Wüstenoase St. Maria-Thalkirchen

Trotz der bekannten Schwierigkeiten und der allgemeinen Verständnislosigkeit gegenüber meinem Gewissensfall kann ich als Kaplan vierzehn Jahre lang im Geiste von Fatima für die Muttergottes wirken in der Wallfahrtspfarrei St. Maria-Thalkirchen am Münchner Tierpark. Dem Himmel sei Dank für diese Gnade! Es gibt keinen Grund mehr, auszuschauen nach anderen Zielen. Es ist jedoch die Diözesanleitung, die schon länger meine Versetzung plant. Aufschluß darüber gibt mein Schreiben vom 2. Mai 1993 an den nunmehrigen Stellvertretenden Generalvikar, Monsignore Albert Haringer:

 

»Monsignore,

bei dem von Ihnen gewünschten Gespräch am Freitagmorgen, 30. April, in Ihrem Büro haben Sie mir den Plan der Diözesanleitung für einen Stellenwechsel vorgelegt: Altersheimseelsorge und Mitarbeit im Pfarrverband Holzkirchen unter der Leitung und Aufsicht eines jüngeren Pfarrers.

Wenngleich ich in diesem Ansinnen nach zwanzig Jahren der Verfemung und Verfolgung eine spezielle >Beugestrafe< mit besonderen Zwangsmaßnahmen erkenne, habe ich mich dennoch unter dem Gesichtspunkt des kirchlichen Gehorsams, den ich dem Bischof schulde, noch am Nachmittag des gleichen Tages nach Holzkirchen begeben, um mich über die örtlichen Verhältnisse zu informieren. Bereits am Eingang der Kirche von Föching (Pfarrverband Holzkirchen) stieß ich auf die Einsatz-Vorankündigung der 14 aktiven Kommunionausteiler. Solche Konstellation und Praxis stehen aber verständlicherweise in direktem Gegensatz zu meiner persönlichen Gewissensentscheidung, keine Handkommunion auszuteilen und folglich auch nicht von Laien an meiner Seite austeilen zu lassen. Ich würde mich in keinem Fall vom Pfarrer und seinen Helfern dazu erpressen lassen. Die lärmgesättigte Kapelle des besagten Altenheimes ähnelt einem modernen Clubraum. Den unansehnlichen fast schwarzen Tabernakel habe ich im seitlichen Halbdunkel hinter einer Eisensäule mit Liedtafel entdeckt. Das Kreuz über dem allein dominierenden Volksaltar und die Kreuzwegbilder mit ihren amorphen dämonisierten Fratzen erzeugten in mir einen argen Widerwillen, so daß ich sehr schnell diese zweifelhafte Stätte verließ. Niemand kann von mir verlangen, daß ich dort Gottesdienste halte!

Den Pfarrer selber konnte ich nicht erreichen, da er gerade eine Hochzeit vor sich hatte. Ein Gespräch hätte sich unter diesen Gegebenheiten auch erübrigt!

Nach dieser neuerlichen Erfahrung mit einem Angebot durch meine Vorgesetzten im Erzbischöflichen Ordinariat bleibt mir bloß die Frage: Warum denn immer nur Vorschläge, die für meinen Fall eine totale Entmündigung und Unselbständigkeit anzielen und die Kollision übergroßer Gegensätze vorprogrammieren?

In Anbetracht der Tatsache, daß ich seit über zwanzig Jahren nur an einem Hochaltar Gottesdienst feiere und daß ich mit Erlaubnis unseres Erzbischofs im Jahre 1985 die >Tridentinische Messe< in der Münchner Kreuzkirche zelebriert habe (wegen der vielen Auflagen und Sonderlasten konnte ich neben meinem anderen Dienst kräftemäßig diese Möglichkeit nicht länger wahrnehmen), würde es naheliegen, daß die Diözesanleitung in dieser Richtung einen Weg bahnen und mir eine Kirche öffnen würde, wo ich in einer relativen Selbständigkeit positiv wirken könnte!

Doch bitte ich nicht um diese Chance, die mir trotz mehrmaliger Bewerbung um entsprechende Stellen vorenthalten wurde. Als nun 52-Jähriger mit 23 Dienstjahren bemühe ich mich, mit meinem gegenwärtigen Los als Langzeit-Hilfspriester in St. Maria-Thalkirchen zurechtzukommen.

Monsignore, Sie haben mich in meinem Gewissensentscheid zu korrigieren versucht: Auch die Gläubigen, so entgegneten Sie mir, träfen eine >Gewissensentscheidung< zwischen Hand- und Mundkommunion! Dazu die wörtliche Aussage von Kardinal Seper, dem Vorgänger von Kardinal Ratzinger im Amte des römischen Glaubenspräfekten, vom 2. April 1979: >Ich glaube, daß hier für die Priester eine echte Gewissensfrage besteht. Nicht begreife ich jedoch, wenn die Gläubigen eine daraus machen. Niemand kann wohl sein Gewissen anführen, das ihm gebietet, Handkommunion zu verlangen.< Kardinal Seper machte kein Hehl daraus, daß es nicht verantwortbar sei, was in der Folge der Erlaubnis zur Handkommunion geschehen sei: Auch für ihn sei die Frage der Handkommunion nicht eine Frage der Form, sondern bei der gegenwärtigen theologischen Diskussion eine Frage des Glaubens, und darum zu Recht ein Gegenstand der Gewissensentscheidung der Priester!

Wenn heute schon solch maßgebliche Kompetenz und Aussage ignoriert und verworfen werden, dann brauche ich mich für meinen Teil schon gar nicht wundern, wenn bezüglich meiner Existenz die unausgesprochene praktische Losung gilt:

>Wir haben ein Gesetz, und nach diesem Gesetz muß er sterben. ...< Joh 19,7. Ich habe keine Angst davor!

In diesem Sinne verbleibe ich mit freundlichem Gruß!«