13. Der Lobgesang der Engel

(Lk 2)

I Die Engel verkünden den Hirten die Geburt des Erlösers

In jener Gegend hielten Hirten auf freiem Felde Nachtwache bei ihrer Herde.1 Da trat ein Engel des Herrn zu ihnen, und die Herrlichkeit des Herrn umstrahlte sie. Und sie fürchteten sich sehr. Der Engel aber sprach zu ihnen: «Fürchtet euch nicht, denn sehet, ich verkündige euch eine große Freude, die allem Volk zuteil werden wird, daß euch heute in der Stadt Davids der Heiland geboren worden, welcher Christus, der Herr, ist.

Nachdem der Heiland im Stall geboren worden ist, können die Engel des Himmels ihre Freude über das Erbarmen Gottes nicht zurückhalten. Mit lautem Jubelgesang verkünden sie den armen Hirten die frohe Botschaft.

Wer sind nun diese Hirten? Es sind von der Welt verachtete Arme. Aber Gott liebt diejenigen, welche die Welt verachtet. Sie sind die ersten Auserwählten des Evangeliums. Wenn auch der Erlöser für alle gekommen ist, so sind doch die Armen die Erstlinge unter den Berufenen. »Freuet euch», verkündet der Engel den Hirten, «euch ist heute der Erlöser geboren.» Selig die Armen, selig die Verachteten!

Konnte man ihnen eine freudenreichere Botschaft bringen? «Ihr habt einen Erlöser, auf den ihr hoffen dürft. Er wird euch nicht länger in der Gefangenschaft schmachten lassen, Er wird euch den Himmel öffnen.» Die Hirten sind voll seliger Freude. Nun beginnt in Wahrheit ein Fest der Armen.

Es ist auch ein Fest für jede Seele, die der Weltlust entsagen und das übernatürliche Leben umfassen will. Ist es in diesem Sinn nicht auch dein Fest? Um es würdig zu begehen, weihe dich mit allem Eifer deinem Erlöser, der bei seinem Eintritt in die Welt den Weg der Entbehrung erwählt hat und dich sogleich zu seiner Nachfolge beruft. Um diesem Ruf getreuer zu entsprechen, entsage der Befriedigung der Sinne, dem Wohlleben, dem du dich vielleicht hingegeben hast. Gib auf diese Weise Gott die schuldige Ehre und sing mit den Engeln: «Ehre sei Gott in der Höhe!»

Bedenke auch, daß der Sohn Gottes nicht für sich Mensch geworden ist, sondern zu deinem Nutzen. Bete die sich hinschenkende Güte Gottes an. Jesus ist für dich geboren worden, und du möchtest Ihn nicht empfangen?

1 Östlich von Bethlehem zieht sich ein grünes Tal hin. Dort hatte Jakob sein Zelt aufgeschlagen, um seine geliebte Rahel zu beweinen. Dort hatte Ruth die Ähren auf dem Felde des Booz gelesen. Dort hatte David als Knabe die Herden seines Vaters gehütet. Es ist das Tal der Hirten. Eine Krypta, von Oliven beschattet, bezeichnet heute noch die Stätte, wo der Himmel sich einst öffnete, um den Menschen die frohe Botschaft der Geburt Christi zu verkünden.

 

II Die Hirten eilen zum Stall

«Wir wollen hinübergehen nach Bethlehem und sehen, was da geschehen ist und was der Herr uns kundgetan hat!» Sie gingen eilends hin und fanden Maria und Joseph und das Kind, das in der Krippe lag.1

Begleite die Hirten zum Stall. «Lasset uns nach Bethlehem gehen!» sprechen sie zueinander. «Lasset uns dahin gehen, wohin der Herr uns ruft, und unverzüglich tun, was Er uns befiehlt. Lasset uns die Wunder der Barmherzigkeit schauen, die uns verkündet worden sind!» Die Hirten lassen sich durch nichts zurückhalten, dem Ruf Gottes zu gehorchen. Sie lehren uns, der Gnade treu und ohne Zögern zu entsprechen. So eilten die Hirten hin, weil sie sich sehr freuten und danach verlangten, das neugeborene Kind zu sehen. Daraus ersieht man ihre Hingabe und ihren Eifer beim Suchen. Einer, der nämlich Christus nur träge sucht, verdient nicht, Ihn zu finden. Zu Ihm eilen bedeutet nicht nur, den Lauf der Schritte zu beschleunigen, sondern immerfort auch im Glauben und in der Tugend Fortschritte zu machen.

Woran sollen sie nun den menschgewordenen Sohn Gottes erkennen? Die Engel hatten gesagt: «Und dies soll euch zum Zeichen sein: Ihr werdet ein Kind finden, das in Windeln gewickelt ist und in einer Krippe liegt.» Knie mit den Hirten vor der Krippe nieder und betrachte das Kindlein, das darin ruht. Erkenne in Ihm den König Himmels und der Erde, den Erlöser der Menschen, den Sohn Gottes. Die göttliche Schönheit verbirgt sich unter ärmlichen Windeln. Versenke dich anbetend in dieses Geheimnis!

Lege deine Huldigungen in das Herz des göttlichen Kindes. Opfere sie Ihm durch die Hände Mariens auf. Bitte den heiligen Joseph, dir Gefühle und Worte einzugeben, an denen Maria und das göttliche Kind Wohlgefallen finden. Weihe dich rückhaltlos und ohne Furcht der Liebe des neugeborenen Erlösers. Er schaut in dein Herz, hört auf deine Bitten und segnet dich von der Krippe aus, die Er um deinetwillen zu seinem Thron erwählt hat.

Die Demut ist die erste Tugend, die unser Heiland geübt hat. Sie soll auch die erste Tugend sein, die jene üben sollen, die Ihm nachfolgen!

1 Die Krippe wird gegenwärtig in Rom in der Krypta der Basilika Santa Maria Maggiore verehrt.

 

III Die Hirten verbreiten die frohe Kunde

Nachdem sie es gesehen hatten, erzählten sie, was ihnen über dieses Kind gesagt worden war. Alle, die es hörten, wunderten sich über das, was die Hirten ihnen erzählten. Maria aber bewahrte alle diese Dinge und erwog sie in ihrem Herzen.

Die ersten Anbeter sind auch die ersten Verkünder der frohen Botschaft. Höre, wie die Hirten erzählen, was sie gesehen. Dadurch üben sie ein wahres Apostolat aus. Denn sie wollen ihre Mitmenschen zur Erkenntnis des Erlösers führen. Sie haben angefangen zu begreifen, welch ein großes Unglück es für den Menschen hienieden ist, vom Erlöser nichts zu wissen. Ohne den Heiland trägt man schwere Bürden und weiß nicht, wo man Erleichterung erlangen und für das Gewissen Beruhigung finden soll. Die Hirten haben das Heil der Welt gefunden, sie wollen nun auch andere zu dieser Gnade hinführen.

Die Hirten geben dir hier ein Beispiel, das du nachahmen sollst. Um dies mit Erfolg zu tun, präge deinem Herzen und deinem Gedächtnis tief ein, was du an der Krippe gesehen und gehört, alles, was du beim Anblick und bei der Betrachtung deines Erlösers an Licht und Eifer, an großmütigen Entschlüssen und festen Vorsätzen gewonnen hast! Bitte Maria, dich noch mehr im innerlichen Gebet zu unterweisen.