Erneute Bekräftigung des Gewissensentscheids

Die Zusammenkunft mit dem Herrn Kardinal endet also für beide Teile unbefriedigend. Ich sehe mich meinerseits veranlaßt, in meinem Brief an ihn vom 1. Mai 1980 meine Gewissensentscheidung erneut zu begründen und zu bekräftigen:

»Hochwürdigster Herr Kardinal,

am 1. März dieses Jahres haben Sie aus Ihrer Sicht als Bischof und in Ihrer Sorge um die kirchliche Einheit in der Erzdiözese in einem Gespräch mit mir gegen mein Verhalten, nur die Mundkommunion auszuteilen, schwerwiegende Bedenken geäußert.

Ich nehme Ihre Argumente — die Worte des Bischofs, dem mich mein Weiheversprechen zum Gehorsam verpflichtet — nicht bloß sehr ernst, sondern habe in der Tat in den vergangenen Wochen meine bisherige Einstellung und Praxis in der Frage der Kommunionspendung vor Gott im Gebet immer wieder infragezustellen versucht. Ich verweilte in der >Vision< der inneren und äußeren Einheit mit dem Bischof und der Mehrheit der Priester des Bistums und stellte mir vor, wie es sein könnte, wollte ich von meinem Standpunkt abrücken; denn auch für mich läßt es sich leichter ohne ständige Komplikationen leben, in Einheit, Frieden und Anerkennung durch andere.

Je mehr ich aber diese ersehnten Werte in ihrer Relation zu Gott, seinem Willen und Gebot bedenke, erkenne ich in einem sogemeinten >Handeln in Einheit< eine Forderung, die sich nicht auf die Einheit der Gesamtkirche ausrichtet, sondern vielmehr diese spaltet — einen Vorgang, der offensichtlich weder im Wollen des Papstes noch in dem vom II. Vatikanischen Konzil betonten »consensus fidelium« verankert ist. — Zudem stand die Einführung der Handkommunion in den nordeuropäischen Ländern unter dem unverkennbaren Aspekt der Leugnung der Realpräsenz. Wenn auch — wie ich es immer zugestanden habe — viele Gläubige subjektiv mit persönlicher Ehrfurcht und Liebe den eucharistischen Herrn in die Hand empfangen, so läßt sich doch die Handkommunion unserer Zeit objektiv nachweisen als die praktische Konsequenz protestantischer und calvinistischer Irrtümer, die seit Jahren auch in der Katholischen Kirche unter den Begriffen von Transsignifikation, -figuration und -finalisation ausgestreut und erfolgreich propagiert werden. So hat auch die Mehrzahl der Priester, die im vergangenen Jahrzehnt hier in der Münchner Pfarrei Maria-Thalkirchen gewirkt haben — einige davon haben sich inzwischen laisieren lassen — mit diesen verheerenden Lehren nachhaltig den eucharistischen Glauben und die eucharistische Verehrung bei der jüngeren Generation zerstört. Aus solchen Gemeinden, in denen das eucharistische Geheimnis so gründlich entleert und in seinem Kern umgedeutet ist, wird wohl erst nach langer Aufbauarbeit wieder ein Priesterberuf kommen; dann, wenn diese Gemeinden neben vielen zweitrangigen und zweifelhaften Aktivitäten wieder Zeit und Liebe aufbringen für das, was uns der Heilige Vater in seinem Gründonnerstagsbrief 1980 >Über das Geheimnis und die Verehrung der heiligsten Eucharistie< so sehr ans Herz legt.

Die Handkommunion — äußerer und sekundärer Ausdruck irriger Anschauungen — wirkt schließlich in ihrer Banalisierung und Profanierung aus sich als ständiger Multiplikator des Niederganges der eucharistischen Verehrung. Wo ist in unserer Erzdiözese diese eucharistische Verehrung noch geblieben seit Einführung der Handkommunion? — jene eucharistische Frömmigkeit, die es vor zwanzig Jahren bei uns noch gab — und die sich nach den Worten Johannes Paul II. >in vielfältigen Formen< auch heute finden soll: persönliches Gebet vor dem Allerheiligsten, Anbetungsstunden, kürzere oder längere Zeiten der Aussetzung, das jährliche Vierzigstündige Gebet, der Sakramentale Segen, eucharistische Prozessionen ...<? Der Rest davon mag wohl noch ein Schattendasein führen — vielbelächelt von den meisten Geistlichen!

Zuletzt sei noch einmal der wesentlichste Grund genannt, dessen Gewicht mich bestimmt, auch weiterhin keine Handkommunion auszuteilen: Gerade bei der Handkommunion, welche die Benützung der in der Kirche allgemein vorgeschriebenen Kommunionpatene ausschließt, fallen so viele Partikel auf den Boden und werden zertreten. Für mich gilt darum analog zum Zweiten Gebot: Du sollst den Namen Gottes nicht verunehren — Du sollst den Leib des Herrn nicht verunehren! Im Bereich eines göttlichen Gebotes aber hat eine gegenteilige Forderung keinerlei Verbindlichkeit. >Man muß Gott mehr gehorchen als den Menschen< Apg 5,29!

Mit diesem Gewissensentscheid, den man bisher als subjektiv abtun konnte, stehe ich mit vielen anderen Priestern dort, wo auch der Papst steht, der auch nur die Mundkommunion austeilt — unbekümmert der Situation, ob er es mit Gläubigen zu tun hat, in deren Ländern die Handkommunion amtlich gestattet ist.

Gerade aus dem Gründonnerstagsbrief des Heiligen Vaters geht die objektive Ablehnung der Handkommunion hervor mit dem mehrmaligen Hinweis auf die gesalbten Hände des Priesters. Wörtlich schreibt Johannes Paul II.: >Die heiligen Gestalten zu berühren und mit eigenen Händen auszuteilen, ist ein Vorrecht der Geweihten, ...< Er spricht dabei >über Fälle von bedauerlichem Mangel an Ehrfurcht vor den eucharistischen Gestalten, ein Mangel, der nicht nur die eines solchen Verhaltens schuldigen Personen belastet, sondern auch die Hirten der Kirche, die es vielleicht an Wachsamkeit über das Verhalten der Gläubigen gegenüber der Eucharistie haben fehlen lassen<. Im Abschnitt über die Handkommunion — genau dort, wo er auf diese >soeben genannten schmerzlichen Probleme< hinweist — betont er den vorrangigen Auftrag der Priester<, >die in ihrer Ordination dazu geweiht wurden, den Priester Christus darzustellen! Damit sind ihre Hände wie ihr Wort und ihr Wille zum direkten Werkzeug Christi geworden. Deshalb haben sie als Diener der heiligen Eucharistie eine vorrangige Verantwortung, vorrangig, weil total: sie bringen Brot und Wein dar, konsekrieren sie und verteilen dann die heiligen Gestalten an die teilnehmende Gemeinden Nur für den Fall, daß eine >echte Notlage< besteht, erhalten Laien nach einer angemessenen Vorbereitung die Erlaubnis zur Kommunionspendung.

Auf einer Linie mit dem Brief des Heiligen Vaters liegt, was Kardinal Seper, der Präfekt der Glaubenskongregation, bereits im April des Vorjahres festgestellt hat:

>Die Frage der Handkommunion ist für mich nicht eine Frage der Form, sondern bei der gegenwärtigen theologischen Diskussion eine Frage des Glaubens und damit zurecht ein Gegenstand der Gewissensentscheidung der Priester.<

Es hieße also einen offenkundigen Gegensatz zu Rom bewußt aufrechterhalten, wollte man in meinem und vieler anderer Priester Gewissensentscheid auch in Zukunft nur ein starrsinniges Festhalten an einer überkommenen Form sehen und vor den wirklichen Beweggründen und Tatsachen die Augen verschließen! Da ich aber davon ausgehe, daß Ihnen, Herr Kardinal, die Einheit mit dem Papst auch in dieser Frage ein Anliegen ist — nicht weniger, als mir die Einheit mit dem Bischof bedeutet — so bitte ich Sie im Namen vieler Priester folgende zwei Vorschläge zu bedenken: 1.) Im Sinne des Gründonnerstagsbriefes des Heiligen Vaters bitten wir Sie, allen Gläubigen der Erzdiözese die Knie- und Mundkommunion zu ermöglichen und Priestern, die aus Gewissensgründen keine Handkommunion austeilen können, durch ein bischöfliches Hirtenwort an die Gemeinden Legalität und Schutz zu geben, um damit die Voraussetzung einer wirksamen Seelsorgetätigkeit sicherzustellen. Eine solche Ausnahmegenehmigung ist im Hinblick auf die jetzige Situation vor allem pastoral, aber auch moralisch zu rechtfertigen; denn wie seinerzeit Papst Paul VI. gegen die klare Stellungnahme des Weltepiskopates und gegen seine eigene Überzeugung einer kämpferischen Minderheit von Bischöfen entgegenkam, so sollte fairerweise im Bereich dieser Bischofskonferenzen jetzt im Ausgleich dazu ein Freiraum geschaffen werden für Gläubige und Priester, die sich auch in diesem strittigen Fall in ihrem Denken und Handeln an der Gesamtkirche orientieren. Eine solche öffentliche Anerkennung und Legitimierung durch den Bischof hätte nichts anderes zum Ziel als ohne weitere Behinderung und Unterdrückung, ohne ständige Diskriminierung und persönliche Diffamierung tun zu dürfen, was die Weltkirche in Selbstverständlichkeit tut.

Eine Minderheit von Bischöfen hat im Zeichen der Anthropozentrik das Recht einer Ausnahmegenehmigung beansprucht und innerhalb der Gesamtkirche durchgesetzt — eine Minderheit von Priestern erwartet nun mit dem moralischen Anspruch ihres Gewissens das Gleiche von diesen Bischöfen! 2.) In Fragen uneinheitlicher Praxis der Sakramentenspendung und den sich daraus ergebenden Forderungen kirchlicher Disziplin war in der Kirche immer der Papst der Letztentscheidende. So bitten wir Sie, bei einem Ihrer nächsten Gespräche mit dem Heiligen Vater auch unseren Gewissensfall zur Entscheidung zu bringen: Hat ein Priester in Ländern, wo die Handkommunion amtlich gestattet ist, seine Gewissensentscheidung dem >Recht der Gläubigen auf Handkommunion< unterzuordnen — oder müssen die Gläubigen in jedem Falle die Überzeugung des einzelnen Priesters respektieren?

 

Hoch würdigster Herr Kardinal,

diesen Brief — der nichts anderes als eine Bitte der heiligsten Eucharistie wegen sein möchte — soll ein Wort des Heiligen Vaters aus seinem Gründonnerstagsbrief zusammenfassen: >Gott bewahre uns davor, anders zu handeln und die Frömmigkeit zu schwächen, indem wir uns verschiedene Ausdrucksformen des eucharistischen Kultes >abgewöhnen<, in denen eine vielleicht traditionelle, aber gesunde Frömmigkeit und vor allem jener >Glaubenssinn< zum Ausdruck kommen, den das gesamte Volk Gottes besitzt, wie uns das II. Vatikanische Konzil in Erinnerung gerufen hat< ... >Ich bitte den Herrn Jesu, daß es in Zukunft bei unserem Umgang mit diesem heiligen Geheimnis gelingen möge, alles zu vermeiden, was bei unseren Gläubigen das Gefühl der Ehrfurcht und Liebe in irgendeiner Weise schwächen oder verwirren könnte.<

Mit ehrerbietigem Gruß!

Wilhelm Schallinger«