171. Das Zeugnis des Geheilten
(Joh 9)
I Der Blindgeborene wird den Pharisäern vorgeführt
Man führte den bisher Blinden zu den Pharisäern. Es war aber Sabbat an dem Tag, da Jesus den Teig gemacht und ihm die Augen geöffnet hatte. Die Pharisäer fragten ihn nun ebenfalls, wie er sehend geworden sei.
Begleite den Geheilten vor den Richterstuhl der Pharisäer! Er ist glücklich, dort zu erscheinen, weil sich ihm dadurch Gelegenheit bietet, von seinem Wohltäter zu sprechen und seine Wunderwerke zu verkünden. Er kennt keine Menschenfurcht. Er fühlt tief die Barmherzigkeit, die Jesus ihm erwiesen hat, und betrachtet es als eine Ehre, öffentlich für Ihn zu zeugen.
Welch herrliche Lehre erteilt dir dieser neue Jünger Jesu! Er ist kaum bekehrt, und schon bewährt sich sein Glaube in der Verfolgung. Diese Glaubenskraft entspringt seiner Demut und ist die Frucht vorangegangener Leiden. Die Pharisäer fragen ihn nun ebenfalls, wie er sehend geworden sei. Er sagte zu ihnen: «Er strich mir einen Teig auf die Augen, ich wusch mich und kann nun sehen.» Diese einfache Antwort enthüllt die Allmacht dessen, der das Wunder gewirkt hat. Sie enthält ein ebenso glänzendes wie kurzes Glaubensbekenntnis. Dieser Mensch hat in der wunderbaren Handlung des Heilands seine Gottesmacht erkannt, er hat deren Wirkung an sich erfahren, und sein Glaube wird fortan unerschütterlich sein.
II Der Geheilte übernimmt die Verteidigung seines Wohltäters
Da fragten sie den Blinden aufs neue: « Was hältst denn du von Ihm? Er hat dir ja die Augen geöffnet.» Er sagte: «Er ist ein Prophet.»
«Dieser Mensch ist nicht von Gott gesandt», sagen die Richter, und mit dieser Behauptung beginnt der Wortwechsel. Fürchte nicht die Spitzfindigkeit dieser eitlen Gesetzausleger! Der Geheilte versteht nichts von den Einwänden, die sie erheben können. Er hat niemals eine Schule besucht, er hat sein Leben auf der Straße zugebracht und von den Vorübergehenden sein Brot erbettelt. Doch nicht das Licht der stolzen Wissenschaft erleuchtet, sondern der Geist Gottes. Durch den Beistand der göttlichen Gnade gestärkt, wird der Geheilte die gerechte Sache seines Wohltäters vertreten.
Beachte, wie einfach er dabei vorgeht! Er erfaßt die Wahrheit mit dem Herzen. «Was hältst du von diesem Menschen?» fragt man ihn. Er aber spricht: «Er ist ein Prophet.» Der Begriff «Prophet» ist für ihn das Höchste, zu dem sich seine Fassungskraft erheben kann, und deshalb legt er dem Heiland diesen Titel bei!
Nimm dir diesen Menschen zum Vorbild! Die Ehre des Heilands bedarf auch jetzt noch der Verteidigung. Läßt du es dir angelegen sein, für Ihn einzutreten, wenn man Ihn angreift? Hält dich nicht die Furcht vor Widerspruch zurück? Erinnere dich der Wohltaten, die du vom Heiland empfangen hast, und die Dankbarkeit wird dir die Pflicht, Ihn zu verteidigen, leicht und lieb machen.
Verdankst du Ihm etwa weniger als der Blindgeborene? Jesus gibt dir das Licht der Wahrheit, die Hoffnung auf die ewige Glückseligkeit und die Gewißheit, daß deine Sünden getilgt sind. Wie kannst du deine Schuld abtragen? Beobachtest du vielleicht aus Feigheit Stillschweigen, wenn man seine göttliche Sendung leugnet und seine Lehre entstellt? Ein solches Verhalten ist eines Christen unwürdig. Bekenne dich mutig als Jünger des Heilands!