14. Betrachtung: Das Gegrüßet seist du Maria

„Und gebenedeit ist die Frucht deines Leibes, Jesus“

 

1. Anbetung

In unendlich höherem Sinne als Maria ist Jesus gebenedeit und hochgepriesen von aller Kreatur; denn er ist Gott und Gottes Sohn, dem Vater und dem Heiligen Geiste wesensgleich, angebetet von aller Kreatur. Er ist Gott von Gott, Licht vom Licht, wahrer Gott vom wahren Gott, in ihm ist alles gemacht, was gemacht ist, und ohne ihn ist nichts gemacht. Im Geheimnis seiner Menschwerdung offenbart er seine herrlichen Eigenschaften: seine Allmacht, da er Gottheit und Menschheit in so wunderbarer Weise vereinigt; seine Güte, da er zu den Menschen in ihr Elend herabstieg; seine Weisheit, da er Zeit und Umstände so geordnet hat, daß sie seinem Zwecke am besten entsprechen; seine Treue, da er seine Verheißungen erfüllte, die er gegeben hatte: "De fructu ventris tui ponam super sedem tuam" (Ps. 131, 11). Von deiner Leibesfrucht will setzen ich auf deinen Thron.

Wegen all' dem beten wir ihn an und erweisen ihm unsere Huldigung. Wir opfern die Herrlichkeit seiner Gottheit und die unaussprechlichen Tugenden seiner Menschheit demselben auf, um ihn dadurch anzubeten und zu verherrlichen. Wir vereinigen uns mit Maria, die in dieser Stunde dieses Geheimnis anbetet, mit Elisabeth, die zuerst das Wort gesprochen hat: gebenedeit ist die Frucht deines Leibes, mit den heiligen Engeln, welche die lebende Bundeslade anbetend und staunend umgeben, mit der heiligen Kirche, welche demütig das Knie beugt, so oft sie die Worte spricht: das Wort ist Fleisch geworden und hat unter uns gewohnt.

 

2. Dank

Unzählige Wohltaten schaut unser Auge bei der Betrachtung dieses Geheimnisses. Die größten von allen hat Maria empfangen. Er ist ja die gebenedeite Frucht deines Leibes; sie hat die wunderbare Würde der Gottesmutterschaft erlangt: sie wurde mit aller Gnade geschmückt, um sein würdiges Zelt zu sein; die Quelle all ihrer Herrlichkeit ist ihre selige Gottesmutterschaft.

Weil wir sie lieben und verehren, darum danken wir Gott freudigen Herzens für all' das Große und Wunderbare, das er an ihr gewirkt, und stimmen Tag für Tag in den Lobgesang ein, den sie zum Dank für solche Auszeichnung angestimmt und der forttönt durch alle Jahrhunderte: Magnificat: Hochpreise meine Seele den Herrn.

Und die Wohltaten, die für uns darin enthalten sind, zählt der heilige Bernhard (sermo 3. de Annuntiatione) sehr schön auf, wenn er sagt:

"In dir allein hat sich jener reiche, ja überreiche König selbst entäußert; er war hoch und hat sich erniedrigt, er war unermeßlich und hat sich eingeschränkt (abbreviatus) und hat sich selbst unter die Engel erniedrigt: der wahre Gott und Gottessohn hat Fleisch angenommen. Und wozu? Um durch seine Armut alle reich zu machen, um uns durch seine Niedrigkeit einen hohen Rang zu erwerben, um uns durch seine Menschwerdung eins zu machen mit ihm."

Meine Seele suche es zu erfassen, wie kostbar dies alles ist. Hätte dich der Herr zum König gemacht über alle Güter der Erde, es wäre nichts im Vergleich mit diesen unvergleichlichen Wohltaten. Und schau, mit welcher Liebe er dir all' dies spendet, in welcher Fülle und Freigebigkeit, und was er sich alles kosten läßt, um so viel dir zu geben.

Und jetzt überlege es dir recht ernst: was willst du tun, um deine Dankbarkeit ihm würdig zu erzeigen? Ein kurzes Dankeswort genügt hier nicht. Du mußt mehr tun. Schau auf die Heiligen. Opfere dich wie sie ihm ganz auf: er hat sich erniedrigt und du sollst es auch tun; er ist gehorsam geworden und es soll dir nicht zu viel sein. Fange heute noch an.

 

3. Sühne

Gebenedeit ist Jesus, hochgelobt in Ewigkeit. Hast du ihm immer die gebührende Ehre erwiesen? Er ist Gott, er kann befehlen. Hast du sein Wort und sein Gebot immer treu erfüllt? Treu im Kleinen? Sieh', das verlangt seine Würde; selbst durch kleine Verletzungen deiner Pflicht hast du seine Ehre mißachtet. Du mußt also Sühne leisten und mußt dafür sorgen, daß er immer hochgebenedeit sei in deinem Herzen.

 Er hat dir selbst das schönste Beispiel jeglicher Tugend gegeben. Du kannst ihn nicht besser ehren, als wenn du ihm nachfolgst, ihm möglichst ähnlich wirst. Hast du es hierin bisher zu sehr fehlen lassen? Er ist sanftmütig. Wirst du nicht hier und da unwillig? Er ist demütig. Bist du nicht zu schnell gekränkt über eine kleine Zurücksetzung? Er ist unendlich treu. Gehst du nicht oft zu leicht über deine Vorsätze hinweg?

Opfere ihm jetzt seine Tugenden als Ersatz für deine Nachlässigkeiten auf und fang wieder frisch an, den rechten Weg zu beschreiten.

 

4. Bitte

O Jesus, ich bin noch weit entfernt, dir jene Ehre zu erweisen, welche dir gebührt. Und doch möchte ich es gerne tun; hilf du mir! Sieh', deine eigene Herrlichkeit verlangt dies; erhöre also meine Bitte! Ich bin dir noch lange nicht ähnlich genug. Ich habe es heute wieder gesehen, wo es noch fehlt. Ich kann dem Elend allein nicht abhelfen. Aber wenn du mich stärkst, dann kann ich alles. Sieh, wie herrlich dein Name sein wird, wenn du einen solch armseligen Sünder aus dem Staube erhebst und ihn zu den Fürsten deines Volkes setzest, zu denen, die in Heiligkeit und Gerechtigkeit dir dienen. Ich rufe die Fürbitte deiner lieben Mutter Maria und meiner heiligen Patrone an. Um ihretwillen gib, was mein Gebet nicht vermag! Und mach, daß du hochgebenedeit seist von mir und allen deinen Geschöpfen! Amen.