Aufgebrochene Fronten?
Die Reaktion Seiner Eminenz vom 13. Mai 1980 zeigt in ihrem Ton an — hörbar bereits in der Anrede —, daß die Fronten aufgebrochen sind.
»Lieber Herr Kaplan!
Für Ihren ausführlichen Brief vom 1. Mai danke ich Ihnen. Wie ich Ihnen schon bei unserem Gespräch gesagt habe, respektiere ich es, daß Sie sich gegenwärtig von Ihrem Gewissen her nicht imstande fühlen, Ihre Praxis in Bezug auf die Kommunionspendung zu ändern. Wichtig bleibt, daß Sie weiterhin Ihr Gewissen an der objektiven Norm der kirchlichen Lehre zu bilden versuchen. Denn das Gewissen darf ja nicht eine Absolutheit des subjektiven Empfindens bedeuten, wie es leider immer wieder mißverstanden wird; es drückt vielmehr die im Subjekt vernehmbare Bindung an die dem Menschen eingeschaffenen objektiven Werte aus und bedarf daher der Bildung an dem Wort desselben Gottes, der das Gewissen gegeben hat — d. h. an dem in der Kirche übermittelten Wort Gottes.
In seinem Gründonnerstagsbrief hat der Heilige Vater die Problematik deutlich ausgesprochen, die mit der Handkommunion entstehen kann. Er hat aber die Billigung des Apostolischen Stuhles für diese Praxis dort, wo sie gegeben ist, nicht zurückgenommen, sondern lediglich die Bischöfe ermahnt, auf die entsprechenden Probleme gewissenhaft zu achten. Ausdrücklich sagt er: >Damit meine ich in keiner Weise jene Personen, die in den Ländern, wo diese Praxis erlaubt ist, den Herrn Jesus bei der Handkommunion im Geist tiefer Ehrfurcht und Frömmigkeit empfangen.< Ihre Gewissensbildung wird weiterhin darauf abzielen müssen, sich dem ganzen Lehrwort des Papstes zu öffnen. Das wird Ihre berechtigte Sorge um die Ehrfurcht der Kommunizierenden nur fruchtbarer machen können.
Freundliche Grüße
Ihr Erzbischof
Joseph Cardinal Ratzinger«