138. Die zweite Brotvermehrung

(Mt 15, Mk 8)

 

I Jesus sorgt auch für das zeitliche Wohl der Seinen

In jenen Tagen war wieder eine große Volksschar beisammen und hatte nichts zu essen. Da rief Er seine Jünger zu sich und sprach zu ihnen: »Mich erbarmt des Volkes. Schon drei Tage harren sie bei mir aus und haben nichts zu essen. Wenn ich sie hungrig nach Hause gehen lasse, so brechen sie unterwegs zusammen, manche von ihnen sind ja weit hergekommen.»'

Finde dich abermals bei Jesus in der Wüste ein, der sich ganz in den Dienst seiner hilfsbedürftigen Brüder stellt. In welcher Seelenverfassung ist die Menge, die Ihn umgibt? Sie hungert und dürstet nach einem Wort aus dem Munde Jesu. Je mehr sie hört, desto mehr verlangt sie zu hören. Nichts lenkt ihre Aufmerksamkeit ab, sogar die körperlichen Bedürfnisse und die irdischen Geschäfte vergißt sie. Muß da der Heiland nicht für sie sorgen?

Bewundere die Güte des Herzens Jesu. Der Heiland erhebt seinen Blick und wird von Mitleid gerührt. Ihm ist besser als irgend jemand bekannt, wie groß die Anstrengungen sind, welche diese armen Leute gemacht haben, um sich ihren gewöhnlichen Beschäftigungen zu entziehen. Er weiß, was sie verlassen haben, um zu Ihm zu kommen, und was sie ertragen haben, um drei Tage bei Ihm auszuharren. Und Er spricht voll liebreichen Mitleids: «Mich erbarmt des Volkes. Diese Menge verdient in der Tat, daß ich ihr durch ein Wunder zu Hilfe komme.»

Wie groß ist die zarte Sorge des Herzens Jesu für die Schar, die Ihm nur drei Tage gefolgt ist! Was wird Er da erst für jene empfinden, die Ihm alle Tage ihres Lebens geweiht haben, besonders, wenn Er weiß, daß sie Ihm aus Liebe und nicht aus eigenem Interesse folgen.

1 Man nimmt an, daß diese zweite Brotvermehrung am Westufer des Sees ungefähr 5/4 Meilen von Tiberias stattfand. An der Stelle, welche man den Tisch des Herrn nennt, ist ein langer flacher Stein, auf dem nach der Überlieferung Jesus die Brote vermehrte. Die große Ebene, welche sich dort ausdehnt, ist ganz mit hohem Gras und Stoppeln bedeckt.

 

II Jesus sättigt alle, die bei Ihm ausgeharrt haben

Seine Jünger erwiderten Ihm: «Woher soll jemand hier in der Wüste Brot nehmen, um sie zu sättigen?» Er fragte sie: « Wieviel Brote habt ihr?» Sie antworteten: «Sieben.»

«Woher Brot nehmen für diese Schar?» fragen sich die ratlosen Jünger. Antworte du den Aposteln, und verscheuche ihre Besorgnis: «Jesus, der alles vermag, ist bei uns. Er ist der allmächtige Herr der Schöpfung, seine Macht kommt seiner Güte gleich.» Wie darf ich mich da je in seiner Nachfolge beunruhigen? Wie sollte Er, der mich unter die Zahl seiner Jünger aufgenommen hat, mir nicht einen Platz an seinem Tisch gewähren? Als Jünger gehöre ich ja zu seinen glücklichen Hausgenossen.

Nun hieß Er das Volk, sich auf den Boden niederzulassen. Dann nahm Er die sieben Brote, dankte, brach sie und gab sie seinen Jüngern, und die Jünger gaben sie dem Volke. Betrachte, wie Jesus seinen Kindern den Tisch bereitet! Wer darf Ihm dabei behilflich sein? Die Apostel, diese zukünftigen Priester seiner Kirche. Durch Vermittlung der Priester wirst auch du des Lebensbrotes teilhaftig. Wer es nicht aus ihrer Hand empfangen will, wird aus eigener Schuld vor Hunger und Elend umkommen. Alle aßen und wurden satt. Erwecke in dir ein lebhaftes Verlangen nach dem Seelenbrot, das Jesus für dich bereit hält. Im Verhältnis zu deiner Vorbereitung wird seine Wirksamkeit gesteigert, und du wirst in seinem Genuß eine Sättigung empfinden, wie kein Gut der Welt sie dir bieten kann. Solche Wunder kann nur Jesus wirken, aber Er verlangt dein Zutun. Wenn du dich daher an seinem heiligen Tisch einfindest, ohne etwas zur Vorbereitung getan zu haben, so wundere dich nicht, wenn du nichts empfindest und keine Wirkung verspürst.

Suche reiche Frucht aus diesen Gedanken zu ziehen! Empfange in heiliger Sammlung deinen Anteil am Brote Jesu, sättige dich daran mit all den Glücklichen, die mit dir zu Tische sitzen.

 

III Jesus entläßt die Menge

Von den Stücklein, die übriggeblieben waren, hoben sie noch sieben Körbe auf. Es waren gegen viertausend, die gegessen hatten. Und Er entließ sie.

Was wird das Volk tun, jetzt, da es gesättigt ist? Welchen Gebrauch wird es von den Kräften machen, die ihm geschenkt wurden? Diese Frage solltest auch du dir nach jeder heiligen Kommunion stellen. «Wie kann ich die Gnaden, die der Heiland mir gegeben hat, verwerten? Jede Wohltat muß ich zu seiner Verherrlichung gebrauchen.» So lege deine guten Vorsätze zu den Füßen des Heilands nieder!

Doch das ist nicht alles. Gedenke auch jener, zu denen du nach der heiligen Kommunion zurückkehren wirst. Sammle die Brosamen des himmlischen Festmahles und bringe sie ihnen! Zeige dich so sanft und liebreich, so geduldig und pflichtgetreu, daß in allen der Wunsch geweckt wird, mit dir am Gnadentisch des Herrn Platz zu nehmen. Diese Art der Danksagung erwartet Jesus von dir, säume nicht länger, sie Ihm zu entrichten! Preise laut mit der freudig heimkehrenden Menge den himmlischen Vater, der so liebevoll für seine Kinder sorgt!