154. Von der Hochschätzung der Seelen
(Mt 18)
I Jede Seele hat einen großen Wert
«Seht zu, daß ihr nicht eines von diesen Kleinen verachtet denn ich sage euch, ihre Engel im Himmel schauen immerfort das Angesicht meines Vaters, der im Himmel ist.»
Bereite deinen Geist und dein Herz vor, die Unterweisungen des Heilands gut aufzunehmen, und nimm deinen Platz unter seinen Zuhörern ein!
Was lehrt Er dich heute? Er lehrt dich, deine Mitmenschen einzig nach der Hochachtung, die Gott ihnen bezeugt, zu schätzen. Was bei ihnen in Betracht kommt, ist weniger, was die gefallene Natur in ihnen verdorben hat, als vielmehr, was Gott in sie gelegt hat und was du durch den Glauben in ihnen sehen sollst: die Pläne einer unendlichen Weisheit, die Wunder einer grenzenlosen Güte und die Wirkungen einer unerschöpflichen Liebe und Barmherzigkeit.
Beweis hierfür sind die Engel, die über alle, selbst über die Geringsten unter uns, zu wachen beauftragt sind. Nimm dir diese dienenden Schutzgeister zum Vorbild! Sie erkennen das Gute, das von Gott kommt, bei wem immer sie es finden. Welcher Art auch die Vergehen deiner Brüder seien, es ist dir nie erlaubt, darin einen Grund zu ihrer Geringschätzung zu finden; denn von Seiten Gottes bleiben sie immer Gegenstand liebevoller Sorgfalt. Handle nach diesem Grundsatz im Verkehr mit deiner Umgebung!
II Jesus schätzt die Seelen überaus hoch
«Denn der Menschensohn ist gekommen, zu retten, was verloren war.»
Der Heiland weist zur Bekräftigung seiner Lehre auf sein eigenes Beispiel hin. «Was dünkt euch? Wie urteilt ihr über die Hochschätzung, die Ich selber für jene hege, die den Augen der Welt verächtlich erscheinen? Wisset ihr, daß Ich um ihretwillen gekommen bin?»
Jesus erklärt, daß seine Erniedrigung in der Menschwerdung beweist, wie hoch Er die Menschenseele selbst im gefallenen Zustand schätzt. Alle seine Handlungen sind Akte der Liebe gegen uns armselige, unwürdige Menschen. Es gibt nichts, wozu Jesus nicht bereit wäre, um eine verirrte Menschenseele zu retten. «Wenn ein Mensch hundert Schafe hat und eines davon verliert, läßt er nicht die neunundneunzig Schafe auf den Bergen und geht hin, das verirrte zu suchen?»
Nutze diese rührende Versicherung des Heilands, und bitte Ihn, wenn möglich, noch mehr zu tun, um auch jene hartnäckigen Sünder, die bisher deinen Gebeten, deinen Ermahnungen und Beispielen widerstanden haben, zu bekehren. Mache Ihn aufmerksam auf alle Seelen, die du Ihm gern gewinnen möchtest, und unterstütze, soviel als in deinen Kräften steht, das Wirken seiner Gnade. Da dem Heiland die Bekehrung einer Seele so viel Freude bereitet, so sei dir keine Anstrengung zu groß, Ihm diesen Trost zu verschaffen!
III Es ist der Wille des himmlischen Vaters, daß keine Seele verloren gehe
«Also ist es nicht der Wille eures Vaters, der im Himmel ist, daß eines von diesen Kleinen verlorengehe.»
Blicke zum Himmel auf und bete die unendliche Güte Gottes an, die freigebig für das Heil aller Menschen ohne Ausnahme sorgt. Alle Seelen haben in den Augen deines himmlischen Vaters einen solchen Wert, daß Er, um ihr ewiges Verderben zu verhüten, zu jeder einzelnen seinen einzigen Sohn sendet mit dem Auftrag, zu ihrer Rettung keine Arbeit und kein Leiden zu scheuen. So sehr verlangt Gott nach unserem Heil. Wenn also ein Sünder ewig verlorengeht, so trifft ihn allein die Schuld an seinem Verderben. Gott läßt es dem Menschen nie an Gnade fehlen, aber dieser verweigert oft seine Mitwirkung. Deshalb stehe soviel wie möglich für die Interessen Gottes ein und komme den Seelen, deren Heil in Gefahr ist, zu Hilfe! Schätze auch die geringsten Werke des Seeleneifers hoch und unterziehe dich ihnen mit allem Eifer! Ziemt es sich nicht, daß du um jeden Preis dem himmlischen Vater die traurige Notwendigkeit ersparst, eines seiner Kinder verderben zu müssen? Flüchte dich mit den bedrohten Sündern unter die mächtigen Flügel der göttlichen Barmherzigkeit!