Flucht aus dem Erzbischöflichen Palais

Seit seinem harschen Brief an mich bei seinem Amtsantritt vor drei Jahren herrscht »Funkstille«! Dann schließlich das unumgängliche Gespräch mit dem »Starrsinnigen« im Erzbischöflichen Palais. Ich erlebe unseren Bischof weniger als kirchlichen Vorgesetzten, mehr als dozierenden Professor: fast eine halbe Stunde Privatvorlesung, druckreifer Monolog über die »zeitgemäße« Praxis der Handkommunion. Er vertritt ihre Rechtmäßigkeit und verweist auf ihr Bestehen schon in der Antike. In seiner Argumentation fehlt auch nicht die Teilwiedergabe der in ihrer Authentizität bezweifelten mystagogischen Katechese des Cyrill von Jerusalem.

Bei seinem Vortrag geht sein Blick in die Ferne; gleich einem Dirigenten greifen seine Hände aus und malen seine Thesen in den Raum. Eine unübertreffliche Rhetorik, ein klassisches Schauspiel, bei dem ich nur Zuhörer und Betrachter sein kann!

Wohl bewundere ich solch geniales theologisches Phänomen, doch ein inneres Bewegtsein mag sich bei mir nicht einstellen, eher eine seelische Abwehr. Wie soll ich mich dem ganzen Widerspruch entziehen?

Zu mancher Symphonie gehört der Paukenschlag! Und so meine ich: Jetzt bin ich dran! Gedacht, getan! Ich schrecke den Erzbischof auf: »Herr Kardinal, alles auf dieser Welt hat einmal ein Ende, auch dieses Gespräch! Ich muß zu den Kindern in die Schule!«

Der Erzbischof fährt in die Höhe; wir stehen beide. Ich bitte um seinen Segen und knie mich nieder. Er übergeht meine Eigenmächtigkeit und bemüht sich um Haltung. Bei unserer Verabschiedung — abseits von jeder Theologie — nur noch sein Bedauern: »Wenn Sie auf Ihrem Standpunkt beharren, dann geht der Kirche ein Teil Ihrer Arbeitskraft verloren.« Dazu mein leiser zweiter Paukenschlag: »Ja — aber nicht verloren gehen der Kirche die Leiden, die damit verbunden sind!«

So sehr ich später mit mir selber hadere über meine Verwegenheit, mit der ich das Gespräch damals beim Herrn Kardinal habe »platzenlassen«, so überkommt mich doch bei der Erinnerung ein wenig Stolz: »Nicht jeder Priester kann behaupten: >Ich bin dem Papst davongelaufen !<« Der spätere Heilige Vater, Papst Benedikt XVI., wird mir wohl meine Taktlosigkeit längst verziehen haben!