Audienz bei Kardinal Seper

Gedächtnisprotokoll meiner Audienz beim Präfekten des Heiligen Offiziums, Kurienkardinal Franjo Seper, am Montag, den 2. April 1979, von 12.10 Uhr bis 12.35 Uhr. Er spricht fließend Deutsch.

»Als Kardinal Seper mit unserem Anliegen vertraut gemacht war, Einblick in die Unterlagen genommen und unsere Bittschrift an den Heiligen Vater gelesen hatte, rief er in energischer Geste spontan aus: >Ich war von Anfang an dagegen !<

Der Präfekt der Glaubenskongregation sprach dann ganz offen von dem Druck, der von Holland her in dieser Frage auf Rom und Papst Paul VI. ausgeübt worden war. Seiner Überzeugung nach hätte der Papst damals schon im Hinblick auf die Stellungnahme der Mehrheit des Weltepiskopates die Erlaubnis zur Handkommunion nicht geben sollen. Es sei nicht verantwortbar, was in der Folge dieser Erlaubnis geschehen sei! Auch für ihn sei die Frage der Handkommunion nicht eine Frage der Form, sondern bei der gegenwärtigen theologischen Diskussion eine FRAGE DES GLAUBENS und darum zu Recht ein Gegenstand der Gewissensentscheidung der Priester.

Kardinal Seper begrüßte aus diesem Grunde lebhaft unsere Initiative, den Heiligen Vater in dieser Weise zu informieren und zu bitten. Als er die Namen der 243 unterzeichneten Priester, von denen er mehrere kannte, durchlas, sagte er in offensichtlicher Bewegung: >Endlich rühren sich die Priester! Bisher haben leider nur die Gläubigen nach Rom geschrieben.< Er teilte dabei mit, gerade im Zusammenhang mit den großen Papstfeiern des Vorjahres auf dem Petersplatz sei immer wieder mit großer Verwunderung festgestellt worden, daß ja in Rom keine Handkommunion ausgeteilt werde.

Er erzählte, er halte fast jedes Jahr einmal in Altötting einen Gottesdienst, er würde dabei aber keine Handkommunion austeilen; ebensowenig würde er dies in Österreich tun, wo er sich alljährlich zur Kur aufhalte. Er zelebriere dabei aber grundsätzlich Privatmessen, um nicht in die Verlegenheit zu kommen, Handkommunion verweigern zu müssen. In diesem Fall war es nötig, das Verhalten des Kardinals in Frage zu stellen: >Ich bin ein Kaplan und nicht ein Kardinal, der solcher Situation ausweichen kann; ich muß mit allen Konsequenzen geradestehen !< Er mußte sich sagen lassen, seine Haltung könne keine Lösung des Problems bringen, sei ein persönliches Ausweichen vor einer Belastung, die viele Priester in der Seelsorge auf sich nehmen müßten. An Beispielen wurde dann dem Kardinal geschildert, was das für einzelne Priester an Gewissensbelastung bedeute.

Kardinal Seper führte in diesem Zusammenhang den tragischen Fall eines Pfarrers an, der seine Gesundheit eingebüßt habe, als sein Kaplan in seiner Abwesenheit die Handkommunion in der Pfarrei eingeführt hatte. Insoweit war aber auch da eine Richtigstellung erforderlich, daß es sich hier wohl nicht um die Willkür des Kaplans gehandelt habe, sondern um ein Handeln im Einvernehmen mit dem zuständigen Ordinariat, das dem Pfarrer wohl nach bisheriger Erfahrung den Rückhalt entzogen habe.

Im weiteren ging der Kurienkardinal auf die vielzitierte sogenannte >mystagogische Katechese< des Cyrill von Jerusalem ein. Er machte ein großes Fragezeichen hinsichtlich des darin angesprochenen Brauches der Handkommunion und seiner Verbreitung in damaligen Gemeinden — einer idealistischen Darstellung — die auf unsere Glaubenssituation einfach nicht anwendbar sei.

Er verwies auch darauf, daß in Italien nach wie vor die Handkommunion verboten sei. Er erinnerte daran, Papst Paul VI. habe in den letzten Jahren in einer Messe mit Deutschen (Kardinal Höffner war dabei mit deutschen Pilgern) vor dem Gottesdienst über Lautsprecher ansagen lassen, er wünsche keine Handkommunion! Wenn er selber in Rom für Deutsche einen Gottesdienst halte, weise er immer auf dieses bestehende Verbot hin. Dazu berichtete ich ihm ein Erlebnis des gleichen Morgens bei meiner Messe in der Krypta des Petersdomes: trotz des Verbotes hatte eine italienische Ordensschwester ihre Hand nach der heiligen Kommunion ausgestreckt. Dazu äußerte er sich lapidar: >Leider lassen sich die Ordensschwestern heute zu allen Experimenten benutzen! <

Mit großem Bedauern sprach der Kardinal dann von einer heute weithin und allgemein feststellbaren Ehrfurchtslosigkeit beim Kommunionempfang, von fehlender Vorbereitung und Danksagung, ein Zustand, der durch die Handkommunion noch mehr gefördert werde. Er selber sei manchmal froh darüber, wenn solche undisponierten Leute nicht zur Kommunion gingen. Es müsse wieder vielmehr die Ehrfurcht vor dem eucharistischen Herrn gelebt werden. Es dürfte nicht geschehen, daß nach den Papstgottesdiensten Hostien — wie er selbst erwähnte — auf dem Petersplatz gefunden würden!

Zusammenfassend läßt sich zu diesem Gespräch mit Kardinal Seper sagen:

Unsere Bitte an den Heiligen Vater, Johannes Paul II., ist ihm ein persönliches Anliegen. Darum auch das Echo und die Offenheit während der gesamten Unterredung, die so weit über die angesetzte Zeit ging, daß Kardinal Bafile im Vorzimmer warten mußte. Der Präfekt der Glaubenskongregation anerkannte die Dringlichkeit unseres Anliegens. Er sagte: >Ich glaube, daß hier für die Priester eine echte Gewissensfrage besteht. Nicht begreife ich jedoch, wenn die Gläubigen eine daraus machen. Niemand kann wohl sein Gewissen anführen, das ihm gebietet, Handkommunion zu verlangen.<

Daß die Priester aus Gründen des Glaubens und der Ehrfurcht jetzt nach Rom appellierten, sei >sehr gut, notwendig und richtig<!

Kardinal Seper versprach, die gesamte Frage mit allen Unterlagen dem Heiligen Vater vorzulegen und ihn in unserem Sinne zu bitten und zu bewegen. Er bat aber um Geduld auf unserer Seite, da in einer so gewichtigen Angelegenheit behutsam vorgegangen werden müsse und >nicht von heute auf morgen eine zerschlagene Ordnung wiederhergestellt werden< könne.

Rom, 2. April 1979

Wilhelm Schallinger«