Joseph Kardinal Ratzinger —
gemeinsame Heimat

St. Peterstag, 29. Juni 1951:

Weihetag der Brüder Georg und Joseph Ratzinger, am Abend feierlicher Empfang der Neupriester vor dem kleinen elterlichen Bauernhaus in Traunstein-Hufschlag.

Aufgewachsen in dem nahen St. Leonhard durfte ich als Zehnjähriger an der Seite unserer Mutter teilnehmen an diesem Willkommen in der Heimat und der Begrüßung. So erhielt ich damals auch den Primizsegen des zukünftigen Papstes.

Hat dieses unvergeßliche Erlebnis in meiner frühen Jugend mit beigetragen, mich für den Priesterberuf zu begeistern? Jedenfalls erfolgte bereits ein Jahr später meine Aufnahmeprüfung für das Traunsteiner Gymnasium, der ehemaligen Ausbildungsstätte auch der beiden Priesterbrüder.

Nicht vorenthalten sei der Nachwelt ein dazugehöriger »herzzerreißender« Vorfall am Primizsonntag! Während die Neupriester Georg und Joseph Ratzinger in Traunstein ihr erstes hl. Meßopfer darbringen, muß ich meinen dort mitfeiernden Bruder zum ersten Mal als Orgelaufzieher in unserer Dorfkirche vertreten. Dieses Amt verlangt, seitwärts der Orgel mit einem Fuß Luft in den mächtigen Blasebalg zu pumpen. Damit bin ich zuständig für das Gesamtwerk »Lateinische Messe«. Ein Hochgefühl, das zum Träumen verleitet. Allmählich vergesse ich auf meine Pflicht und das Kyrie: da — die Orgel schnauft verdächtig, der Blasebalg fällt quietschend in sich zusammen und des Hauptlehrers Müller Chor »schmeißt um«. Schnell wird nach dem Übeltäter gegriffen und ihm vor weiterer »Sabotage« gedroht.

Gänzlich niedergeschlagen und mit bester Absicht nehme ich meinen Dienst wieder auf. Der Chor hat sich eben beruhigt. Der Organist intoniert das Gloria. Endlich alles wieder in Ordnung! Nur ich — verstört über mein Ungemach — verliere mich in wilde Phantasie über die Folgen meiner Nachlässigkeit — und vergesse darüber erneut die Wirklichkeit und den Blasebalg. Jetzt wird es hoffnungslos: sterbend stöhnt die Orgel, die Chorsänger stürzen quer durch alle Tonarten, die volle Kirche lacht.

Und dies alles am Tage der Primiz von Papst Benedikt XVI.! Wer sollte da nicht »weinen«?

 

Frohe Bereitschaft für den neuen Oberhirten

Dem kommenden Papsttum des seinerzeitigen Primizianten Joseph Ratzinger geht freilich noch ein halbes Jahrhundert voraus: Jahrzehnte der Lehrtätigkeit des Spitzentheologen, Peritus beim Zweiten Vaticanum und bischöflicher Dienst, den er 1977 in München aufnimmt. Dazu unsere damaligen ersten Segenswünsche:

München, 25. März 1977 »Hochwürdigster Herr Erzbischof! Große Freude hat bei uns in München die heutige Nachricht ausgelöst, daß der Heilige Vater Sie zum Oberhirten unserer Erzdiözese ernannt hat, und daß Sie diesen schweren Auftrag angenommen haben.

So gelten Ihnen nun die herzlichen Segenswünsche des Münchner Weihekurses 1970! Mögen der Herr und seine jungfräuliche Mutter Maria, deren Geheimnis wir heute feiern, Ihren Weg in Ihre Heimatdiözese begleiten und Ihr gesamtes bischöfliches Wirken tragen!

Was wir vierzehn Priester vor sieben Jahren bei unserer Weihe der Kirche und Ihrem Vorgänger gelobt haben — Gehorsam und aus der Liebe kommende Bereitschaft —, das wollen wir im Blick auf Christus nun Ihnen entgegenbringen!

Meine Kurskollegen bestimmten mich, Ihnen diese ersten guten Wünsche zu übermitteln und Ihnen unsere Loyalität zu bekunden.

Auch im Namen der Münchner GEBETSGEMEINSCHAFT MARIENSÄULE, die ich seit fünf Jahren betreue, darf ich einen herzlichen Willkommensgruß senden!

Wir sind Hunderte, die jeden Samstag um 19.00 Uhr an der Mariensäule den Rosenkranz beten. Wir sammeln uns um dieses Gnadenbild Mariens in Erinnerung der dämonischen Prophetie Lenins, an der Münchner Mariensäule würde sich das Schicksal Europas entscheiden. Tatsächlich liegt die Münchner Mariensäule auf der Mitte der geraden Linie Moskau-Fatima.

An vielen Samstagen der zurückliegenden Monate haben wir die Muttergottes an dieser exponierten Stelle der Stadt wegen des neuen Erzbischofs bedrängt, daß er — selber glaubensstark und heilig — Gott entgegenführe, die ihm anvertraut werden. Da wir nun seinen Namen kennen, werden wir aus neuem Antrieb und neuer Verpflichtung dort für Sie beten. Bereits der morgige Rosenkranz an der Mariensäule soll ganz Ihrem Beginn in München und all Ihren Anliegen gehören! Aber auch in Zukunft werden wir immer wieder bei der Patrona Bavariae Gottes Licht und Kraft für Sie erbitten.

für den Weihekurs 1970 —

für die Gebetsgemeinschaft Mariensäule

Wilhelm Schallinger, Kaplan«