26. Betrachtung: Die Keuschheit

 

1. Anbetung

Jene heilige Keuschheit, die in den Klöstern geübt werden soll, hat der Herr mit dem höchsten Glanz und mit den kostbarsten Vorzügen ausgestattet. Man nennt sie die Perle der Tugenden, den Adel der Seele; sie macht die Menschen den Engeln gleich und sichert ihnen Gottes ganz besonderes Wohlgefallen.

Wir beten Gottes Weisheit an, der diese Tugend so hoch erhoben hat. Er wollte dadurch zeigen, daß es etwas Großes ist, wenn eine Seele auf irdische Lust und irdische Liebe verzichtet und sich ganz in heiliger Treue und ausschließlich dem lieben Gott weiht. Darum legt auch die heilige Gertrud dem himmlischen Seelenbräutigam die schönen Worte in den Mund:

"Auf dem Wink meiner Hand gehen die Lilienscharen der Jungfrauen hervor und ich ziehe ihnen voran im Reigen des ewigen Lebens, in den Wonnen meiner Gottheit. Welche Seele daher immer mich lieben mag, die will ich mir verloben und will sie das Loblied der Jungfrauen lehren."

Wir wollen diese Liebe dankbar anbeten, die "es nicht verschmäht, die Augen niederzuneigen nach diesem Erdental und Veilchen zu pflücken, die dort makellos sprossen."

Und wir beten seine Heiligkeit an, welche angeordnet hat, daß niemand Gott schauen kann, der nicht unschuldige Hände hat und ein reines Herz. Wie rein und heilig muss Gott sein, der solche Liebe zur Herzensreinheit offenbart!

 

2. Dank

Und welch seliges Glück, welch kostbare Güter hat er denen in Aussicht gestellt, welche aus Liebe zu ihm ihr Herz rein bewahren! Ihnen ist im Himmel eine eine ganz besondere Glorie eigen; die Jungfrauen dürfen ein Lied singen, das die übrigen Auserwählten nicht zu singen vermögen. Auf Erden dürfen sie in seligster Vereinigung mit dem Heiland leben und sich seiner besonderen Bevorzugungen erfreuen nach den Worten des Apostels: "Wer kein Weib hat, ist um das besorgt, was Gottes ist, wie er Gott gefallen möge" (1. Kor. 7 37). Sie dürfen zu Füßen Jesu sitzen und sie haben den besten Teil erwählt, der nicht von ihnen genommen werden soll in Ewigkeit.

Begeistert ruft daher der heilige Athanasius aus: "Jungfräulichkeit, Krone, die nicht welkt, Tempel Gottes, Heiligtum des Heiligen Geistes, kostbare Perle, von Wenigen gefunden, von Vielen gehaßt, von den Würdigen geschätzt. Enthaltsamkeit, du vernichtest den Tod und besitzest die Unsterblichkeit; du bist die Freude der Propheten, die Glorie der Apostel, das Leben der Engel, die Krone der Heiligen. Selig, wer dich besitzt und standhaft bewahrt; weniges ist es eigentlich nur, was er für dich opfern muß; viel Freude liegt für ihn in dir verborgen."

Vergiß nicht, meine Seele, dem Herrn für alles dieses herzlich zu danken.

 

3. Sühne

Das wichtigste ist, daß wir die Forderungen, die sie an uns stellt, mit aller Treue und aller Entschiedenheit erfüllen; denn darauf kommt alles an. Wir müssen alles fliehen, was in Gedanken, Worten oder Werken die heilige Reinheit verletzt, müssen jeder böse Gelegenheit entschieden aus dem Wege gehen, alle gefährlichen Freundschaften und Vertraulichkeit meiden, müssen uns vor dem Stolz hüten und unsere Sinne in strenger Zucht halten.

Die Mittel, die uns zur Erhaltung der heiligen Reinheit von den Geisteslehrern empfohlen werden, sind folgende: Die Gottesfurcht eifrig pflegen, das Gebet fleißig üben, die liebe Mutter Gottes kindlich verehren, sich in der Demut tief begründen, die Gefahr fliehen, den Müßiggang meiden und sich geregelter Arbeit unterziehen, in Speise und Trank mäßig sein, unnötige Bequemlichkeiten meiden und die heiligen Sakramente der Buße und des Altars oft und mit großer Andacht empfangen.

Hast du, meine Seele, diese Mittel bis jetzt immer und mit großem Eifer angewendet? Schau auf die großen Opfer hin, welche die Heiligen der Herzensreinheit zuliebe gebracht haben: der ägyptische Joseph, Susanna, Aloysius.

 

4. Bitte

Herr, ohne deine Hilfe vermag ich den Feind nicht zu überwinden. Ich will nicht nachlassen, dich alle Tage um deinen Beistand anzurufen.— Anrufung Mariä und anderer großer Patrone dieser herrlichen Tugend.