Unter den Löwen der Wüste
Die Herren Prälaten des Erzbischöflichen Ordinariats, denen ich ungewollt »Stachel im Fleische« bin, haben zu meinem Bedauern nicht wenige Unannehmlichkeiten meinetwegen zu erdulden: die vielen Beschwerden gegen mich, die bearbeitet werden müssen, und Forderungen von aufgebrachten Pfarrgemeinderäten, die ihre »Rechte« einklagen — dann in der anderen Richtung der Unbelehr- und Unbekehrbare, der Schuld an allem trägt. Da ich keine redegewandten oder in den Medien tätigen Freunde habe, ist manchmal eine Klarstellung meinerseits unumgänglich. Deshalb der Lagebericht an den Personalreferenten, Domkapitular Dr. Friedrich Fahr, vom 1. Mai 1979 a) und mein Widerspruch gegen die dialektische Beweisführung des Stellvertretenden Generalvikars, Prälat Bernhard Egger, vom 27. Februar 1981 b):
»a) Hochwürdiger Herr Domkapitular Dr. Fahr,
leider mußte ich in meinem Falle mehrmals feststellen, daß Gemeindemitglieder, die jedes Gespür einer Ehrfurcht vor Gott verloren haben, in ihrem Treiben beim Ordinariat Rückhalt finden. Sowohl in mündlichen als auch in schriftlichen Antworten haben Herren des Ordinariats und der Diözesanleitung meinen Gewissensentscheid ins Zwielicht gesetzt und lächerlich gemacht. Statt die Fragesteller zu einer Respektierung des Gewissensentscheides eines Priesters anzuregen, haben sie sich von diesem und damit von meiner Person distanziert. So haben meine Gegner schnell verstanden, daß ich zum >Abschuß< freigegeben bin. Erwähnen möchte ich das jüngste Beispiel für das Vorgehen des Ordinariats gegen mich:
In unserer Pfarrkirche Maria Schutz hält die >Gebetsgemeinschaft Mariensäule< seit über zwei Jahren (früher Bürgersaalkirche) jeden Donnerstag eine dreistündige eucharistische Anbetung. Wir beten dabei vor allem auch um Priesterberufe. Wegen der Kälte in unserer weiträumigen Kirche haben mich viele Teilnehmer ersucht, für die Wintermonate die Kirche zu wechseln. Ich bat deswegen vor Weihnachten die Oberin des Englischen Instituts von Pasing, die Klostergemeinde möchte uns für diesen Abend ihre zu unserer Pfarrei gehörende Rosenkranzkirche überlassen. Bereitwillig ging die Oberin auf diese Bitte ein. Sie befragte ihre Schwestern und setzte eine Frist für einen Einspruch. Da innerhalb der festgelegten Zeit keiner erfolgte, gab sie mir die Zusage, daß ich auf einen positiven Bescheid rechnen dürfe. Kurze Zeit darauf eröffnete sie mir ganz unerwartet am Telephon, sie habe eben direkten Befehl von der Provinzialoberin aus Nymphenburg erhalten und sie müsse mir nun im Gehorsam mitteilen: >Kaplan Schallinger darf nicht in die Klosterkirche! <
Durch verschiedene Umstände kam ich darauf, daß Dr. Theißing vom Ordensreferat, der mich persönlich nicht kennt, die Provinzialoberin in Nymphenburg angerufen und ihr dem Sinne nach gesagt hatte: Das Ordinariat kann es nicht verbieten; der Orden selber kann jedoch die eigene Klosterkirche verbieten. Als Grund gab er an, wie mir von anderer Seite berichtet wurde, daß ich keine Handkommunion austeile und Lefebvre-verdächtig sei.
Die Provinzialoberin, die mich ebensowenig kennt, übernahm von ihm ein solches Feindbild von mir, mit dem sie nun auch die Schwestern in der Pfarrei gegen mich beeinflußt, daß sie sich nicht bereit fand, sich in einem Gespräch die Sachlage von der hiesigen Oberin richtigstellen zu lassen. Nichtsdestoweniger habe ich auf Ersuchen unseres Pfarrers am Sonntag trotz >Kirchenverbot< die Konventmesse der Schwestern in der Klosterkirche gefeiert.
Bischof Defregger stellte vor einiger Zeit Dr. Theißing vor einem Zeugen über sein Vorgehen gegen mich zur Rede. Letzterer gab dabei seine Machenschaften zu. Freilich — was die Sache und meine Person betreffen: es gab keine Entschuldigung, keine Richtigstellung, und unsere Leute mußten die vergangenen Monate wieder arg in unserer Kirche frieren.
Der gesamte Vorgang heimtückischer und willkürlicher Machtausübung erinnert fatal an die Übergriffe der Nazizeit, wo jene zuerst in Rufmordkampagnen zu >Volksschädlingen< abgestempelt und anschließend niedergetrampelt wurden, die gegen die herrschende Macht zu ihrer Überzeugung und zu ihrem Gewissen standen. ...«
Prälat Dr. Fahr, der mir wiederholt Brücken bauen wollte, tat bei einem Gespräch in seinem Büro vor mir den bedenkenswerten Ausspruch: »Sie wollen wohl einmal der sein, der sagen kann: >Ich habe nicht mitgemacht!<« Eine Anspielung auf das Dritte Reich ?
»b) Hochwürdiger Herr Prälat Egger,
zu zwei mir in Fotokopie und Abschrift vorliegenden, von Ihnen unterzeichneten Antwortschreiben des Erzb. Ordinariats München an mir unbekannte Damen möchte ich richtig stellen:
1.) In Ihrem Schreiben — GV-Nr. EB 1641/80/6/la — steht unter Punkt 2:
>Es gibt einige ganz wenige Ausnahmen unter den Geistlichen in der Erzdiözese, die die Handkommunion ablehnen. Aus diesem Grund von Verweigerung der Übertragung einer Pfarrei zu sprechen, ist ein ausgesprochen böswilliges Gerücht und ein falsches obendrein. <
Dieser Behauptung muß ich um der Wahrheit willen die wörtliche Aussage eines Briefes Kardinal Ratzingers vom 28. Juli 1979 gegenüberstellen: >In diesem Zusammenhange wurde ihm gesagt, daß er sich für den Fall der Übernahme einer Pfarrei bereit erklären muß, Gläubigen, die die Handkommunion wünschen, diese nicht zu verweigernd Das heißt doch in schlichter Kürze: Solange ich nicht bereit bin, Handkommunion auszuteilen, erhalte ich keine eigene Pfarrei; solange ich nicht von meiner Gewissensentscheidung abrücke, ist jede Bewerbung meinerseits illusorisch! Diese Sachlage wurde mir auch in Gesprächen mit Domkapitular Dr. Fahr im Herbst 1979 und von unserem Erzbischof selber am 1. März 1980 dargelegt. Ihre Auskunft steht also in direktem Widerspruch zum realen Vorbehalt der Diözesanleitung! Ich bitte Sie, Herr Prälat, diese korrumpierende Bedingung zu meinem Gewissensfall also nicht länger in Abrede zu stellen! Es gibt auch keinen anderen Grund für diese Auflage! Kardinal Ratzinger sagte mir, das Ordinariat würde nicht Anstoß an mir nehmen, würde ich die Handkommunion austeilen.
2.) Im zweiten Schreiben — GV-Nr. 67/81/la — bemerken Sie: >Auch die Selbstverständlichkeit, mit der unser Heiliger Vater hier in München die Hl. Kommunion sowohl als Mund- wie als Handkommunion reichte, hat offensichtlich weder sein Gewissen, noch sein Herz umstimmen können. Leider !< Ich bin nicht wenig betroffen, mit welcher Geschmeidigkeit Sie sich dieser Erpressung des Papstes bedienen, um mich als ungehorsamen Priester hinzustellen! Schon mit geringem Aufwand an Beispielen kann ich Ihnen aufzeigen, daß Johannes Paul II. die Handkommunion ablehnt, und daß sich >einige ganz wenige Ausnahmen unter den Geistlichen in dieser Erzdiözese< damit nicht in schlechter Gesellschaft befinden:
In seinem Gründonnerstagsbrief 1980 an die Bischöfe finden wir die objektive Begründung seiner Haltung in dem mehrmaligen Hinweis auf die gesalbten Hände des Priesters. Wörtlich schreibt der Papst:
>Die heiligen Gestalten zu berühren und mit eigenen Händen auszuteilen, ist ein Vorrecht der Geweihten.<
Bei all seinen früheren Apostolischen Reisen hat er auch in den Ländern, wo die Praxis der Handkommunion üblich ist, wie in Irland, den USA und Frankreich, die Forderung der Handkommunikanten bewußt übersehen. In Boston hat er auf diese Weise sogar zwei Priester übergangen; in Paris hat er im Mai 1980 bei der großen Messe vor Notre-Dame selbst der Gattin des Staatspräsidenten, Madame Giscard d'Estaing, — ihre ausgestreckten Hände ignorierend — die Mundkommunion gereicht.
Die deutschen Bischöfe wußten um seine Aversion gegen die Handkommunion. Darum wurde in den einzelnen Ordinariaten dieser Punkt vor der Deutschlandreise des Papstes eingehend behandelt. Bekanntlich hat auch Monsignore Noe, der Zeremoniar des Papstes, in München diesen Umstand angesprochen und erklärt, der Papst respektiere die deutsche Sonderregelung; er selber aber werde keine Handkommunion austeilen. Mit Rücksicht auf diese Überzeugung des Heiligen Vaters wurden in Köln und Osnabrück ausschließlich solche Gläubige zur Kommunion beim Papst zugelassen, welche nur die Mundkommunion verlangen würden.
Daß ab Mainz alles anders verlief, und der Papst unter dem Druck seiner Gastgeber schließlich gegen seine eigene Überzeugung handelte — voller Widerwillen und Unschlüssigkeit, wie jedermann am Fernsehen feststellen mußte — hat zweierlei Gründe:
Die Taktik, mit der Prälat Homeyer schon vor der Reise den Papst zwang, würde dieser nicht das Zeichen der Loyalität den deutschen Bischöfen gegenüber setzen, dann würde deren Autorität noch mehr schwinden!
Außerdem hat der Diözesanjugendpfarrer Heinz Kußmann von Mainz in bewußter Auswahl von Jugendlichen, die bereit waren, den Papst zu provozieren, diesen buchstäblich überrumpelt. Dieser Geistliche hat sich kürzlich vor Zeugen gebrüstet, er sei es gewesen, der dem Papst die Falle gestellt habe.
Es ist also weder dem Papst gegenüber redlich, von ihm zu behaupten, er habe bei uns in aller Selbstverständlichkeit die Handkommunion ausgeteilt, noch fair mir gegenüber, mich vor den Gläubigen in Gegensatz zu ihm zu bringen!
Eine fast makabre Note jedoch gewinnt Ihr Rekurs auf den Papst, wenn Sie sich bewußt machen, wie wenig sonst sich Herren des Erzbischöflichen Ordinariats München um Wünsche, Anordnungen und Lehräußerungen des Heiligen Vaters kümmern; sei es in der Frage der priesterlichen Kleidung, der Ministrantinnen, der Duldung von Interzelebration und Interkommunion, in ihrer vieldeutigen Haltung zu >Humanae vitae<, zu Problemen der Geschlechtlichkeit und des Zölibates, sei es in der Vorlage von Schulbüchern, die den Glauben der Kirche zerstören, und in der Förderung von liturgischen Experimenten, welche die Einheit in der Kirche immer noch mehr zerreißen, — um nur einiges anzusprechen.
Diese doppelte Moral, mit der mein Fall von Ihnen wie von verschiedenen anderen Herren des Ordinariats bisher behandelt wurde, bestätigt die Erfahrung vieler in unseren Tagen: Den so oft beschworenen Pluralismus in der Kirche gibt es nur in linker Ausdehnung. Für Andersdenkende gilt weithin: Recht hat, wer die Macht hat! Recht bekommt nur, wer von modernistischen Solidaritätsgruppen getragen wird! Nach dem Gewissen zu handeln wird zum privaten Risiko! So wie im Dritten Reich jene zu Volksschädlingen abgestempelt wurden, die im Gegensatz zur herrschenden und opportunen Meinung ihrer Überzeugung treu blieben, so werden heute innerhalb der Kirche Deutschlands Priester verfolgt, die zu ihrer religiösen Verpflichtung stehen und am Auftrag des Glaubens und dessen unverkürzter Verkündigung festhalten. Wie damals werden sie durch Rufmord zermürbt und erledigt — diesmal aber durch die eigenen Leute!
Doch jeder von uns — mag er sich jetzt auch dem anthropozentrischen Trend gut angepaßt haben und in der Gunst der Zeit stehen — wird einmal vor dem unbestechlichen Gericht Gottes bestehen müssen! Besser Gottesfurcht als Menschenfurcht!
Mit freundlichem Gruß!
Wilhelm Schallinger«