114. Der Tod Johannes des Täufers
(Mt 14, Mk 6)
I Der Anlaß zur Verurteilung des heiligen Johannes
Herodes hatte Johannes festnehmen, fesseln und in den Kerker werfen lassen wegen Herodias, der Frau seines Bruders Philippus, die er zur Frau genommen hatte.
Versetze dich im Geiste in den Kerker Johannes des Täufers und betrachte seinen Opfertod. Bei welcher Gelegenheit erleidet er den Tod? Ein weltliches Fest ist der Anlaß dazu. Solche Anlässe sind dem Satan stets willkommen, um den Gerechten nachzustellen. Es gelingt ihm, seine Pläne zu verwirklichen durch berauschende Vergnügungen, durch Entfeßlung der Leidenschaften, Erregung der Eifersucht und der Eitelkeit.
Sieh, wie es auf dem Fest bei Herodes zugeht! Höre die Gespräche der Teilnehmer, erforsche ihre Pläne und dring in ihre Absichten ein. Der Satan ist an der Arbeit. Er spricht aus den Personen und drängt sie zum Handeln. Er haßt den Heiland und will Ihm Fallstricke legen. Um sich an Ihm zu rächen, beschließt er, seinen Vorläufer zu töten. Ziehe deine Schlüsse und lerne die Welt hassen, in welcher Satan herrscht.
II Die Vollstreckung des Todesurteils
So schickte denn der König sofort einen Leibwächter hin mit dem Befehl, sein Haupt auf einer Schüssel hereinzubringen.
Überschreite die Schwelle des Kerkers, in welchem der heilige Vorläufer schmachtet. Begleite den Henker und grüße den Märtyrer. Während die Schamlosigkeit ihre schändlichen Orgien feiert, wird Gott durch einen jungfräulichen Blutzeugen verherrlicht. Bewundere, mit welch großartiger Einfachheit die Heiligen ihr Leben für Wahrheit und Gerechtigkeit hingegben. Gott, der alles kann, läßt zu, daß Johannes das Opfer eines schamlosen Weibes wird. Sein Leben wird der Befriedigung weiblicher Eitelkeit geopfert. Wie kommt das? Herodes gibt den Höflingen ein Fest. Bei dieser Gelegenheit tanzt die Tochter der Herodias vor den Tischgenossen. Und der König sprach zu dem Mädchen: «Verlange von mir, was du willst, und ich werde es dir geben.» Da ging sie hinaus und fragte ihre Mutter: «Was soll ich verlangen?» Diese aber sprach: «Das Haupt Johannes des Täufers.» — Und Johannes fragt nicht: «Mein Gott, ist das der Lohn für meine treuen Dienste?» Er schweigt. Großmütigen Herzens bringt er um einer so unwürdigen Ursache willen Gott das Opfer seines Lebens. In der Tat, selbst das Opfer des Lebens in treuer Pflichterfüllung ist noch gering, weil man es dem unendlichen Gott darbringt. Das Glück des Gerechten besteht darin, für die Gerechtigkeit zu sterben, nachdem er für dieselbe gelebt hat.
Knie vor Johannes dem Täufer nieder und bitte ihn, dich zu segnen. Flehe ihn an, dir als Erbteil seine glühende Liebe zu Jesus zu hinterlassen, seine Seelenstärke in Erfüllung der Pflicht und sein unerschütterliches Gottvertrauen. Vereinige dich mit dem ganzen Himmel in Bewunderung dieses großartigen Schauspiels. So schickte denn der König sofort einen Leibwächter hin mit dem Befehl, sein Haupt hereinzubringen. Der ging hin und enthauptete ihn im Kerker, erzählt das Evangelium. Das blutige Werk ist vollbracht, und die Sache Christi zählt einen Sieg mehr. Beuge dich ehrfurchtsvoll vor dem verstümmelten Körper des Märtyrers nieder. Fang sein Blut auf und wasche damit alle Feigheit deiner Seele ab. Erweise diesem entseelten Leib eines Heiligen im Verein mit den Engeln die letzte Ehre.1
Der Märtyrer hat sein Lebenswerk vollendet, aber gestorben ist er nicht. Denn wer dem Dienst des Herrn sich geweiht und Ihm gelebt hat, stirbt nie. Vom Grab der Märtyrer geht neues Leben aus. Der Tod raubt jenen nichts, die im Dienst Gottes ihr Leben verlieren. Dringe tief in diesen Gedanken ein! Lerne den Festen der Erde jene des Himmels vorziehen, lerne der Ewigkeit vor der Zeit, der Pflicht vor dem Vergnügen den Vorzug geben.
1 Alte Überlieferungen verlegen das Grab des heiligen Johannes nach Samaria oder Sebaste. Sebaste erhob sich auf dem Abhang eines einsamen Berges, 11 Kilometer von Napluse entfernt. Die Grabkammer befand sich in der Krypta einer großen Kirche. Man stieg auf einer Treppe von 20 Stufen hinab. Jetzt sind nur noch Ruinen vorhanden.