7. Der Lobgesang Mariens
(Lk 1)
I Maria bezeugt Gott ihre Freude und Dankbarkeit
«Hoch preist meine Seele den Herrn und mein Geist frohlockt in Gott, meinem Heiland! Herabgesehen hat Er in Gnaden auf seine niedrige Magd. Seht, von nun an werden mich selig preisen alle Geschlechter.»
Kehre nochmals zu Maria zurück und höre den tiefbewegten Dank ihres Herzens. Bei ihr kannst du lernen, die Wunder der göttlichen Liebe zu preisen.
Elisabeth hatte Maria mit den Worten gegrüßt: «Du bist gebenedeit unter den Frauen.» Maria beeilt sich, die Ehre, die ihr von den Geschöpfen zuteil wird, auf Gott zurückzuführen. Beachte wohl, sie verkennt in sich keineswegs die Vorzüge, die andere mit Recht an ihr bewundern, aber sie lenkt die Ehre auf Ihn zurück, Dem sie alles verdankt. Hierin besteht die einzig richtige Art, Gott Dank zu sagen. Sei versichert, die göttliche Güte gefällt sich darin, ihre Gaben in reichem Maß über jene auszugießen, die sich bestreben, Gott die Ehre zu geben.
Warum strömt das Herz Mariens von Freude über? «Denn Er hat angesehen die Niedrigkeit seiner Magd», sagt sie. Es genügt ein bloßer Blick Gottes, um eine demütige, gläubige und reine Seele ganz mit Freude zu erfüllen. Maria stellt ihre Niedrigkeit der unendlichen Größe Gottes gegenüber und demütigt sich tief in dieser Erwägung. Sie, die einfache Jungfrau, wurde zur höchsten Ehre erhoben. Sie darf in Wahrheit sagen: «Von nun an werden mich selig preisen alle Geschlechter!» Du gehörst zu den Geschlechtern, von denen sie spricht. Nach dem Beispiel Elisabeths preise sie selig!
II Maria preist die Wunder der Menschwerdung
«Großes hat an mir getan der Mächtige. Sein Name ist heilig, sein Erbarmen währt von Geschlecht zu Geschlecht für die, die Ihn fürchten.»
Bewundere die großen Dinge, die der Allmächtige in Maria gewirkt hat. Sie nannte sich eine Magd des Herrn; Er hat sie zu seiner Mutter gemacht. In und durch Maria werden sich die Wunder der göttlichen Güte erfüllen. Aber diese Wunder sind nicht für sie allein. Deshalb fühlt sie sich gedrängt, Gott zu danken, daß Er seine Gnaden ausgießt über alle Menschen und Geschlechter. «Seine Barmherzigkeit währt von Geschlecht zu Geschlecht bei denen, die Ihn fürchten», spricht Maria. Gott liebt alle Wesen, die Er erschaffen hat. Er hat Mitleid mit denen, die leiden, Er verzeiht den reuigen Sündern. Seine Barmherzigkeit ist eine nie versiegende Quelle. Frohlocke, denn Gott wird nie ermüden, wie Maria bezeugt, dir Gutes zu tun.
Maria überschaut dann, was der Herr in der Vergangenheit getan hat. Die Vergangenheit bürgt für die Zukunft. «Machtvoll waltet sein Arm. Er vernichtet die Herzen voll Hochmut, Gewalthaber stürzt Er vom Thron, Niedrige hebt Er empor. Hungrige erfüllt Er mit Gütern, Reiche läßt Er leer ausgehen.» Unser Gott ist der starke Gott und Er stellt seine Stärke in den Dienst der Schwachen. Die von menschlicher Ungerechtigkeit Bedrückten dürfen ihr Haupt mit Zuversicht erheben, und die von Versuchung Bedrohten dürfen frohe Hoffnung haben, denn Gott ist bereit, für sie Wunder zu wirken.
Nur die Hoffärtigen haben Ursache, die Ankunft des Heilands zu fürchten. Der menschgewordene Erlöser verabscheut sie, Er wird den Vernichtungskampf gegen den Stolz führen. Wenn dir die Ankunft des Erlösers zum Heil gereichen soll, mußt du dieses Laster in dir bekämpfen. Wer sich erniedrigt, wird erhöht werden.
III Maria preist die Treue Gottes in der Erfüllung seiner Verheißungen
«Angenommen hat Er sich Israels, seines Knechtes, eingedenk seines Erbarmens mit Abraham und seinen Nachkommen auf ewig, wie Er unsern Vätern verheißen.»
Ein neuer Beweggrund zur Dankbarkeit gegen Gott ist seine Vatersorge zu aller Zeit. Er erbarmt sich aller seiner Geschöpfe. Über Israel, das Er an Kindesstatt angenommen, wachte Er von Anfang an, zog sein Volk aus der Knechtschaft, reichte ihm das Brot in der Wüste und gab ihm die Hoffnung auf einen Erlöser. Mit der Ankunft seines Sohnes auf Erden löst nun Gott sein Versprechen ein, das Volk nicht zu verlassen: Er kommt selbst, nimmt es gleichsam bei der Hand, um es ins Gelobte Land zu führen.
Israel glaubte sich verlassen und wurde deshalb auf dem Weg mutlos. Die Prüfungen dauerten ihm zu lange, die Hindernisse schienen unüberwindlich. Maria aber fordert ihr Volk zur Danksagung auf. Sie preist die Ankunft des unter Tränen erwarteten Erlösers. «Tröstet euch, ihr Trauernden», ruft sie ihnen zu, «Gott gedenkt euer. Wenn Er auch für kurze Zeit schweigt, so tut Er dies nur, um desto besser verstanden zu werden. Hält Er auch zuweilen mit seinen Wundern zurück, so wirkt Er doch beständig für euer Heil. Nie vergißt Er seines Bundes. Er ist getreu in seinen Versprechungen und erfüllt alles, was Er verheißen hat.»
Stimme in den Lobgesang Mariens ein! Bete auch du den Mensch gewordenen Gott in ihrem Schoß an! Gütig und erbarmungsvoll, mächtig und getreu, wie Maria Ihn in ihrem herrlichen Lobgesang preist, wird sich der Heiland dir offenbaren, und du wirst die Früchte seines gottmenschlichen Lebens ernten. Laß in deinen Gebeten und in deinem Leben den Lobgesang Mariens frohlockend weiterklingen.