23. Betrachtung: Psalm 109

 

Text:

"Es spricht der Herr zu meinem Herrn: Setze dich zu meiner Rechten; bis daß ich deine Feinde leg' zum Schemel deiner Füße! Das Zepter deiner Macht, der Herr entsendet es aus Sion; so herrsch' in Mitte deiner Feinde. Mit dir ist Herrschermacht am Tage deiner Kraft im Glanz der Heil'gen; (denn) aus dem Schoße hab' ich vor dem Morgensterne dich gezeugt: Geschworen hat der Herr; nicht wird's ihn reuen: Du bist auf ewig Priester nach der Weis' Melchisedechs! — Der Herr, zu deiner Rechten, zerschellt an seinem Zorntage Könige. Gericht hält unter Völkern er, macht voll den Sturz, zerschellt die Häupter weit und breit auf Erden. Vom Bache trinkt er auf dem Wege; drum hebt er hoch das Haupt."

 

1. Anbetung

Vor Davids anbetender Seele steht Jesus Christus als ewiger Priester und König, herrschend in seinem Reiche der Gerechtigkeit und des Friedens. Wenn wir den Psalm beten, verkünden wir die erhabenen Titel, womit der Vater seinen Sohn ehrt und der Sohn wiederum seine Erkorenen beschenkt. Was David prophetisch hier schaut, ist die Erhöhung Jesu in seiner Himmelfahrtsstunde.

Der Vater spricht zum Sohn; dieses Sprechen des Herrn ist zugleich Wort und Tat; es ist eine Einladung an Jesus, seiner menschlichen Natur nach an des Vaters Herrscherherrlichkeit teilzunehmen. Was mein ist, ist dein. Und alle Feinde Jesu, angefangen vom höllischen Erzfrevler bis zum letzten Sünder, werden zum Schemel seiner Füße, dir völlig unterworfen, all ihr Trotz gebrochen, der Hölle Toben vereitelt.

Von Sion, dem Ausgangspunkt der vollendeten Gottesherrschaft, entsende ich dein Machtzepter; ich strecke deinen Herrschaftsstab aus bis zu den Grenzen der Erde; herrschen wirst du inmitten deiner Feinde. Mag Welt und Hölle dagegen aufstehen, sie können die Ausbreitung deines Reiches nicht verhindern. Du bist ein unbesieglicher Held! Am Tage deiner Kraft, d.h. solange Feinde dir zu Füßen hingestreckt werden, offenbarst du deine unantastbare Gottesherrschaft im Glanze deiner Heiligen ohne Schranken.

Du bist Gott von Gott, Licht vom Licht; aus meinem Schoße, aus dem Innersten meines allerheiligsten Wesens habe ich dich gezeugt vor dem Morgenstern, vor jeglicher Kreatur. Noch war nicht Luzifer, der leuchtende Morgenstern der Geisterschöpfung, aus dem Nichts heraufgestiegen, da warst du mein unerschaffener Sohn, der unendliche Abglanz meiner Natur, Größe, Herrlichkeit, Majestät.

Dein Reich ist kein irdisches, sondern ein überirdisches Friedensreich; dein Königtum ist königliches Priestertum, eine Herrschaft, die das Böse überwindend Himmel und Erde versöhnt.

Du bist Priester auf ewig; das ist dein höchster Titel. Diesen ewig beschwornen Ratschluß werde ich nimmer zurücknehmen, ob man ihn auch ungläubig mißachtet oder undankbar mißbraucht. Du bist der einzig würdige, mir unendlich wohlgefällige, mit allen Schätzen der Heiligkeit ausgestattete gottmenschliche Priester, der die vollkommenste Opfergabe, sich selbst, auf die vollkommenste Weise unausgesetzt und glorreich darbringt zur Sühne für die Menschheit.

Melchisedech, der in der Urgeschichte so wundersam auftauchende Priesterfürst, ist dein prophetisches Vorbild. Du opferst dich selbst in der Brots- und Weingestalt im neuen Jerusalem. Und deine Herrschaft wird sich in der Weltgeschichte wunderbar offenbaren; dein Zepter wirft alle Widerstände zu Boden, zumal an dem schreckenvollen Zorntage des letzten Gerichtes, wo an deinem allmächtigen Stabe die feindlichen Könige zerschellen.

Da hältst du dann Gericht unter den Nationen und der Kampfschauplatz füllt sich mit den Trümmern zerschellter Weltgrößen; du machst da ihr Verderben voll, vollzählig die Leichen der Gerichteten.

In tiefster Demut bist du einstens zur äußersten Erniedrigung herabgestiegen, hast aus dem Gießbach am Wege getrunken, aus den tosenden Wassern der Schmerzen, Beschwerden und Drangsale und dafür empfängst du jetzt solche Herrlichkeit, erhebst das Haupt in überfließender Glorienwonne.

Meine Seele! Wir müssen in staunender Anbetung versinken, so oft wir diesen Psalm beten oder betrachten; er führt uns in die Tiefen der Herrlichkeit Gottes, in die Abgründe der heiligsten Dreifaltigkeit, wo der Mensch sich demütig neigt, sich huldigend opfert, in heiligen Schauern nur mehr staunt und schweigt.

 

2. Dank

Wir danken dem Vater für all die Herrlichkeit, die er seinem Sohne verliehen; denn Jesus gehört uns, und je reicher Jesus ist, desto reicher sind auch wir.

Und wir danken Jesu besonders für alles, was er in der Ausübung dieser seiner göttlichen Machtvollkommenheit für uns tut. Er besiegt seine Feinde: diese Feinde sind auch unsere Feinde, sie haben uns den Untergang geschworen: er kämpft für uns, er besiegt sie für uns; wir können ruhig wohnen im Schatten seiner Flügel.

All der Glanz und das Glück der Heiligen geht von ihm aus; von ihm haben auch wir alles, was uns heilig und selig macht: die Anregung zu jeder Tugend und die Gnade dazu und sein erhabenes Beispiel. Durch ihn sind auch wir Gottes Kinder geworden, die er liebt, für die er sorgt, denen er die Erbschaft des Himmels übertragen will.

Jesus ist unser Priester und hat durch sein Opfer am Kreuze uns mit dem Vater versöhnt, uns den Zugang zu ihm verschafft, den Himmel geöffnet. Und wie viel hat es ihm gekostet! Zähle, meine Seele, seine bitteren Leiden alle, zähle die Tropfen seines kostbaren Blutes. Er hat uns die heilige Messe geschenkt, aus der wir alle Gnadenschätze schöpfen können, die wir nötig haben. Er hat für uns aus dem Gießbach der Erniedrigung getrunken, damit er uns erheben und unser Haupt krönen könne mit seiner eigenen Herrlichkeit.

Für alles dies gebührt ihm unser Dank. Bedenke auch, wie elend wir wären, wenn wir unsern Jesus und seine Königsherrschaft und sein segensvolles Priestertum nicht hätten. Dafür müssen wir ihm aber auch mit allem Eifer dienen und mit aller Liebe uns ihm unterwerfen.

 

3. Sühne

Siehe, ewiger Vater! Jesu Opfer am Kreuze und in der heiligen Messe bringe ich dir dar, wenn ich mich gegen deine Herrschaft verfehlt habe und wenn ich es verdient hätte, gleich deinen Feinden hingestreckt zu werden zum Schemel deiner Füße. Mit aller Willigkeit will ich mich jetzt deinem Dienst ergeben, will mit dir gern aus dem Becher der Trübsal trinken, wenn ich nur deine Herrlichkeit schauen und einst das Haupt erheben darf im Glanze deiner Heiligen.

 

4. Bitte

Um dieses bitte ich in aller Demut. Laß mich deiner würdig wandeln, strecke die Feinde nieder, die mich von dir losreißen wollen. Laß mich die Herrlichkeit deines Reiches schauen und meine Freude jetzt schon daran haben: gieß die ganze Fülle deiner priesterlichen Gewalt über mich aus und herrsche in meiner Seele unbeschränkt. Wenn ich nur dein bin und dich liebe, dann kann mich nichts mehr von dir trennen. Amen.