16. Betrachtung: Jesus im heiligsten Sakrament
1. Anbetung
Alle göttlichen Vollkommenheiten und alle menschlichen Tugenden offenbart Jesus in diesem Geheimnis. Es werden hier nur Beispiele angeführt: die Allmacht in der Verwandlung, die Weisheit in seinem Zwecke, die Unermeßlichkeit, da er von den Gesetzen des Raumes frei ist; die unendliche Güte, da er in seiner Liebe bei uns bleibt bis zum Ende der Welt; seine Größe und Erhabenheit, da er an tausend Orten der Welt zugleich gegenwärtig ist; seine ewige Treue, da er sein Wort erfüllt und die Gestalt verwandelt, so oft der Priester die Worte der Konsekration spricht, usw.
Er offenbart hier unendliche Demut, da er seine Herrlichkeit verhüllt und in so unscheinbarer Gestalt erscheint; unendliche Geduld, da er sich so vielen Beleidigungen aussetzt; unendliche Sanftmut und Langmut, da er selbst den undankbarsten Sündern noch Zeit zur Buße läßt; allumfassende Liebe, da er für jeden da ist; der sich ihm naht; eine Barmherzigkeit ohnegleichen, da er erquicken will, die mühselig und beladen sind; eine wahrhaft göttliche Freigebigkeit, denn er ist reich für alle, welche ihn anrufen; usw.
Hier beten ihn die Engel an; tausende seliger Geister umgeben ihn Tag und Nacht und singen ihm Jubel oder beben in heiliger Ehrfurcht. Die Liebesglut der Seraphim wollen wir ihm aufopfern und das Entzücken aller Engelchöre über seine Schönheit. Hier beten ihn die Heiligen an, Maria, ihre Königin, an der Spitze, und opfern ihm auf die Werke, die sie in heldenmütiger Liebe auf Erden vollbracht: Patriarchen, Apostel, Märthyrer, Jungfrauen und Bekenner. Sie haben ihn geliebt aus ganzer Seele, weil sie wußten, wer er ist. Es war auf Erden ihre Wonne, am Fuße seiner Altäre zu sein; es ist jetzt im Himmel ihre Seligkeit, in sein unverhülltes Angesicht zu schauen. Mit ihnen vereinigen wir unsere Anbetung und Liebe.
Hier betet ihn die Kirche an, singt ihre schönsten Hymnen zu seiner Ehre; in Weihrauchwolken steigt ihre Anbetung zu ihm empor, sie sinkt andächtig in den Staub, wenn sie die Türe seines Tabernakels öffnet. Hier beten ihn die frommen reinen Seelen an; stundenlang knien sie zu seinen Füßen, in stiller Nacht weilen sie bei ihm, um ihn dreht sich ihr ganzes Denken. O Sakrament der Liebe, wie groß bist du; meine Seele freut sich über die Verherrlichung, die dir entgegengebracht wird, und freudig schließe ich mich dem Strome an, der sich in das Meer deiner Liebe ergießt. Hier möchte ich immer sein, bis ich der Kerze gleich aufgezehrt wäre zu deiner Verherrlichung.
2. Dank
Zähle, meine Seele, die Wohltaten, die Jesus im Sakramente spendet. Wir können sie nicht erschöpfend aufzählen; wir können uns nur in den Gedanken daran recht oft versenken. Hier lernen wir seine Liebe erst recht kennen. Liebe ist es, bei uns zu bleiben alle Tage bis ans Ende der Welt; größere Liebe ist es, sich für uns zu opfern auf dem Altare und sich uns als Speise zu geben auf unserer Wanderschaft. Was sagt uns dein Wort: Kommet alle zu mir, die ihr mühselig und beladen seid; ich will euch erquicken?
Und, meine Seele, hast du Jesu Wohltaten gezählt, dann miß und wäge sie auch in ihrer ganzen Bedeutung. Schau auf den Geber. Ist er nicht der Allerhöchste und reicht er sie nicht mit der größten Liebe? Schau auf die Gabe. Was kann es köstlicheres geben im Himmel und auf Erden als Jesus selbst, Jesus mit Leib und Seele, mit Gottheit und Menschheit, mit all den Schätzen seines Lebens und Leidens, mit all den Tugenden seines göttlichen Herzens? Und schau auf die Wirkungen seiner Gaben. Ewiges Leben schließen sie in sich, vor Sünde und Tod bewahren sie dich, sie führen die seligste Vereinigung mit Gott herbei, sie sind dir eine sichere Bürgschaft des Himmels. Wie vielen Gefahren würdest du nicht unterliegen, wie oft ermatten auf dem steilen Wege zum Himmel, wenn du das Brot nicht hättest, das unsere Jugendkraft der des Adlers gleich immer wieder erneuert?
Wie willst du nun deine Dankbarkeit zeigen? Du mußt zum wenigsten ein Wort der Anerkennung und Erkenntlichkeit sagen für jede Gabe, die du empfängst. Und ganz besonders glühend muß deine Dankbarkeit sein nach der heiligen Kommunion; und die Dankbarkeit und Liebe muß dich recht oft zum Tabernakel führen, um ihn da zu besuchen und für seine Liebe zu danken. Das ist der beste Dank, daß du seine Gaben recht hoch schätzest und sie recht gründlich ausnützest. Mach dir einen festen und klar bestimmten Vorsatz und führe ihn mit aller Treue aus.
3. Sühne
Wie war bisher dein Verhalten gegen das heiligste Sakrament? Prüfe dich streng. War es zu gleichgültig, zu kalt? Hast du es wenig besucht? Hattest du zu wenig Andacht in seiner Gegenwart? Und wie hast du die heilige Kommunion empfangen? Mit welcher Vorbereitung? Wie war deine Danksagung? Was hast du dir vorzuwerfen? Falle deinem Heiland zu Füßen und bitte um Verzeihung und fasse den festen Vorsatz, dich zu bessern.
Sieh'; Jesus verdient wahrheftig unsern Eifer und unsere Liebe. Wir können nicht zuviel tun. Wir müssen ihm den Aufenthalt unter uns so lieb und angenehm machen, als es uns möglich ist. Schau den Eifer der Heiligen an; suche ihnen ähnlich zu werden, opfere dem Heiland ihre Liebe auf, ihre glühende Andacht, ihre Sehnsucht nach der Vereinigung mit ihm. Leiste ihm auch Ersatz für die Kälte und Gleichgültigkeit der Welt Abbitte für alle Frevel, welche die Erde überfluten. Wir haben hier so viel zu tun, daß wir an kein Ende kommen: erweitere dein Herz und geh mutig an die Lösung all' dieser Aufgaben.
4. Bitte
So oft die Kirche das Allerheiligste aussetzt, bittet sie immer um die eine wichtige Gnade: "Verleih', wir bitten dich, daß wir die heiligen Geheimnisse deines Leibes und Blutes so verehren, daß wir die Frucht deiner Erlösung jederzeit in uns spüren."
Damit ist alles gesagt; wir bitten um den Geist einer wahren und andächtigen Verehrung und wir bitten um all' die Früchte, die in diesem Geheimnis für uns verborgen liegen. Wenn der Herr diese Bitten erfüllt, dann bist du reich, meine Seele. Dann dürfen wir auch beten: Bone Pastor, panis vere, Jesu, nostri misere: "guter Hirte, nähr' uns Arme, Jesus, unser dich erbarme, schirm' uns mit starkem Arm, gib uns Freude, frei von Harm dort im Land' der Lebendigen." Amen.