4. Die Empfängnis des Vorläufers

(Lk 1)

 

I Zacharias wird wegen seines unvollkommenen Glaubens getadelt

Zacharias entgegnete dem Engel: «Woran soll ich das erkennen? Ich bin ja alt, und auch meine Frau ist hochbetagt.» Der Engel erwiderte ihm: «Ich bin Gabriel, der vor Gott steht, und bin gesandt, mit dir zu reden und dir diese frohe Botschaft zu bringen.»

Bei der Botschaft des Engels freut sich Zacharias; er glaubt seinem Wort, aber sein Glaube ist nur unvollkommen. Der vollkommene Glaube vertraut Gott bedingungslos, durch welches Mittel er sich auch offenbart. Gott hat zu Zacharias gesprochen; dieser bleibt jedoch mit seinen Gedanken bei Schwierigkeiten stehen, die er für unüberwindlich hält. Für einen Augenblick scheint er die Allmacht und Wahrhaftigkeit Gottes zu vergessen. Er weiß nicht, worauf er sich stützen soll, um von Herzen zu sprechen: «Ich glaube!» Er fragte zweifelnd: «Woran soll ich das erkennen?».

Erwäge, mit welcher Entschiedenheit Gott verlangt, daß man seine Worte gläubig annimmt. «Weil du aber meinen Worten nicht geglaubt hast, die zu ihrer Zeit in Erfüllung gehen werden, sollst du stumm sein und nicht sprechen können bis zu dem Tage, da dies eintrifft.» Zacharias wird der Sprache beraubt, weil er dem Engel nicht aufs Wort geglaubt hat. So unnachsichtig ist Gott in der Bestrafung eines Zweifels an der Wahrhaftigkeit seiner Verheißungen. Ist dein Glaube nicht manchmal noch unvollkommener, als der des Zacharias? Hast du den Vorwurf des Engels nicht schon öfter verdient? Erforsche dein Gewissen und demütige dich!

 

II Zacharias kehrt nach Hause zurück

Das Volk wartete auf Zacharias und wunderte sich, daß er so lange im Tempel verweilte. Als er herauskam, konnte er kein Wort zu ihnen reden. Da erkannten sie, daß er im Tempel eine Erscheinung gehabt haben müsse. Er winkte ihnen zu und blieb stumm.1 Sobald die Tage seines Dienstes vorüber waren, kehrte er nach Hause zurück. Nach jenen Tagen empfing seine Frau Elisabeth.

Betrachte, was zwischen Zacharias und dem Volk vorgeht. Wenn der greise Priester sich nicht verständlich machen kann, so liegt dies nicht nur an der Lähmung seiner Zunge, sondern ohne Zweifel auch daran, daß er die Wundertaten der göttlichen Barmherzigkeit nicht auszudrücken vermag. Was Gott seinen Vertrauten von diesen Wundern offenbart, will er als Geheimnis bewahrt wissen.

Was tut Zacharias? Begleite ihn im Geiste nach Hause. Die zeitliche Strafe, die über ihn verhängt wurde, verleitet ihn weder zum Murren, noch zur Entmutigung. Sie trägt vielmehr dazu bei, seinen Glauben zu stärken und zu vervollkommnen. Sie hat alle seine Zweifel gelöst und die Hoffnung in seinem Herzen befestigt. Er eilt nun in die Einsamkeit, um die Worte, die ihm gesagt worden sind, zu betrachten. Mit Ergebenheit erwartet er die Erfüllung der göttlichen Verheißung. Beglückwünsche ihn und teile seine Freude.

Was tut nun Elisabeth? Kaum hat sie die Absichten, die Gott mit ihr hat, erfaßt, so steht ihr Entschluß fest, sich bei deren Ausführung in keiner Weise zu schonen. Sie demütigt sich vor der göttlichen Majestät, die sich gewürdigt hat, auf ein so armseliges Geschöpf in Gnaden herabzuschauen. Sie betet die Ratschlüsse der göttlichen Weisheit an, die bald schlägt, bald tröstet. Sie erwägt die Wohltaten Gottes und vertraut sich der göttlichen Vorsehung an. Die Zukunft wird sich so gestalten, wie Gott will. Elisabeth sieht sich nur als Werkzeug in der Hand Gottes. Dieses Bewußtsein erfüllt sie mit Vertrauen, bemächtigt sich ihrer Gedanken und ist Gegenstand ihrer Betrachtungen in den Tagen der Erwartung.

Preise Gott mit diesen zwei heiligen Seelen. Lerne von ihnen, dich den Händen der göttlichen Vorsehung zu überlassen, damit ihre Pläne auch an dir verwirklicht werden.

1 Beim Verlassen des Heiligrums sprach der Priester eine Segensformel. Zacharias konnte diese Formel nicht aussprechen.