20. Betrachtung: Psalm 92
Text:
Der Herr ist König! Mit Hoheit hat er sich bekleidet; bekleidet hat der Herr mit Macht sich und gegürtet. — Ja, fest gestellt hat er den Erdkreis, der nicht wanken wird. — Fest steht von da dein Thron; von Ewigkeit bist du. Es huben Ströme, Herr, es huben Ströme ihre Stimme. — Es huben Ströme ihre Fluten, mehr denn Getöse vieler Wasser. O wunderbare Meeresbrandung! — Glaubwürdig überall sind deine Zeugniss'; deinem Hause ziemt Heiligkeit, o Herr, auf ew'ge Zeiten."
1. Anbetung
Dieser herrliche Preis preist Gottes Macht, Ewigkeit, Treue und Heiligkeit. Gottes Königsmacht zeigt sich in der Weltschöpfung wie in der Geschichte. In der Natur hat er den Schmuck der Schöpfung wie einen goldgewirkten, juwelenblinkenden Kaisermantel angetan und in der Geschichte hat er sich mit Siegesherrlichkeit geschmückt und hat der Heiden Aufruhr erschüttert, die sein Reich glaubten bedrohen zu dürfen.
Des Feindes Andrang war wie der Ströme Drang des aufgestauten roten Meeres. Dräuend schwellen, bäumen sich, von Orkanen erfaßt, die Wogen, als wollten sie die Sterne vom Himmelszelt reißen und das Festland verschlingen. Ähnlich drangen tosend, wuttobend die Wogen der feindlichen Heere, die empörten Völkermassen von den Strömen Euphrat und Tigris und vom Mittelmeer wider Israel an, als wollten sie es verschlingen.
Umsonst; der Herr hat sich gewaltig und wunderbar als Herrscher erwiesen. Sein Thron steht ewig; weil anfanglos, ist er endlos, unendlich, sein Reich ist unzerstörbar, unvergänglich. Durch solche Offenbarungen seiner Macht hat er, der Herr, auch seine Treue herrlich bewahrt, womit er die im Gesetze verkündeten Drohungen und Verheißungen unfehlbar erfüllt. Darum geht Heiligkeit von seinem Throne aus; er läßt an seinem Heiligtum nicht freveln, sondern schützt es vor entweihten Händen.
Schau den Herrn, wie groß er ist, und bete ihn an und bringe ihm deine Huldigungen dar. Erfülle seine Seele mit großem Vertrauen zu ihm und gib dich ganz ihm hin in heiliger Unterwerfung. All die Herrlichkeit, die du am dreieinigen Gott hier schaust, ist auch Jesus unserm Heiland eigen. Er ist unser König voll Macht und Heiligkeit, umgürtet mit Macht und Treue, und es wird uns, wenn wir ihn in solchem Glanze sehen, gewiß nicht schwer, ihm zu folgen auf all seinen Wegen.
Auch Maria, der Königin des Himmels, gilt unser Lied. Fest steht der Thronsitz der über alle Kreaturen waltenden Herrin, über- und durchflutet von hochwallendem, jubelbrausendem Licht- und Wonneozean der Gottheit. Sie ist des Allherhöchsten Haus und gnadenreiche Wohnstätte, mit Heiligkeit geziert bis in die Länge der Tage (nach Psall. sap.III. S. 392 ff.).
2. Dank
Wie gut ist es für uns, daß wir unter der milden und weisen Herrschaft des lieben Gottes stehen. Wir müssen ihm heute herzlich danken für all die Fürsorge, die er uns zuwendet. Er behütet uns wie seinen Augapfel, er deckt uns mit seinem Schilde, mit seinen Schultern schirmt er uns und unter seinen Fittichen leben wir voll froher Hoffnung (Ps. 90). Wie eine Henne ihre Küchlein sammelt, so hat er uns um sich geschart (Matth. 23, 37) und festgegründet hat er den Erdkreis, daß er nicht wanke. Auch das ist eine große Wohltat; daß feststeht der Boden, auf dem wir unser Haus bauen; für jedes Jahr, in dem er uns vor Erdbeben schützt, müssen wir ihm besonders Dank aussprechen.
Und fest ist der Boden, auf dem unser Glaubensleben ruht. Wir werden nicht von unsicheren Meinungen hin- und hergetrieben; er hat ein unfehlbares Lehramt aufgestellt; in den wichtigsten Lebensfragen, in Glaubens- und Sittenlehren stehen wir auf durchaus sicherem Boden. Vergiß nicht, dafür zu danken.
Und gegen das Toben der feindlichen Gewalten sind wir gesichert, der Feind vermag nichts wider uns, und die Pforten der Hölle können das Reich nicht bewältigen, in dem wir sicher ruhen. Und auch in der Versuchung dürfen wir nicht verzagen, sondern können mutig sprechen: "Der Herr ist mein Licht und mein Heil; wen soll ich fürchten? Der Herr ist der Beschützer meines Lebens; vor wem zittern? Mag sich ein Heerlager wider mich erheben, mein Herz fürchtet sich nicht" (Ps. 26, 1-4).
Sieh', das sind die Wohltaten seines Königtums. Erkenne es voll Dankbarkeit an, wie gut du es hast unter seinem Zepter.
3. Sühne
Wie töricht, wer sich ihm nicht fügen will, wer sich auflehnt oder Unzufriedenheit nährt. Im Licht dieser Vorteile sehen wir, wie häßlich solches Verhalten wäre, wie es mit Recht den Herrn aufs tiefste erzürnte.
Aber haben wir uns solches nicht zuschulden kommen lassen? Vielleicht gestern erst? War denn mein Gebet so, daß ich es dem König der Herrlichkeit geziemend darbringen konnte? Und war meine Arbeit so, daß er hat zufrieden sein können?
Und wenn ich den Gehorsam verletzte, so war das Auflehnung gegen seinen Willen. Und wenn ich mich zum Murren verleiten ließ, sei es auch nur in Gedanken, so war das Verkennung seiner Liebe.
Das habe ich gefehlt. Das muß ich gutmachen. Wie kann ich das? Ich muß seine Gegenwart und den Glanz seiner Herrlichkeit viel mehr vor Augen haben; dann werde ich daran denken, daß sein Auge auf mich schaut und daß die Strahlen seines leuchtenden Lichtthrones auf mich fallen, dann werde ich es nicht wagen, meinem verhärteten Sinne zu folgen und ihm zu trotzen.
4. Bitte
Das ist etwas Großes; ich kann es nicht allein. Ich falle vor deinem Throne nieder und bitte um deine Hilfe und Gnade. Hilf mir, daß ich vor dir wandle, schärfe mein Auge, daß es deine Herrlichkeit sieht, die mich rings umflutet, wie der Ozean das kleine Fischlein.
Und du weißt es auch, daß das Fleisch schwach ist und daß sich die Wogen der Anfechtungen oft mächtig gegen meinen guten Willen erheben. Erweise dich als wunderbar an mir, gebiete dann dem Sturme und laß eine große Stille in mir werden, daß meine Seele unter deinen Fittichen ruhe und dir fröhlich diene.
Und Heiligkeit ziemt deinem Hause: ja, so laß mich heilig sein; denn ich bin ja dein Tempel und du wohnst in mir, und laß mich Tag für Tag an Heiligkeit zunehmen, bis ich jene Hoheit und Zier schauen darf, womit du im Himmel dich gegürtet hast! Amen.