112. Jesus lehrt zu Nazareth

(Mt 13, Mk 6, Lk 4)

 

I Jesus kehrt nach Nazareth zurück

Nachdem Jesus diese Gleichnisse beendet hatte, zog Er von dort weg. Er begab sich in seine Vaterstadt, seine Jünger folgten Ihm.

Schlage im Gefolge Jesu den Weg nach Nazareth ein, seiner ehemaligen Heimat. Jesus lädt dich ein, Ihn dahin zu begleiten. Durchschreite mit dem göttlichen Heiland das Städtchen. Unterhalte dich mit Ihm und frische die Erinnerungen an seine Kindheit auf. Besuche mit Ihm die geheiligten Stätten seines verborgenen Lebens, seine Arbeitswerkstatt, den stillen Ort seiner Gebete und das Grab des heiligen Joseph.

Küsse mit heiliger Ehrfurcht die Mauern des ärmlichen Hauses, die Zeugen der tiefen Erniedrigung und großen Liebe deines göttlichen Heilandes. Nimm den Duft aller Tugenden, die dort so herrlich geübt worden sind, in dich auf und erquicke dich daran.

 

II Er offenbart seinen Mitbürgern in feierlicher Weise seine göttliche Sendung

Am folgenden Sabbat lehrte Er in der Synagoge.1 Er erhob sich, um vorzulesen. Man reichte Ihm das Buch des Propheten Isaias.2 Er rollte das Buch auf und stieß auf die Stelle, wo es heißt: «Der Geist des Herrn ruht auf mir. Er hat mich gesalbt, den Armen die frohe Botschaft zu bringen. Er hat mich gesandt zu heilen, die gebrochenen Herzens sind, den Gefangenen die Befreiung anzukündigen, den Blinden das Augenlicht zu geben, Bedrückte in Freiheit zu setzen, das Gnadenjahr des Herrn auszurufen und den Tag der Vergeltung.»'

«Diese Worte», erklärt Jesus, «beziehen sich auf mich. Ich bin der von den Propheten Verkündete. Ich bin von Gott gesandt zu den Armen, den Betrübten, den Gefangenen und Elenden. Ich komme, Barmherzigkeit zu üben, denn ich bin der verheißene Erlöser.»

Verkoste die Süßigkeit dieser Worte. Dir gelten sie ebensogut wie den damaligen Zuhörern Jesu und wie dem ganzen Menschengeschlecht. So hat denn der himmlische Vater in seiner Liebe reichlich für unsere Bedürfnisse gesorgt und unserem Elend gesteuert. Jesus sagt: «Was ihr mich soeben lesen hörtet, geht heute in Erfüllung. Vor euch steht der, den Isaias verkündet hat.» Das war eine klare Sprache. Erfüllt sie dich nicht mit Freude? Kannst du noch zögern, Jesus als den verheißenen Erlöser anzuerkennen? Glaubst du aufrichtig, daß Jesus auch für dich der Ausspender der himmlischen Güter ist? Glaubst du, daß Er der von Gott Gesandte ist, der dich dem himmlischen Vaterland zuführen soll? Glaubst du, daß Er der wahre Tröster für all deine Betrübnis ist? Glaubst du, daß Er allein die Macht besitzt, dir alle deine Sünden zu verzeihen? Glaubst du, daß du nur durch Ihn zum übernatürlichen Leben gelangen kannst? Glaubst du das alles?

1 Es war Sitte, daß am Ende des Gottesdienstes in der Synagoge irgendein Anwesender, der es wünschte, eine Stelle der Propheten lesen und erklären konnte.

2 Die Bücher waren lange Pergamentstreifen, welche auf einem hölzernen oder elfenbeinernen Stab aufgerollt waren.

 

III Jesus wird von seinen Mitbürgern bewundert

Alle gaben Ihm Beifall und staunten über die anmutsvollen Worte, die aus seinem Munde flossen.

Die Zuhörer spenden Jesus Beifall. Wie herrlich spricht Er! Wieviel Anmut liegt in seinen Worten! Es bewundert Ihn die Menge, aber dabei bleibt es. Sie staunen über die Schönheit und Kraft seiner Worte, aber ihren Geist und ihre Wahrheit erfassen sie nicht und von den Pflichten, die Jesu Lehre auferlegt, wollen sie nichts wissen. Welch törichtes und strafwürdiges Verhalten!

Gott offenbart den Menschen die Wahrheit nicht zu dem Zweck, daß sie von ihnen bewundert werde, sondern daß sie ihnen zur Richtschnur ihres Lebens diene. Strebe danach, dieses recht zu erfassen. Du erkennst Jesus als den Sohn Gottes an, so unterwirf dich Ihm ohne Rückhalt. Du siehst in Jesus deinen Befreier, so komm den Verpflichtungen nach, die Er dir auferlegt. Du betest in Ihm die menschgewordene Wahrheit an, so stell dich unter sein Banner, kämpfe den guten Kampf und streite für seine Ehre. Diese Art von Beifall erwartet Jesus von dir. Das sind die Schlußfolgerungen, die du aus seinen belehrenden Worten ziehen sollst.

1 Eine Kirche, welche den unierten Griechen gehört, steht jetzt an Stelle der alten Synagoge von Nazareth.