Zwei Innviertler — Zwei Welten

Halten wir uns das Drama vor Augen: Da steht ein ohnmächtiger junger Bauer, fern seiner Innviertler Heimat, vor dem Berliner Blutgericht — ohne Rechtsbeistand — allein mit Gott und seinem Gewissen. In St. Radegund aber bangt seine Gattin mit ihren drei kleinen Mädchen um sein Leben. Und eines Tages schließlich kommt ein Motorradfahrer ins Dorf und übergibt ihr eine Urne mit der Asche. ...

Franz Jägerstätter erachtet Hitler von Anfang an als antichristlichen Sendboten der Hölle und seinen Eroberungskrieg als menschenmörderisches Verbrechen. Was der weitsichtige Linzer Bischof Johannes Maria Gföllner in seinem Hirtenbrief vom 21. Januar 1933 schlußfolgert — »Es ist unmöglich, gleichzeitig guter Katholik und wirklicher Nationalsozialist zu sein!« —, das macht sich der Leherbauer Jägerstätter zu seinem persönlichen Grundsatz. Als einziger darum in St. Radegund stimmt er mit NEIN gegen den Anschluß Österreichs an das Deutsche Reich.

Er spürt das Teuflische in seinem Landsmann aus Braunau, dem die Schulakten von Linz nachweisen, daß er bei seiner Erstkommunion »in wütendem Haß die geweihte Hostie zerbissen und mit dem Herrenleib zu Entsetzen und der Belustigung der Mitschüler spukhaften Schabernack getrieben« habe.8

8 Zitiert bei Friedrich Heer, Europäische Geistesgeschichte, Kohlhammerverlag, Stuttgart, S. 602

Sakrilegien solcherart haben nicht selten dämonische Besessenheit zur Folge. Hitler jedenfalls ist ein Schulbeispiel dafür!

Für Hitlers tatsächliche Besessenheit sprechen auch manche verräterische Anzeichen, von denen uns Zeitgenossen berichten, so auch S. D. Franz Josef II. von Liechtenstein. Im Interview mit Golo Mann äußert sich der Landesfürst über sein Gespräch 1938 mit dem »Führer« in Berlin: »... Und wenn er etwas sagte, dann ist der Mund von selber gegangen, als ob er nicht zur Person gehören würde.«9

9 »Weltwoche Zürich«, 4. Aug. 1976, S. 33, »Ein Fürst schaut zurück«

Der tiefste Grund eben, warum Jägerstätter der nationalsozialistischen Obrigkeit nicht gehorchen konnte und warum er jede A    rt der Zusammenarbeit ablehnte, war jener, daß er dieses Machtgebilde ganz klar für teuflisch im Ursprung und Wesen ansah. So stehen hinter seinem Lebenseinsatz letztlich nicht politische Motive, sondern die Erkenntnis, daß es um einen Kampf ums Ganze, um das ewige Leben geht.

Es war sein großer Schmerz, weder bei Bischof Fließer, dem damaligen Oberhirten von Linz, noch — mit wenigen Ausnahmen — bei den Geistlichen Verständnis für seine Sichtweise und Ermutigung für seinen Schritt zu finden.