ampliatus, meinen Geliebten im Herrn. Grüßet den Urbanus, unsern Gehilfen in Christus, und Stachys, meinen Geliebten. 10 Grüßet Apelles, den Bewährten in Christus. Grüßet die Hausgenossen des Aristobulus, 11 grüßet Herodion, meinen Verwandten; grüßet die Hausgenossen des Narzissus, die im Herrn sind. 12 Grüßet Tryphäna und Tryphosa, die sich bemühen im Herrn; grüßet Persis, die Teuerste, die viel im Herrn gearbeitet hat. 13 Grüßet Rufus, den Auserwählten im Herrn, und seine Mutter, die auch die meine ist. 14 Grüßet Asynkritus, Phlegon, Hermes, Patrobas, Hermas und die Brüder bei ihnen. 15 Grüßet Philologus und Julia, Nereus und seine Schwester Olympas und alle Heiligen, die bei ihnen sind. 15: Dieser Gruß offenbart die Gemütstiefe des Völkerapostels. 16 Grüßet euch untereinander mit heiligem Kusse. Es grüßen euch alle Gemeinden Christi. 1-16: Diese Grußliste ist ein herrliches Zeugnis für die enge Verbundenheit der jungen Christengemeinden in Ost und West und für die Bedeutung des Laienapostolates.

 

Warnung vor Irrlehrern. 17 Ich ermahne euch aber, Brüder, daß ihr auf der Hut seiet vor denen, welche die Spaltungen und Ärgernisse verursachen im Widerspruch zu der Lehre, die ihr gelernt habt; geht ihnen aus dem Wege. 18 Denn derlei Leute dienen nicht Christus, unserem Herrn, sondern ihrem Bauch, und mit süßen Reden und Schmeicheleien verführen sie die Herzen der Arglosen. 19 Euer Gehorsam ist allerorten bekannt; darum freue ich mich über euch. Ich wünsche aber, daß ihr weise seiet im Guten, aber arglos, wo es um Böses geht. 20 Der Gott des Friedens aber wird in Bälde den Satan unter euren Füßen zertreten. Die Gnade unseres Herrn Jesus Christus sei mit euch!

 

21 Es grüßt euch Timotheus, mein Mitarbeiter, und Luzius und Jason und Sosipatros, meine Verwandten. 22 Ich, Tertius, der diesen Brief geschrieben hat, grüße euch im Herrn. 22: Paulus hat dem Tertius den Brief diktiert. 23 Es grüßt euch Gajus, mein und der ganzen Gemeinde Hauswirt. Es grüßt euch Erastus, der Schatzmeister der Stadt, und der Bruder Quartus. 24 [Die Gnade unseres Herrn Jesus Christus sei mit euch allen! Amen.]

 

Lobpreis Gottes. 25 Dem aber, der mächtig ist, euch zu stärken nach meiner Heilsverkündigung und der Predigt über Jesus Christus gemäß der Offenbarung des Geheimnisses, das seit ewigen Zeiten verborgen gehalten war, 26 jetzt aber geoffenbart und durch Schriften der Propheten auf Anordnung des ewigen Gottes allen Völkern verkündet worden, um sie zum Glaubensgehorsam zu führen, 27 dem allein weisen Gott, ihm sei Ehre [und Herrlichkeit] durch Jesus Christus von Ewigkeit zu Ewigkeit! Amen.