15. Die Anbetung der Weisen

(Mt 2)

 

I Die Weisen kommen aus dem Morgenland, den Erlöser zu suchen

Als Jesus in den Tagen des Königs Herodes zu Bethlehem in Judäa geboren war, da kamen Weise aus dem Morgenlande nach Jerusalem und fragten: «Wo ist der neugeborene König der Juden? Wir haben seinen Stern im Morgenlande gesehen und sind gekommen, Ihn anzubeten».1

Was sind das für Männer an den Toren Jerusalems? Es sind Weise, Gelehrte, Fürsten. Der ewige Vater selbst ruft die ersten Anbeter zur Krippe seines Sohnes; nach den Hirten die Könige, nach den Armen die Reichen. Die menschliche Weisheit naht, um der göttlichen zu huldigen.

«Wo ist der neugeborene König?» fragen die Weisen. Diese Männer suchten die Wahrheit in aller Einfalt des Herzens. Sie erflehten von Gott einen Lehrer, der sie in die Wahrheit einführen und dieser den Sieg über alle Irrtümer der Welt verleihen sollte. Und Gott erhört sie. Der Stern, der ihnen erscheint, wird, wenn sie ihm treu folgen, für sie eine Quelle unvergänglichen Lichtes sein.

Vergegenwärtige dir, was die Reise für diese Männer des Glaubens gewesen ist. Lerne von ihnen, den Anregungen der Gnade ohne Verzug und ohne Nachlässigkeit zu entsprechen. Betrachte ihren Mut, ihre Geduld, ihren Eifer. Zähle ihre Siege über die Menschenfurcht, die Entmutigung, das Widerstreben und die Hindernisse, die dich so oft im Dienst Gottes aufhalten! Nur ein starker Glaube konnte den Weisen solchen Heldenmut der Beharrlichkeit einflößen. Laß dich von dem gleichen Glaubensgeist durchdringen. Wenn Gott spricht, muß der Mensch gehorchen!

1 Ihre Reise beanspruchte wenigstens vier Monate, wenn sie aus Persien kamen, und siebzig Tage, wenn ihre Heimat in Chaldäa lag. Nach der liturgischen Tradition erreichten sie gegen den 6. Januar das Ziel der Reise.

 

II Die Weisen erkundigen sich bei Herodes nach dem neugeborenen König der Juden

Als König Herodes das hörte, erschrak er und mit ihm ganz Jerusalem. Er versammelte alle Hohenpriester und Schriftgelehrten des Volkes und legte ihnen die Frage vor, wo Christus geboren werden sollte. Diese antworteten ihm: «Zu Bethlehem, im Lande Juda.»

Der Stern, der den Weisen bis vor die Tore Jerusalems geleuchtet hatte, war hier plötzlich ihren Augen entschwunden. Diese neue Prüfung, die ihre Herzen mit Unruhe erfüllte, sollte dazu dienen, ihren Glauben zu vermehren und ihn noch heller erstrahlen zu lassen.

Betrachte die Weisen in dieser Prüfung! Sie beklagen sich nicht über Gott, sie zweifeln nicht an seiner Vorsehung. Sie fassen den demütigen Entschluß, sich in ihren Zweifeln Rat zu erbitten. Tröste dich durch dieses Beispiel in Zeiten geistlicher Trockenheit. Sie ist nicht ein «Von-Gott-verlassen-Sein», sondern eine Prüfung für deine Liebe und Treue. Verliere also nicht den Mut, sondern geh tapfer voran!

Bedenke auch, daß der Stern verschwand, als die Weisen den neugeborenen Erlöser in Jerusalem suchen wollten. Das göttliche Licht zog sich zurück, weil sie die menschliche Klugheit befragten, die ihnen den Gedanken eingab, der Erlöser wäre in der Hauptstadt der Juden geboren worden. Prüfe dich selbst und mache dir bewußt, daß der Geist Gottes oftmals aufgehört hat, zu dir zu sprechen, weil du dein Ohr den weltlichen Ideen geöffnet hast. Folge den Weisen in den Palast des Herodes. Ganz Jerusalem gerät in Unruhe. Es gibt auf Erden eine Menge Menschen, die fürchten, von Jesus zu hören. Was ihnen Freude bereiten sollte, verwirrt und betrübt sie. Sie verstehen nicht, wozu Jesus in die Welt gekommen ist. Er kam nicht, um Fürsten zu entthronen. Er will sie nur lehren, ihre Macht zum Wohl anderer zu gebrauchen. Er will die Armen und Geringen segnen und ermutigen. Benutze jede Gelegenheit, diese Wahrheit andern zu wiederholen und ihre Vorurteile zu bekämpfen. Erwecke in dir ein lebendiges Verlangen, Denjenigen zu finden, Den die Weisen mit so großem Eifer suchten.

Was antworten ihnen die Schriftgelehrten? Sie bestätigen, was die Erscheinung des Sternes bereits geoffenbart hat. So ordnet Gott alles in der Welt zu unserem Heil. Dieser Gedanke muß dein Vertrauen noch fester begründen. Mag auch Herodes die Weisen rufen lassen und seine ganze Schlauheit anwenden, um sie zu täuschen, Gottes Vorsehung wacht, das genügt.

 

III Die Weisen beten das göttliche Kind an und bringen Ihm Geschenke dar

Und siehe, der Stern, den sie im Morgenlande gesehen hatten, zog vor ihnen her, bis er schließlich über dem Ort stehenblieb, wo das Kindlein war. Als sie aber den Stern sahen, hatten sie eine überaus große Freude.

Als die Weisen Herodes verlassen haben, sind sie von der Gewißheit erfüllt, Jenen zu finden, den sie suchen. Ihre Herzen fließen über vor Freude, die durch das Wiedererscheinen des Sternes noch erhöht wird. Nimm teil an dieser Freude des Trostes, die der Himmel ihnen bereitet, und höre, wie sie sich über ihr Glück unterhalten.

Preise auch du den Herrn, wenn Er dir nach einer Zeit der Prüfung den Trost seiner fühlbaren Gegenwart wieder schenkt. Jedoch ist diese neu erlangte Gnade nicht dein Ziel. Schreite voran, um dich mit dem Sohn Gottes selbst vereinigen zu können.

Der Stern blieb stehen. Sie waren endlich am Ziel ihrer Reise. Sie traten in das Haus und sahen das Kind mit Maria, seiner Mutter. Sie fielen nieder und beteten Es an. Dann taten sie ihre Schätze auf und brachten Ihm Geschenke dar: Gold, Weihrauch und Myrrhe.

Was sehen, was finden sie? Die Wirklichkeit entspricht in der Tat gar wenig der Vorstellung, die sich die Weisen von dem neugeborenen König gemacht hatten. Indessen, Er ist der Gesuchte, sie haben Ihn erkannt. Der Glaube, der sich einzig auf ein göttliches Zeugnis stützt, findet Gott in jeder Gestalt.

Erkenne auch du, wie die Weisen, im Licht des wahren Glaubens den Sohn Gottes unter der ärmlichen Hülle der menschlichen Natur. Laß deiner Liebe und Dankbarkeit freien Lauf. Bringe dem göttlichen Kind deine Geschenke dar. Wo wird der Heiland mehr Großmut finden, bei dir oder den Weisen? Wo ist dein Gold? Alles, was du besitzest, hast du von Ihm. Gib Ihm als deinem König alles als Opfer der Huldigung und als reines Gold deiner Liebe zurück. Wo ist dein Weihrauch? Ist dein Gebet andächtig und selbstlos? Es sei ein Brandopfer vor Gott, indem du dich bereitwillig hingibst zu seiner Ehre. Füge deinem Opfer auch die Myrrhe der Abtötung hinzu. Sei all der Bitterkeiten eingedenk, die deine Undankbarkeit dem göttlichen Kind bereitet. Erinnere dich der Entbehrungen, der Schmerzen und der Schmach, die deine Sünden Ihm verursacht haben.

Geselle dich so von ganzem Herzen den ersten Auserwählten der Heidenwelt zu. Mach ihre Gesinnungen zu den deinigen. Wiederhole, was sie sprechen, und handle wie sie. Sie erfreuen sich der Gnade, die Gott denen gibt, die Ihn suchen. Niemals werden die Opfer, die sie gebracht haben, sie reuen. Niemals wird die Erinnerung an die Gnade ihrer Berufung aus ihren Herzen schwinden. Bitte auch du um die Vermehrung der drei Tugenden, welche die drei Gaben versinnbildlichen: die Liebe, die Anbetung und der Opfergeist.