17. Simeon im Tempel
(Lk 2)
I Der greise Simeon begegnet Maria und Joseph
Da war in Jerusalem ein Mann mit Namen Simeon. Er war gerecht und gottesfürchtig und harrte auf den Trost Israels, und der Heilige Geist war in ihm. Er hatte vom Heiligen Geiste die Offenbarung erhalten, er werde den Tod nicht schauen, bevor er den Gesalbten des Herrn gesehen habe. Auf Antrieb des Geistes kam er in den Tempel, als eben die Eltern das Kind Jesus hineinbrachten, um an Ihm die Vorschrift des Gesetzes zu erfüllen.
Betrachte kurz das Leben und die Heiligkeit Simeons. Er ist ein Mann des Glaubens. Gott hatte ihm gesagt: «Du wirst Den sehen, Den du zu sehen verlangst.» Simeon glaubte dem göttlichen Wort und setzte darauf seine Hoffnung. Da sein Glaube fest gegründet war, ist auch seine Hoffnung unerschütterlich. Denn alle Hoffnung beruht auf dem Glauben. Simeon weiß, daß Gott getreu und gütig ist und alles zum Besten lenkt. Das genügt ihm. In Frieden erwartet er die Erfüllung der göttlichen Verheißungen. Selig, wer seine Hoffnung auf Gott setzt!
Siehe, wie Simeon den Tempel betritt. Er kommt dorthin, um den Triumph des Glaubens zu feiern. Du kannst mit ihm bezeugen, daß Gott niemals jene täuscht, die Er zu seinem Dienst beruft. Vom Heiligen Geist erleuchtet, naht sich Simeon der Heiligen Familie. In einem Augenblick empfängt er den Lohn eines ganzen Lebens voller Mühen und Kämpfe. Er hat es immer als das höchste Glück betrachtet, der Ehre gewürdigt zu werden, Jesus kennen- und liebenzulernen. Nun wird ihm dieses lang ersehnte Glück zuteil. Freue dich mit ihm, flehe um die Gnade, das Leben so aufzufassen, wie dieser Greis es getan hat.
II Simeon nimmt das Kind in seine Arme und lobt Gott
Da nahm er Es auf seine Arme, pries Gott und sprach: «Nun magst Du, o Herr, deinen Diener nach deinem Wort in Frieden entlassen. Meine Augen haben gesehen das Heil, das Du bereitet vor allen Völkern. Für die Heiden ein Licht der Erleuchtung, für dein Volk Israel ein Ruhm.»
Betrachte mit Simeon das göttliche Kind. Sein Glaube entdeckt die Größe Gottes unter so unscheinbarem Äußern. Er kniet anbetend nieder vor Dem, durch Den alles erschaffen worden ist und Der alles wieder herstellen wird. In dem Kind auf den Armen Mariens erblickt er Denjenigen, Den die Engel anbeten, Den die Patriarchen von ferne begrüßt haben, um dessentwillen die Propheten gemartert worden sind. Maria erscheint ihm wie eine Monstranz, die den lebendigen Gott trägt. Erfreue dich an diesem tröstlichen Anblick. Auch du wirst Christus nicht finden in den Reichtümern der Welt, sondern in der Armut und in den Demütigungen.
Lausche dem Lobgesang des heiligen Greises. Simeon nimmt das göttliche Kind in seine Arme und spricht: «Nunc dimittis! Nun laß mich in Frieden sterben, o Herr!» Warum will er sterben? Weil ihm nichts mehr zu sehen und zu bewundern bleibt auf dieser Erde, nachdem er das Glück gehabt hat, dem menschgewordenen Sohn Gottes zu begegnen und Ihn zu erkennen. Alles Irdische erscheint dem gering, der Jesus kennengelernt hat. Laß dich von dieser Wahrheit durch die Worte des heiligen Greises überzeugen. Aus den Zügen des göttlichen Kindes, das er in seinen Armen hält, strahlt alle Schönheit des göttlichen Wesens, aller Liebreiz seiner Güte, alle Barmherzigkeit seiner Vorsehung. Gott offenbart sich in seinem Sohn, und Simeon, hingerissen von seiner Schönheit, verlangt, Ihn dort oben von Angesicht zu Angesicht zu schauen. Die höchsten und edelsten Freuden der Erde sind nur ein schwacher Abglanz der Wonnen des Himmels. Wie begreiflich daher, daß man nach diesen sich sehnt, wenn man jene verkostet hat.
«Meine Augen haben dein Heil gesehen, das Du bereitet hast vor dem Angesicht aller Völker, ein Licht zur Erleuchtung der Heiden und zur Verherrlichung deines Volkes Israel.» Preise mit dem glücklichen Simeon die Herrlichkeit und Treue Gottes. Erflehe dir vom Heiligen Geist die Gnade, in der Erkenntnis Jesu beständig zu wachsen und wie Simeon nicht zu sterben, ohne Jesus als Wegzehr zu empfangen. Erneuere deine Hingabe an das göttliche Kind.