24. Betrachtung: Der Tod
1. Anbetung
Der Tod ist der Sünde Sold; er ist eine Offenbarung der göttlichen Gerechtigkeit. "An dem Tage, sprach Gott, da ihr von diesem Baume esset, werdet ihr sterben." Die ersten Menschen aßen, sie übertraten Gottes Gebot und sie mußten sterben und ihre Nachkommen mit ihnen.
Der Tod ist unser größtes Bußwerk; er ist von vielen Schmerzen und Demütigungen begleitet: er reißt die Menschen von allem weg, was ihnen lieb und teuer ist, er schüttelt über den Leib herbes Leid aus und erfüllt die Seele mit Angst und Betrübnis. Und wenn der Mensch tot ist, dann schafft man ihn schnell hinweg, weil sein Geruch das Haus verpesten würde.
Und Gottes Heiligkeit und seine unerforschlichen Gerichte machen den Tod unsagbar ernst: er entscheidet über die ganze Ewigkeit. Bin ich im Stande der Gnade in dem Augenblicke, wo ich vor den allheiligen Richter hintrete, dann bin ich für ewig gerettet; ist eine Seele in diesem schrecklichen Augenblicke im Stande der schweren Sünde, dann ist alles verloren: eine Ewigkeit in der Hölle wartet ihrer. Und haften noch manche leichtere Mängel an ihr, so muß sie noch Strafe im Fegfeuer gewärtigen, für deren Maß und Dauer wir keinen Anhaltspunkt haben.
Es ist etwas schrecklich Ernstes, vor dem Richterstuhl dessen zu treten, vor dessen allheiligen Auge selbst die Engel kaum rein befunden werden. Und im Tode zeigt sich so recht die menschliche Armseligkeit gegenüber der Herrlichkeit Gottes. Gott ist ewig; er kennt weder Anfang noch Ende: der Anfang unseres Lebens ist Hilflosigkeit und das Ende ist Schmerz, Angst und Tod. Gott ist unveränderlich; doch welchen Veränderungen ist der Mensch unterworfen: die Seele trennt sich vom Leib und der Leib verfällt der furchtbaren Entstellung: es überzieht ihn Leichenblässe, seine Züge werden starr, so daß sich die Menschen scheuen, ihn anzuschauen: niemand weilt gern allein in der Gesellschaft der Leichen; und dann beginnt der Zerfall und man muß ihn der Erde übergeben.
Gott hat mir die Zeit und die Umstände meines Todes verborgen: ich weiß, daß ich sterben muß, aber ich weiß nicht wann und wo und wie. Nur das weiß ich: wenn ich in einer Todsünde sterbe, dann bin ich verloren auf ewig. Hierin zeigt sich Gottes unendliche Weisheit. Jetzt können die Menschen nicht leichtsinnig in den Tag hineinleben und sich dem Vergnügen überlassen bis zum letzten Tag, um sich dann schnell noch zu bekehren; es gilt für sie die ernste Mahnung des Heilandes: "Wachet; denn ihr wisset weder den Tag noch die Stunde" (Matth. 25, 13). Der Menschensohn kommt wie ein Dieb in der Nacht. Glückselig der Knecht, den der Herr wachend findet, wenn er mitten in der Nacht kommt.
Es ist auch eine Offenbarung seiner Güte, daß uns die Stunde des Todes unbekannt ist. Wie schrecklich sind dem Verurteilten die Tage, da er die Stunde seiner Hinrichtung kennt. So wäre es auch bei uns; auf unserem Leben lastete der schwerste Druck. Das wollte der Herr uns ersparen deshalb ließ er uns in glücklicher Unwissenheit.
Die schönste Huldigung, die wir dem Herrn als dem unumschränkten Gebieter über Leben und Tod darbringen können, besteht wohl in der völligen Ergebung in seinen Willen, indem wir immer wieder mit Herz und Mund beten: O Gott, ich nehme schon jetzt jede Art des Todes mit all ihren Schmerzen, Leiden und Ängsten, wie es dir gefallen wird, mit voller Bereitwilligkeit aus deiner Hand an, um dich zu ehren und anzubeten.
2. Dank
Das Sterben der Heiden ist trostlos; für gute Christen hat Gott den Tod mit unschätzbaren Tröstungen umgeben.
Das Losreißen von den irdischen Dingen ist nicht so schwer, weil sich der gute Christ in seinem Leben schon so viel als möglich von ihnen losgemacht hat; die Trennung von den Angehörigen ist nicht so schmerzlich, weil ihn die Hoffnung auf ein Wiedersehen belebt; der Zerfall des Leibes ist nicht so entsetzlich, weil er auf eine glückliche Auferstehung hofft.
Der größte Trost aber sind ihm die heiligen Sterbesakramente: in einer guten Beicht kann er sich nochmal von allen Fehlern des Lebens reinigen; dann kommt sein Heiland selbst zu ihm, um ihn zu stärken für den letzten Gang, und in der heiligen Ölung empfängt er die Kraft, den Angriffen des Feindes bis zum Ende standzuhalten, und es werden noch alle Wunden geheilt, welche die Sünde und die menschliche Schwachheit ihm geschlagen.
Die Kirche begleitet ihn mit ihren Gebeten bis ans Grab und sendet ihm ihre Gnadenschätze in die Ewigkeit nach; sie wendet ihm ihre Ablässe zu und bezahlt aus den Schätzen der Verdienste Jesu und der Heiligen, was ihm noch mangelt.
Ja, es ist wahrhaftig außerordentliche Liebe, mit der Gott den sterbenden Christen noch in den letzten Augenblicken umgibt. Wir müssen ihm dafür mit größtem Eifer unsere Dankbarkeit erzeigen. Wir müssen diese Gaben recht hochschätzen und jetzt schon ein recht herzliches Verlangen nach denselben erwecken. Wenn wir jetzt schon im Leben dem Herrn eifrig dafür danken, dann wird er sie uns sicher in unserer Sterbestunde im reichen Maße zuwenden.
3. Sühne
Der heilige Benediktus verlangt von seinen Söhnen, sie sollten alle Tage den Tod als etwas vor Augen haben, dem man nicht trauen darf (suspectam habere), und der Heiland sagt: Wachet; denn ihr wisset weder den Tag noch die Stunde.
Haben wir uns bisher Mühe gegeben, uns auf eine gute Sterbestunde vorzubereiten? Die beste Vorbereitung ist ein Leben starker Tugend: Qualis vita, finis ita: Wie das Leben so der Tod. Ist unser Leben ein Leben nach dem Willen Gottes, dann ist es auch unser Sterben.
Und viel beten müssen wir um einen guten Tod. Die heilige Gertrud verwandte jeden Monat einen Tag, um sich auf den Todd vorzubereiten; sie ordnete ihre Seelenangelegenheiten und machte sich bereit, vor dem Herrn zu erscheinen.
Was habe ich bisher getan, um mich auf den Tod vorzubereiten! Muß ich hierin nicht eifriger werden?
4. Bitte
Herr Jesus, um deines glorreichen Todes willen schenke mir die Gnade, daß ich gut sterbe. Siehe, wenn ich in deiner Gnade sterbe, bin ich für ewig gerettet. Wenn ich in der Sünde stürbe, das wäre fürchterlich! Nein, laß' nur das nicht geschehen; um deiner Barmherzigkeit willen bewahre mich vor so etwas!
Heiliger Benediktus, im Leben wie im Tode gesegnet, du hast versprochen, einem jeden im Tode beizustehen, der dich täglich an deinen seligen Tod erinnert; siehe, das will ich jetzt tun und du wirst mir deine Hilfe nicht versagen.
Und du, heiliger Joseph, du hattest das Glück, in den Armen Jesu und Mariä zu sterben, du bist der besondere Patron der Sterbenden, sei mir gnädig und verlaß' mich nicht in meiner letzten Stunde!
Und meine Gebieterin und Mutter Maria, breite in diesen letzten Kämpfen deinen Schutzmantel über mich aus und stelle mich deinem Jesus vor, daß er mir gnädig sei; heilige Maria, Mutter Gottes, bitt' für uns jetzt und in der Stunde unseres Absterbens. Amen.