Meßopfer in Wüstenhitze

Will Erzbischof Wetter unsere Arbeitsgemeinschaft auch nicht zu sich einladen — mir allein jedoch gibt er die »Ehre«, als ich gemäß dem Römischen Indult von 1984 um die Erlaubnis für die Tridentinische Messe nachsuche. Er bestellt mich zu sich in die mir nicht mehr unbekannte Bischofsresidenz, um meine »Kirchlichkeit« abzutasten. Freimütig bekenne ich vor ihm: »Die Ziele von Erzbischof Lefebvre sind weithin auch meine Ziele, und ich verfolge sie in dem mir vorgegebenen Rahmen: Papst und Bischof!« Münchens Erzbischof läßt diese Sicht gelten, und erteilt die erbetene Erlaubnis, die am 22. März 1985 schriftlich fixiert wird.

Aus diesem amtlichen Dekret seien diese wichtigen Punkte zitiert:

»2.Diese Erlaubnis erhalten Sie nur für die Mitglieder der von Ihnen benannten >Gebetsgemeinschaft Mariensäule<; eine über diese Gemeinschaft hinausgehende öffentliche Einladung zur Meßfeier muß daher unterbleiben.

Die Erlaubnis zur Teilnahme an dieser Meßfeier wird noch einigen weiteren Gläubigen erteilt, die darum gebeten haben. Diese werden Ihnen demnächst durch mein Ordinariat benannt werden.

3. Diese Erlaubnis wird Ihnen erteilt für eine einmal pro Woche und zwar am Freitag stattfindende Meßfeier nach dem Missale von 1962 und zwar in der im Zentrum Münchens gelegenen Hl. Kreuz-Kirche.«

 

Diese festgesetzten Auflagen und Einschränkungen werden Anlaß für eine nicht mehr überschaubare Zahl von Bittstellern, welche im Erzbischöflichen Ordinariat um eine Teilnahmeerlaubnis nachfragen. Alle paar Tage erhalte ich die »Überweisungsscheine«, unterzeichnet vom Stellvertretenden Generalvikar, die bald einen halben Akt füllen. Allmählich auch wird die Kirche zu klein; die Leute müssen stehen. Es fehlt ein Lautsprecher, und ich kann mich — am Altar stehend oder bei der Ansprache am Ambo — nur schwer verständlich machen. Es geht schließlich über meine Kräfte; zermürbt gebe ich nach einem halben Jahr den Kampf auf.

 

In meinem Abschlußbericht an Kardinal Wetter ist festgehalten:

»Nicht wenige möchten ja für den Freitagabend zu uns kommen. Als >freie Katholiken<, die gewohnt sind, die Kirchen ihrer Wahl aufzusuchen, bringen sie es jedoch nicht über sich, beim Erzbischöflichen Ordinariat ein Extra-licet einzuholen. Andere fürchten — nicht ohne Grund — durch einen solchen Antrag als >schwarze Schafe registriert und in ihren Pfarrgemeinden angeprangert zu werden.

Was nun die rechtmäßigen Teilnehmer dieses Gottesdienstes betrifft, so hat sich ihre Zahl auf etwa hundert eingependelt bei der üblichen Altersschichtung einer Durchschnittspfarrei in München; jüngere Leute und Jugendliche gehören zu diesem Bild.

Das Mittun und Beten aller zeugt von einer inneren Hingabe an Gott. Nicht zu übersehen ist die große Hilfsbereitschaft, Älteren und Behinderten den eigenen Platz zu überlassen — bei unserer tatsächlichen Platznot eine ständige Anforderung an alle Anwesenden! Fast ausnahmslos stehen deswegen unsere Jugendlichen die ganzen drei Stunden des Gebetsabends.

Insgesamt sind ja den Gottesdienstteilnehmern in der Kreuzkirche Lasten auferlegt, wie sie niemals einer anderen Gemeinschaft in unserer >Stadtkirche< zugemutet würden: Sie müssen nicht nur die Auflagen auf sich nehmen, die ihnen von vorneherein eine Entscheidung fürs >Ghetto< abverlangen, sondern müssen auch auf jeglichen kirchlichen Komfort verzichten, weil bei uns alles auf >Sparflamme< gesetzt ist. Wegen der >Gefahr des Werbeeffekts< schweigen die Glocken der Kreuzkirche, obwohl ihre Seile direkt vor aller Augen in das Kircheninnere herabfallen. Eine Orgel, die den Gesang anführen könnte, ist ebenso da; für unsere rechtlose Gemeinschaft aber ist sie gesperrt!

Es gibt sehr zu denken, daß ich als einziger Priester der Erzdiözese — obwohl auch andere den Antrag gestellt haben — die Erlaubnis für die Feier der alten Messe erhielt! Man spricht bereits von einer Alibi-Funktion meiner Person vor Rom und den Gläubigen unserer Erzdiözese.

Ist es sodann auch nicht eine schwere Zumutung für jene Katholiken aus Rosenheim, Landshut, Siegsdorf und dem über hundert Kilometer entfernten Eisenärzt, die mir und unserem Gebetsabend in der Kreuzkirche durch das Erzbischöfliche Ordinariat überwiesen und angehängt werden? Das ist ein Leerlauf — gewollt oder ungewollt! Eine Utopie! Nie werden diese Antragsteller von ihrer Teilnahmeerlaubnis Gebrauch machen können!

 

Hochwürdigster Herr Kardinal!

Einer meiner persönlichen Gründe, um die Erlaubnis zur Feier der >Tridentinischen Messe< zu bitten, war meine Hoffnung, es würde sich für mich das schmerzliche Problem der Handkommunion erledigen, durch die ständig Partikel verstreut und zertreten werden (siehe dazu das Monitum über die Handkommunion der Kongregation für den Gottesdienst vom 3. April 1985, Punkt 6 ... >Es muß darauf geachtet werden, daß kein Teilchen der konsekrierten Hostie verlorengeht ...<). Diese Hoffnung hat sich nicht erfüllt: von sieben Tagen der Woche ist nun nur einer davon nicht belastet. Vielmehr ist eine neue Belastung dazugekommen: die ständige Umstellung und der Wechsel von einem Ritus in den anderen — ein zermürbender Prozeß bei all den vielen Auflagen und Hindernissen, bei dieser ständigen Überwachung und der erwähnten Hetze.

Da trotz vielem Kraftaufwand unter diesen Umständen Intention und Ziel auf der Strecke bleiben, erkenne ich keinen Sinn und Grund mehr, Sie um eine Verlängerung der Erlaubnis zu bitten.

Meine Überzeugung, daß der theozentrischen alten Liturgie vor dem anthropozentrischen Novus Ordo der Vorzug gebührt, ändert sich deswegen nicht! Ich werde diese Überzeugung bewahren für jene Stunde, da unsere Erzdiözese ohne Vorbehalte und ohne Abstriche der klaren Weisung des Zweiten Vatikanischen Konzils nachkommt: >Treu der Überlieferung erklärt das Heilige Konzil, daß die heilige Mutter Kirche allen rechtlich anerkannten Riten gleiches Recht und gleiche Ehre zuerkennt. Es ist ihr Wille, daß diese Riten auch in Zukunft erhalten und in jeder Weise gefördert werden, ...< (aus dem 4. Abschnitt des Vorwortes der Liturgiekonstitution).«