34. Betrachtung: Jesus, der für uns Blut geschwitzt hat
Ein Rosenkranzgeheimnis
Text
"Jesus begab sich nach seiner Gewohnheit an den Ölberg; es folgten ihm aber auch die Jünger. Und als er an den Ort kam, sprach er zu ihnen: Betet, daß ihr nicht in Versuchung fallet. Und er entfernte sich von ihnen einen Steinwurf weit, kniete nieder und betete und sprach: Vater, wenn du willst, so nimm diesen Kelch von mir; jedoch nicht mein Wille, sondern der deine geschehe. Es erschien ihm aber ein Engel vom Himmel und stärkte ihn. Und sein Schweiß ward wie Tropfen auf die Erde herabrinnenden Blutes" (Luc. 22, 39-44).
1. Anbetung
Es ist zunächst Jesu göttliche Weisheit, die sich hier offenbart, daß er seiner Gewohnheit gemäß zum Ölberg ging. Er wußte, daß Judas ihn verraten wollte, und es war seine Absicht, sich freiwillig dort einzufinden, wo er wußte, das sie ihn suchen würden, damit es allen klar würde, daß er aus freier Wahl und nicht aus Zwang in den Tod ging.
Ganz besonders aber beten wir Jesus in den heldenmütigen Tugenden an, die wir im Ölgarten an ihm bewundern. Vor allem ist es die Liebe, eine unaussprechliche Liebe, die ihn drängt, für uns sein Leben hinzugeben.
Dann bewundern wir die außerordentliche Stärke, mit der er gegen die Todesangst und das Widerstreben der Natur kämpft. Es war ja etwas Fürchterliches, was vor ihm stand: ein Leiden, vor dem die Natur in ihren innersten Tiefen erschauert, ein Meer von Sünden, die er auf sich nehmen, in das er gleichsam untertauchen soll, das seine reine, heilige Seele mit unsäglichem Grauen erfüllt; und endlich der entsetzliche Gedanke, daß sein Leiden für nur allzuviele vergeblich sein wird.
Da ist das Gebet das Einzige, was ihn aufrichten kann. Und welches Gebet! Ein Gebet aus der Tiefe eines angsterfüllten Herzens, ein Gebet von solcher Innigkeit, daß mit ihm nichts verglichen werden kann. Aber nur, wenn der Vater es will. Diese Ergebenheit, dieser heldenhafte Opfermut, der im Angesicht des freien Willens spricht: "Nicht mein Wille geschehe, sonder der deine", fordert unsere höchste Bewunderung.
Meine Seele, knie neben deinem Heiland nieder und bete ihn an; siehe, er hat dir ein erhabenes Beispiel gegeben; schon um dieser einen Tat willen steht er in unerreichter Größe vor uns da. Und so hat er verdient, daß der Engel ihm erscheint und ihn stärkt: voll demütiger Unterwerfung mag der Engel seine Aufmerksamkeit auf die herrlichen Früchte des Leidens hingelenkt haben: auf die glänzende Schar heiliger Märtyrer, Bekenner und Jungfrauen, die aus seinem Blut hervorgehen wird.
Endlich verehre andächtig die kostbaren Tropfen blutigen Schweißes, die von dem Angesichte deines Heilandes zur Erde rinnen; sammle sie im Geiste ehrfurchtsvoll auf und verschließe sie in das Heiligtum deines Herzens: da verwahre sie und verweile oft in deinen Gedanken dort; sie seien deiner Seele Himmelstau, aus dem die Früchte herzlicher Liebe hervorsprossen.
2. Dank
Jeder Gedanke, den Jesus bei seinem Gang nach Gethsemani hatte, war eine unschätzbare Wohltat für uns, jedes Wort, das er sprach, und der gewaltige Kampf, den er siegreich führte. Ach, was wäre aus uns geworden, wenn er sich beim Anblick des entsetzlichen Sündenmeeres gesagt hätte: Nein, das sind die Menschen in ihrer Schlechtigkeit wahrhaftig nicht wert! Wir können ihm nicht genug danken, daß sein Entschluß fest geblieben.
Und danken müssen wir ihm für das wunderbare Beispiel der Ergebenheit und Seelenstärke, an dem wir uns immer wieder ausrichten können, wenn Gottes Gerechtigkeit oder Weisheit auch uns den Kelch des Leidens reicht. Verweile, so lange du kannst, bei den Gefühlen herzlichen Dankes; dein Heiland erwartet das von dir.
3. Sühne
Zuerst bitte ihn um Verzeihung für die Gleichgültigkeit, mit der du bisher oft an seinem Leiden vorübergegangen bist, für die Gedankenlosigkeit, mit der du gebetet hast: Jesus, der für uns Blut geschwitzt hat. Da hast du auch Jesu Klage und Vorwurf verdient: Konntet ihr nicht eine Stunde mit mir wachen? Simon, du schläfst? Wachet doch und betet, daß ihr nicht in Versuchung fallet. Ach, wir schliefen oft nur zu fest den Schlaf der Lauigkeit. Jesu Blutstropfen, die von seinem Angesichte rinnen, werden uns doch zu einigem Eifer erwecken können!
Und dann prüfe, ob du in Angst und Leiden zu Gott gegangen bist und gebetet hast. Schau, es ist ein Fehler, wenn wir immer zuerst den Menschen unser Leid klagen und bei ihm Trost suchen. Jesus betet zuerst und dann erst schaut er sich nach den Jüngern um.
Und endlich prüfe dich, wie es mit der Ergebung steht. Hast auch du immer voll Demut gesprochen: Vater, nicht mein Wille geschehe, sondern der deine? Ach, wenn es doch so wäre! Den Heiligen wärest du ähnlich. Beklage es recht tief, daß du davon noch so weit entfernt bist. Nun aber muß es anders werden; von Jesus musst du diese Ergebung lernen um jeden Preis; heute noch musst du anfangen, dich hierin zu üben. Was kannst du heute noch dafür tun? Überlege es dir!
4. Bitte
Dein erstes Gebet sei, daß du nicht jenen gehören mögest, an denen Jesu Blut und Leiden unfruchtbar sein wird. Bete mit dem heißen Flehen des Psalmisten: „Herr, Gott meines Heiles, bei Tag schreie ich und nachts vor dir. Laß’ vor dein Antlitz kommen mein Gebet; dein Ohr neige her zu meinem Flehen. Wird wohl im Grabe (in der Hölle) einer deine Huld erzählen und deine Treue im Untergang? Wird in der Finsternis kund deine Wundermacht und deine Gerechtigkeit im Lande des Vergessens?“ (Ps. 87).
Und dann bete um die große Gnade jener demütigen Ergebenheit in Gottes Willen, von der Jesus ein so heldenmütiges Beispiel gibt. Diese Gnade ist dir unendlich wichtig; dein Gebet um sie muß recht eindringlich sein: stelle dem lieben Gott all das Elend vor, das über dich kommt, wenn du sie entbehrst: wie du in keiner Tugend Fortschritte machen kannst, wie du viele Sünden der Ungeduld dadurch begehst, wie oft du schlechtes Beispiel geben würdest.
Stelle ihm auch all die herrlichen Früchte vor, welche diese heilige Ergebenheit in dir hervorbringen kann: wie sie dein Leben erneuern und umgestalten wird, wie alle Tugenden wachsen: der lebendig Glaube, die Liebe, die Geduld, die Demut, der Opfergeist, die Milde, die Sanftmut. Um der Ehre deines Namens willen, Herr, erbarme dich und schenke mir die Gnade der wahren Ergebenheit. Amen.