I. TEIL
Das verborgene Leben Jesu
1. Einführung
(Lukas 1. Kapitel)
Der Evangelist hebt den Nutzen der Kenntnis und der Betrachtung des Evangeliums hervor
«Schon viele haben es unternommen, einen Bericht über die Begebenheiten zu schreiben, die sich unter uns zugetragen haben, so wie sie uns von den ursprünglichen Augenzeugen und Dienern des Wortes überliefert wurden. So habe ich mich entschlossen, allen Ereignissen von ihren ersten Anfängen an sorgsam nachzugehen und sie für dich, edler Theophilus, der Reihe nach niederzuschreiben, damit du dich überzeugen kannst von der Zuverlässigkeit der Lehren, in denen du unterrichtet worden bist.»
Flehe zum Heiligen Geist um Erleuchtung und Segen zu deiner Betrachtung. Richte deine Aufmerksamkeit auf diese einleitenden Worte.
Der Evangelist fordert seinen Schüler auf, die Ereignisse zu erwägen, deren Erzählung er beginnt. Es wäre schmählich und nicht ohne Gefahr, die Tatsachen des Evangeliums nicht oder nur oberflächlich zu kennen. Sie wollen ernstlich erwogen und ergründet werden, bis man von ihrer Wahrheit tief durchdrungen ist und die Lehren, die sie enthalten, als Lebensregel annimmt. Mit einem Wort: man muß sie betrachten.
Im Evangelium wird dir gesagt: Gott ist dein Vater, du hast einen Erlöser, es gibt einen Himmel, den wir verdienen, und eine Hölle, der wir entgehen müssen. Weiter heißt es: Selig die Armen, liebt einander, seid keusch, seid gütig, verzeiht euren Feinden, flieht die Sünde mehr noch als den Tod. Diese Wahrheiten hast du längst gehört, aber bist du auch von ihnen durchdrungen? Wie willst du sie befolgen, wenn du sie nicht begriffen hast?
Mußt nicht auch du wissen, wie sehr Gott dich liebt? In den Blättern des Evangeliums hat Gott dir die Größe seiner Liebe geoffenbart, für dich sind sie geschrieben. Es kommt alles darauf an, daß du den Wert dieser Gnade, die Gott dir spendet, recht hochschätzt. Das Evangelium soll dein Licht, deine Freude, deine Sicherheit auf Erden sein. Du sollst Jesus, deinem Meister, ähnlich werden. Wie wirst du diese Aufgabe erfüllen können, wenn du dich nicht entschließt, seine Lehren und sein Beispiel in der Stille der Betrachtung zu erwägen? Opfere deinem göttlichen Meister gleich zu Beginn deinen Geist, dein Herz, deine Sinne und alle Kräfte deiner Seele auf, damit Er selbst sie auf dieses so notwendige Studium hinlenke. Jesus ist der beste Lehrmeister des Gebetes. Flehe Ihn an, Er möge dir den Sinn der göttlichen Dinge erschließen und dir die Betrachtung so anziehend machen, daß du von jetzt an nie mehr unterläßt, sie täglich treu und eifrig zu üben.
Freue dich! Was immer es Schönes im Himmel und auf Erden gibt, kann sich in deiner Seele widerspiegeln. Das Größte, was die Schöpfung hervorgebracht hat, wird sich dir zuneigen. Das Beste, was der Erde je zu eigen war, wird sich deinem Leben mitteilen. Verbanne jede Furcht, verscheuche alle Besorgnis, frohlocke in heiliger Freude!
Wie steht es mit dir? Hast du bis jetzt diese ernsten Dinge vielleicht mit Leichtsinn behandelt? Hast du von den im Evangelium erzählten Tatsachen eine nur verworrene, oberflächliche Kenntnis? Hast du der Betrachtung des Evangeliums die Lesung weltlicher, selbst gefährlicher Bücher vorgezogen? Der Augenblick ist gekommen, dich von solchen eitlen Dingen freizumachen, weil du dadurch leicht in die Irre gehen kannst oder mindestens deinen geistlichen Fortschritt beeinträchtigst. Richte deine ganze Aufmerksamkeit auf den Heiland, der allein würdig ist, dein Herz und deine Gedanken zu erfüllen.
Fasse gleich zu Anfang dieser Betrachtungen den Entschluß, der göttlichen Güte, deren Wirken sich dir offenbaren wird, durch Großmut zu entsprechen.