9. Der Lobgesang des Zacharias

(Lk 1)

I Zacharias verkündet die nahe Erlösung Israels

Zacharias, sein Vater, wurde vom Heiligen Geist erfüllt und sprach die prophetischen Worte: «Gepriesen sei der Herr, Israels Gott! Heimgesucht hat Er sein Volk, ihm Erlösung bereitet.»

Sammle dich und betrachte den Lobgesang Zacharias. Auch er lobpreist wie Maria den Herrn, der uns seinen eingeborenen Sohn als Erlöser schenkt.

Derselbe Gott Israels, der mit unvergleichlicher Vertrautheit mit den Patriarchen umging, sucht jetzt sein Volk als Erlöser heim. Er hat das Gebet gehört und sich seiner unglücklichen Kinder erbarmt: «Ich will zu ihnen hinabsteigen und an ihre Türen anklopfen.»

«Nun ist Er da», verkündet Zacharias frohlockend, «die Stunde seiner Ankunft hat geschlagen.» In der bescheidenen Wohnung des Priesters erblickt man zwar nur ein neugeborenes Kindlein und seine greisen Eltern im Gebet. So bereitet Gott der Ankunft des Erlösers die Wege. So demutsvoll kündet sich uns der Heiland an. Er erniedrigt sich, um die Kleinen an sich zu ziehen, nimmt Knechtsgestalt an, damit wir Ihn als einen von uns erkennen. Er erniedrigt sich, damit wir, die wir in Wahrheit nichts sind, durch Ihn leben. Kann es da schwerfallen, auf Ihn alle Hoffnung zu setzen?

Der Herr kommt, um sein Volk zu erlösen, Er ist der Erlösergott. Die Gefangenen wird Er in Freiheit setzen und alle, also auch mich, der Herrschaft des Bösen entreißen. Er wird die Würde eines Gotteskindes in mir wiederherstellen. Er wird mich frei machen, mich reinigen und mir das übernatürliche Gnadenleben wiedergeben. O meine Seele, lobe den Herrn!

 

II Zacharias bezeugt, daß der Erlöser der von Gott verheißene Messias ist

«Er ist die Rettung von unsern Feinden und aus der Hand aller unserer Hasser, wie Er verheißen von alters her durch den Mund heiliger Propheten.»

Gott ist getreu. Mit den kommenden Ereignissen beginnt die Verwirklichung seiner Verheißungen. Von Anbeginn der Welt faßte Er die Pläne seiner Erbarmung und tat sie durch die Propheten den Menschen zu ihrem Trost kund. Jene, die den Heiland nicht sehen durften, sollten wenigstens von Ihm reden hören. Von ferne beglückwünschten sie die auserwählten Geschlechter, denen es beschieden war, den Erlöser mit eigenen Augen zu sehen.

Mit Johannes beginnt dieses Geschlecht. Die Glücklichen, deren Fesseln der Heiland lösen will, die Ihn sehen, hören und seiner persönlichen Gegenwart sich erfreuen werden, unter deren Dach Er einkehren, an deren Tisch Er sich in liebreicher Herablassung setzen wird, sie sind schon geboren. Die gnadenvolle Zeit ist angebrochen, die Verheißungen werden sich erfüllen. Mische dich unter jene, die in seliger Erwartung seiner harren.

Zacharias aber bezeichnet den Heiland als einen siegreichen Eroberer, der gegen die Feinde des Guten einen harten Kampf führen wird. Er wird diese Feinde auch bis in das Innerste deines Wesens hinein verfolgen. Deine Seele wird das Schlachtfeld sein. Es gilt, sich zu stählen für den geistigen Streit. Rufe Den um Hilfe an, Der ein unüberwindlicher Sieger ist. Wiederhole oft die Worte: «Gepriesen sei der Herr, der Gott Israels, d.h. der Gott der Starken.»

 

III Zacharias weist auf Johannes als den Vorläufer des Herrn hin

«Mein Kind, du wirst heißen Prophet des Allerhöchsten. Vorangehen wirst du dem Herrn, Ihm die Wege zu bahnen, des Heiles Kunde seinem Volk zu bringen in der Tilgung seiner Sünden durch unseres Gottes herzliches Erbarmen.»

Betrachte das Kind Johannes in den Armen seines Vaters. Zacharias opfert Gott seinen Sohn, damit Gott ihn als Werkzeug der Ehre Christi gebrauche. Er fühlt sich als den glücklichsten der Väter, weil ihm die Versicherung zuteil geworden ist, daß sein Sohn allzeit auf der Seite der Wahrheit und Gerechtigkeit stehen wird, daß er seinen Mitmenschen von großem Nutzen sein und Gott immerdar lieben und Ihm dienen wird.

«Mein Kind, du wirst vor Dem hergehen, Der da kommen soll. Du wirst Ihm den Weg bereiten und Ihn jenen offenbaren, die Ihn nicht kennen. Du wirst Ihm Jünger heranbilden und Ihm dein ganzes Leben weihen.» Wenn Er dann selbst erscheinen wird, um zu lehren, zu verzeihen und zu heilen, so wird man sagen: «Das ist wahrhaft der Erlöser, den man uns verkündet hat.» Das ist der Ruhm, den Zacharias für seinen Sohn erstrebt, das ist die Freude, die Er sich selbst verspricht.1

Ist es nicht angemessen, daß Zacharias Gott opfert, was Er ihm gegeben hat? Er spricht zu Ihm: «O Gott, verfüge zu deiner Ehre über alles, was dein war, ehe ich es von dir empfangen habe. Was Du mir gegeben hast, sei in deinen Dienst gestellt zum Heil derer, die Du liebst.» Beglückwünsche Zacharias um seiner großmütigen Gesinnungen willen. Vereinige deine Danksagungen mit den seinen. Auch für dich bricht der neue Tag an. Dein Leben wird sich neu gestalten. Du wirst Gott in neuem Licht sehen und diese tiefere Gotteskenntnis andern mitteilen. Du wirst Gott mehr lieben und andere zur Liebe Gottes aneifern. Du wirst den Weg der Wahrheit wiederfinden, sicher darauf wandeln und andere dahin zurückführen. Alle Dunkelheit und Ungewißheit wird von dir weichen, denn das Heil und das Glück steigt vom Himmel und kehrt bei dir ein. Danke der göttlichen Güte und sprich in heiligem Frohlocken: «Gepriesen sei der Herr, der Gott Israels.»

1 Der hl. Lukas fügt über die ersten Jahre des Vorläufers folgendes bei: «Der Knabe aber wuchs heran und ward stark im Geist und war in der Wüste bis zu dem Tag, da er sich zeigen sollte für Israel.» Westlich von Jerusalem, in der Nähe des Ortes Ain-Karim befindet sich eine Grotte, die den Namen des Johannes trägt. Eine in den Felsen gehauene Bank scheint ihm als Bett gedient zu haben. Mageres Gesträuch umgibt die Grotte, in deren Nähe eine Quelle das Gestein ausgehöhlt hat. Die Traditionen jener Gegend bezeichnen diesen Ort als den Schauplatz der Jugendjahre des hl. Johannes.