9. Betrachtung: Das Vater unser
„Sondern erlöse uns von dem Übel. Amen.“ (Matth. 6, 13)
1. Anbetung
Unsere Lage hier auf Erden gleicht oft der, in welcher sich Daniel in der Löwengrube befand. Wir liegen gleichsam eingeengt im Kerker; rings um uns brüllen hungrige Löwen, die uns zerreißen möchten. Es sind die Teufel, die voll Haß und Neid gegen uns sind, die uns alle möglichen Versuchungen bereiten, die uns mit Plagen überhäufen, um uns zur Sünde zu drängen. Es wiederholt sich im Leben fast jedes Menschen, was wir von Job lesen: „Satan spricht: fürchtet Job wohl Gott umsonst? aber strecke nur einmal deine Hände ein wenig aus und taste alles an, was er hat, ob er dir nicht dann ins Angesicht lästert“ (Job 1, 9 u. 11)?
Und wir wissen, welche Übel über Job gekommen sind. Er war stark und hielt aus und der Herr wurde verherrlicht in ihm. Wir sind oft schwach und vermögen nicht so viel zu tragen. Darum beten wir um seinen Schutz. Er ist stark, er kann uns helfen.
Wir beten ihn an als den Vater des Lichtes, von dem alle guten Gaben kommen und jedes vollkommene Geschenk (Jakobus 1, 17). Er hat Daniel wunderbar aus dem Rachen der Löwen gerettet und sein Name wurde dadurch verherrlich, und selbst Nabuchodonosor (Nebukadnezar) hat das Bekenntnis abgelegt: Alle Bewohner der Erde sollen den Gott Daniels fürchten; denn er ist der Retter, der Zeichen und Wunder tut auf Erden, der Daniel aus der Löwengrube befreit hat (Dan. 14, 42).
2. Dank
Denke an das Danklied, das die drei Jünglinge im Feuerofen sangen, als sie Gott gerettet hatte, oder an die Fülle der Dankbarkeit, die Daniel empfand, als er wunderbar aus der Löwengrube befreit wurde. Siehe, in hundert Fällen hat auch dich die Barmherzigkeit Gottes schon aus schweren Leiden und harten Prüfungen befreit. Andere wurden von großem Unglück befallen, du bliebst verschont.
Hast du Gott schon genug dafür gedankt? Hast du das nicht einfach als selbstverständlich hingenommen? Überdenke dein Leben, erkenne die wunderbaren Führungen Gottes und statte ihm jetzt bewegten Herzens deinen innigsten Dank ab, für all seine Güte, in der er schwere Übel von dir fern hielt.
Als Israel aus der siebzigjährigen Bedrängnis zurückkehrte, trat ein heiliger Sänger auf und sang ein festliches Danklied; es ist der Psalm 114. Wir können nichts besseres tun, als es ihm nachzusprechen für alle Rettung aus schwerer Not. Darum soll es hier eine Stelle finden:
„Ich liebe; denn der Herr erhört die Stimme meines Flehens. Weil er zu mir sein Ohr geneigt, will ich zeitlebens ihn anrufen. Es hatten Todespeinen mich umringt, der Höll’ Gefahren mich erreicht; — Drangsal und Schmerz erfuhr ich. Da rief ich an des Herren Namen: O Herr, erlöse meine Seele. Der Herr ist gnädig und gerecht und unser Gott erbarmet sich. Es schützt der Herr die Kleinen. Ich war gebeugt und er befreite mich. Kehr’ meine Seele ein in deine Ruhe; hat er dir doch wohlgetan der Herr. Ja, meine Seele hat er vom Tod errettet, mein Aug’ von Tränen, meinen Fuß vom Fall. Ich werde dem Herrn gefallen im Lande der Lebendigen.“
3. Sühne
Unser Gebet um Befreiung von zeitlichen Übeln muß immer mit Ergebung in Gottes Willen verbunden sein und wir müssen bereit sein, unser Leid geduldig zu ertragen, wenn Gott es will. Der heilige Paulus litt unter einem Übel, das so groß war, daß er glaubte, Satan versetze ihm Faustschläge. Dreimal hat der den Herrn gebeten, er möge ihn davon erlösen. Doch Gott sprach zu ihm: „Es genügt dir meine Gnade“ (2 Kor. 12, 7).
So kann es oft auch bei uns sein. Prüfe dich: warst du immer bereit, dich dem Herrn zu unterwerfen? Hast du nicht gemurrt, wenn du nicht gleich von deiner Schwierigkeit befreit wurdest? Hast du nicht geklagt: ach, das Gebet hilft doch nichts? Wie weit wären wir schon gekommen, wenn wir diese Geduld und Ergebung nur allzeit hätten!
Bedenke das, meine Seele, und bedauere deine Ungeduld und bitte den Herrn dafür demütig um Verzeihung. Es soll jetzt besser werden. Wo willst du anfangen? Welche Übungen willst du heute schon anstellen, um dich darin zu festigen? Versuche wenigstens, recht davon durchdrungen zu sein, daß es Gott immer gut mit dir meint; dann wirst du seine Wege bald besser verstehen.
4. Bitte
Wir können unsre Bitten in dieselben Worte kleiden, welche Azarias, einer der drei Jünglinge im Feuerofen, sprach: „Laß uns nicht zuschanden werden, sondern tue an uns nach deiner Huld und nach der Fülle deiner Barmherzigkeit. Rette uns durch deine Wunder und verherrliche deinen Namen, o Herr! Laß’ alle zuschanden werden, welche deinen Dienern Böses zufügen (das ist: die bösen Geister); laß’ sie zuschanden werden durch deine Allmacht und zerbrich ihre Stärke. Sie mögen erfahren, daß du der Herr bist, der alleinige Gott, der herrlich ist auf dem ganzen Erdkreis“ (Daniel 3, 42-45).