18. Betrachtung: Psalm 8
Text:
"Herr, unser Herr, wie wunderbar ist auf der ganzen Erde dein Name! Denn deine Herrlichkeit ist hoch erhöht über die Himmel. — Du hast dir Lob bereitet aus dem Munde der Kinder und des Säuglings ob deiner Feinde, so daß Feind' und Lästerer du entwaffnest. — Wenn ich anschaue deine Himmel, deiner Finger Werk, den Mond, die Sterne, so du hast gegründet — was ist der Mensch, daß seiner du gedenkest, das Menschenkind, daß du es heimsuchst? — Nur wenig hast du ihn erniedrigt unter die Engel, hast mit Herrlichkeit und Ehre ihn gekrönt und über deiner Hände Werk gesetzt. — Hast alles seinen Füßen unterworfen, Schaf' und Rinder alle, dazu des Feldes Tiere — des Himmels Vögel und des Meeres Fische, die des Meeres Pfade wandeln. — Herr, unser Herr, wie wunderbar ist auf der ganzen Welt dein Name!" (nach Psallite sapienter)
1. Anbetung
David betrachtet die herrliche Majestät des gestirnten Himmels und wird dadurch zur staunenden Anbetung des Allerhöchsten hingerissen. Er preist in erster Linie seine Allmacht und Größe. Gewiß! Was ist auch die Sternenwelt für eine wunderbare Schöpfung.
"Diese Lichtlein, welche ahnungs- und geheimnisvoll wie Herolde des ewigen Sabbats am Firmamente flimmern, weben um des Beschauers Herz leise Zauberfäden des Friedens, der Andacht und des Gottespreises. Sie wandeln still die ungemessenen Lichtbahnen, und doch wie beredt sind sie! Ihr feierliches Schweigen hat etwas von dem der Geisterchöre, deren Lichterguß Sprache und deren Erglühen Gesang ist. So klingt denn der Sterne mächtiger Chorgesang und die Musik der Sphären aus dem lichtdurchwobenen Höhen auch in Davids Seele" (Psall. sap. I. 56)
Diese Größe und Majestät des Herrn tritt so deutlich vor die Seele, daß sie selbst den Kindern verständlich, ja beinahe handgreiflich erscheint. Daneben beten wir die göttliche Weisheit an: Schöpfungsherrlichkeit und Kinderlob entwaffnen Gottesleugner und Gotteslästerer; sie müssen anerkennen: nicht Menschenfinger, sondern nur Gottesfinger kann die Wunderwelt dort oben ins Dasein rufen. — Und wiewohl der Herr so groß ist, so gedenkt er dennoch "des hinfälligen Menschen, widmet ihm seine Aufmerksamkeit, sucht ihn in Gnaden heim und neigt sein väterlich' Herz ihm zu." Das ist wunderbare Herablassung und Liebe.
Im marianischen Offizium ist die Herrlichkeit des gestirnten Himmels ein Bild der wunderbaren Schönheit der Gottesmutter. Von ihr schreibt das "Psallite":
"Maria ist in der Schöpfung eine besondere Größe, ein eigenes Weltsystem oder ein geheimnisvoller Himmelskörper, der wie der Mond inmitten der Sterne unvergleichlich alles überstrahlende Lichtströme empfängt und ausgießt und in hehrer Majestät, wie das königliche Gestirn der Nacht, am mystischen Firmament der Kirche strahlt .... bekleidet mit der Sonne, den Mond (d. i. die Welt) zu ihren Füßen und um das Haupt ein Sternendiadem, sitzt sie ganz nahe beim Lichtthrone des dreifaltigen Gottes, mütterlich herrschend über alle ihr zu Füßen gelegten Kreaturen." (S. 63).
2. Dank
In den schwungvollen Versen des Psalmes sind die größten Wohltaten angedeutet und besungen, die Gott dem Menschen erwiesen hat. Zuerst die Herablassung und Liebe, mit der sich Gott des Menschen annimmt. Dann kommt die herrliche Ausstattung und Stellung, die er ihm verliehen hat. Ja, — wie herrlich ist der Mensch aus des Schöpfers Hand hervorgegangen! "Den Leib umfließt wundersame Anmut und Schönheit; der sonnige Glanz seiner Augen, der Adel der Haltung, die Harmonie aller Verhältnisse kennzeichnen ihn als das Meisterwerk der sichtbaren Schöpfung.
Und erst die Seele! Gleichsam ein Lebensstrom aus dem Herzen Gottes, ist sie dessen Bild und Gleichnis, der Widerschein seiner Majestät, dreifach leuchtend in ihren Kräften. Nur ein wenig ist der Mensch geringer gemacht als die Engel. Und das nur auf kurze Zeit. Denn ist die Erdenfrist abgelaufen und die Treue bewährt, dann wird der Mensch gewissermaßen ganz ein Engel, ein Mitbürger des Himmels.
Auch auf Erden hat Gott den Menschen mit Ehre und Herrlichkeit gekrönt und eingesetzt über die Werke seiner Hände, über die gesamte unfreie Kreatur. O unaussprechliche Würde des Menschen! Er herrscht als Stadthalter Gottes im weiten Reiche der Natur. Alles hast du, Herr, unter seine Füße gelegt, alles im gewissen Sinne für ihn, zu seinem Dienst und Frommen geschaffen. O herrliches Königtum, o priesterliche Hoheit des Menschen inmitten der gesamten sichtbaren Schöpfung!" (Vergl. Psallite I S. 59).
Für alles dieses: für Gottes Vaterliebe, für unsere herrliche Ausstattung und Stellung wollen wir heute ganz besonders dem Herrn unsere Dankbarkeit darbringen.
Auch der Wohltaten wollen wir dankbar gedenken, die Maria von Gott geschenkt wurden. Wenn wir herrlich ausgestattet sind von ihm mit wundervollen Gaben, was können wir dann erst von ihr sagen? Sie ist das Meisterwerk der göttlichen Allmacht, Weisheit und Liebe. Leib und Seele waren mit Gaben ausgestattet, die über unsere Vorstellungen hinausgehen; als Gottesmutter und Himmelskönigin ragt ihre Stellung über alles Geschaffene empor.
Wer sie liebt, wird dem Herrn eifrig danken für die Wunder, die er an ihr gewirkt. Und danken müssen wir ihm auch dafür, daß er sie uns als Königin gegeben; sie ist eine Herrin der Güte, eine Mutter der Barmherzigkeit; und es ist eine Wohltat, unter ihrem milden Zepter zu stehen.
Wie traurig ist das Los derer, die nicht den rechten Glauben haben: sie haben keine Mutter, zu der sie in ihren Anliegen eilen; sie haben keine himmlische Schutzfrau, die sie anrufen können, wenn sie in Not und Bedrängnis sind.
Glücklich Volk der katholischen Kirche, wie gut hast du es! Erkenne es und preise in Dankbarkeit den Herrn dafür!
3. Sühne
Hast du dem Herrn für seine Herablassung und Liebe die entsprechende Gegenliebe entgegengebracht? Siehe, er hat in so vielen Gnaden deiner gedacht. Hast du nicht stundenlang vergessen, auch nur an ihn zu denken? Ist die sternenhelle Nacht eine erfreuliche Erinnerung an ihn? Und erzählen dir die Vögel des Himmels und die Tiere des Feldes, Schafe und Rinder der Weide von ihm, der sie dir zu Untertanen gemacht und zu eigen gegeben hat?
Du mußt von heute an mehr an ihn denken, mußt durch den Anblick seiner Gaben und der Schönheit der sichtbaren Welt zu ihm emporsteigen, wie du es an David siehst, der diesen herrlichen Psalm gedichtet hat.
Und hast du die herrlichen Gaben gut benützt, die er dir gegeben? Hast du deinen Verstand nicht zu stolzen Gedanken mißbraucht und deinen Willen nicht durch Anhänglichkeit an etwas Böses entweiht und hast du die Schönheit deines Leibes nicht zur Quelle törichter Eitelkeit werden lassen?
Prüfe dich und leiste dafür Abbitte und sorge dafür, daß es anders wird. Du bist der König der Kreaturen. Hast du deine Herrschaft gut und milde ausgeübt? Kein Geschöpf dem Zweck entzogen, zu dem es Gott gemacht hat? Siehe, die Natur selbst wäre dein Ankläger; sie seufzt über die Sünden der Menschen und wartet mit Sehnsucht auf den Tag, wo sie von diesem Fluch erlöst wird (vergl. Röm. 8, 19).
4. Bitte
Herr, mein Gott, wunderbar in deinem Wesen, gib mir nur das eine: daß ich nichts mißbrauche von dem, was du mir gegeben, und daß alles, was du unter meine Füße gestellt, mir diene zum Zwecke meiner Bestimmung, gleich einem Schemel, einer Sprosse zu dir mich erhebe und in deiner Hand ein Lob- und Dankopfer werde zum Preis deines Ruhmes. (Verg. Psall. 1. S. 64). Amen.