177. Die Rückkehr der Jünger

(Lk 10, Mt 11)

 

I Jesus belehrt seine Jünger über die wahre Freude

Voll Freude kehrten die zweiundsiebzig Jünger zurück und berichteten: «Herr, selbst die bösen Geister sind uns in Deinem Namen unteran.» Er entgegnete ihnen: «Doch nicht darüber sollt ihr euch freuen, daß die Geister euch Untertan sind, freut euch vielmehr, daß eure Namen im Himmel aufgezeichnet sind.»

Sei Zeuge des Empfangs, den der göttliche Meister den zurückkehrenden Jüngern bereitet! Mit welcher Freude rufen sie Ihm zu: «Wir haben Erfolg gehabt! Die Hölle ist besiegt und die Teufel mußten weichen!» Jesus verurteilt gewiß nicht die Freude seiner Jünger, denn sie schreiben alle Ehre Ihm zu. Dennoch unterbricht Er sie mit den mahnenden Worten: «Freut euch nicht darüber! Freut euch nicht so sehr über den Erfolg eurer Tätigkeit, auch nicht über die außergewöhnliche Macht, die ich euch übertragen habe! Nicht darin liegt das wahre Glück.» — Hat dein Erlöser nicht recht? Er weiß, daß dieses Wohlgefallen leicht die eitle Ehrsucht wecken kann. Er erinnert sie daran, daß Luzifer durch den Hochmut von der Höhe des Himmels herabgestürzt ist. Beachte mehr das, was Gott für dein Seelenheil in dir wirkt, als jenes, was Gottes Gnade durch dich für andere Seelen wirkt. Beim Erfolg in den guten Werken fürchte den Hochmut, der in einem Augenblick aus einem Apostel einen Teufel machen kann. Betrachte, wie der Heiland hinzufügt, daß der Gegenstand der wahren Freude nicht darin liegt, den Dämonen befehlen zu können, sondern berufen zu sein, einen Platz im Himmel einnehmen zu dürfen, den ein Teufel verloren hat. «Freut euch, daß eure Namen im Himmel aufgezeichnet sind!» Wir sollen uns freuen, daß der Herr uns erlöst hat, und wir die ewige Glückseligkeit erhoffen dürfen. Richte auch du deinen Blick auf dein letztes Ziel und Ende und suche nicht auf Erden, was Gott dem Himmel vorbehalten hat! Sei dir deiner hohen Bestimmung bewußt und verzichte im Hinblick darauf auf alles Scheinglück, das die Geschöpfe dir bieten könnten.

 

II Jesus dankt dem himmlischen Vater, daß Er sich den Kleinen und Demütigen geoffenbart habe

In jener Stunde frohlockte Er im Heiligen Geist und sprach: «Ich preise Dich, Vater, Herr des Himmels und der Erde, daß Du dies vor Weisen und Klugen verborgen, Kleinen aber geoffenbart hast. Ja, Vater, so hat es Dir gefallen.»

Vereinige dich mit der Danksagung deines Erlösers! Er kann seine Freude nicht zurückhalten beim Gedanken daran, daß seine Jünger zu den Auserwählten des himmlischen Vaters gehören. Es sind ungelehrte und einfache Männer von niedrigem Stand, aber gerade sie sind von Gott erwählt; ihnen hat Er die Erkenntnis und die Güter des ewigen Lebens zugesichert. Armut des Geistes, Einfalt des Glaubens und Gelehrigkeit des Herzens machen den Menschen fähig, die Erleuchtungen und Gnadengaben Gottes in der rechten Weise zu gebrauchen. Den Demütigen will der himmlische Vater seine Geheimnisse offenbaren. Der Stolz verdunkelt unseren Verstand, die Seele wird durch ihn gehindert, das göttliche Wort zu vernehmen, und selbst die ergreifendsten Offenbarungen des Evangeliums lassen das hochmütige Herz kalt.

Mache dir auch den unversöhnlichen Gegensatz der weltlichen Weisheit und menschlichen Klugheit zur Weisheit Gottes bewußt. Die Welt hat Grundsätze, die dem Evangelium ganz entgegengesetzt sind, und wer von ihnen durchdrungen ist, kann das Licht der himmlischen Lehre Christi nicht wahrnehmen. Widersage dieser verkehrten Weltweisheit, und Gott wird dich mit seiner erhabenen Wahrheit erleuchten.

Wie Christus betont, verbirgt Gott seine Geheimnisse den Weltweisen. Er tut dies, weil jene sich ihrer Erkenntnisse rühmen, und Er will nicht, daß das göttliche Licht entweiht werde und der Vermehrung des menschlichen Hochmuts diene. Bemühe du dich, die Größe Gottes zu erkennen, um Ihn mehr zu lieben. Diese Erkenntnis soll in dir die göttliche Liebe nähren, nicht aber den Hochmut.

Gott offenbart sich den Kleinen und Demütigen, weil sie alles, was sie von seiner Güte empfangen, zu seiner Verherrlichung benützen. Sie erkennen sich als unwürdig, von Gott übernatürliches Licht und Erkenntnis zu empfangen. Wenn du von dieser Gesinnung beseelt bist, wird Gott dir viele Gnaden schenken.

Bemühe dich also, recht klein und demütig zu werden, und du wirst das Glück, zu den Auserwählten Gottes zu gehören, recht erkennen und schätzen. Dann gehörst du zu jenen, für die der Erlöser dem himmlischen Vater mit großer Freude Dank sagt.

 

III Jesus preist seine Jünger selig, weil ihnen solche Gnade zuteil wird

Dann wandte Er sich an seine Jünger und sprach: «Selig die Augen, die sehen, was ihr seht! Denn ich sage euch: Viele Propheten und Könige wollten sehen, was ihr seht, und sahen es nicht. Wollten hören, was ihr hört, und hörten es nicht.»

Der Ausspruch Jesu möchte dir zum Bewußtsein bringen, wie glücklich du bist, Jesus zum Meister zu haben. Unter seiner Leitung wird dir nichts mangeln. Hast du schon einmal bedacht, wie groß die Zahl jener ist, die nicht gesehen haben, was du siehst, und die nichts von dem wissen, was Jesus dich gelehrt hat? Wenn dein Seeleneifer sich ihrer nicht annimmt, so werden sie niemals die Güter besitzen, deren du auf so unverdiente Weise teilhaftig geworden bist. Angesichts der göttlichen Freigebigkeit kannst du nichts Besseres tun, als großmütig den Ruf des Heilands zu hören und das zu befolgen, was Er dich lehrt.

 

IV Jesus ruft die Leidenden zu sich und lehrt die wahre Demut

«Kommt zu mir alle, die ihr mühselig und beladen seid, und ich werde euch erquicken. Nehmt mein Joch auf euch und lernt von mir, denn ich bin sanftmütig und demütig von Herzen. So werdet ihr Ruhe finden für eure Seelen, denn mein Joch ist süß und meine Bürde leicht.»

Erwäge diese trostreichen Worte! Bist du müde, ohne Trost zu leiden und ohne Erfolg zu arbeiten, so gehe zum Heiland, der dich tröstet und ermutigt. Vertraue dich Ihm ganz an und lege all dein Leid und deine Sorgen in sein heiligstes Herz! Beuge dich freudig dem Joch seiner Gebote, und Kummer und Schmerzen werden dir erträglich werden!

Der Herr zeigt sich uns hier als Vorbild der Sanftmut und Demut. Die Menschen wollen machtvoll erscheinen, um sich Geltung zu verschaffen, anderen Furcht einzuflössen und oftmals auch um Böses zu tun. Unser Heiland will uns die Größe der Demut lehren. Er ist demütig von Herzen, nicht nur in seinen Worten. In seinem Leiden hat Er um unseres Heiles willen schmerzlichste Demütigungen gleichmütig auf sich genommen. Lerne von diesem Beispiel! Es ist leicht, äußerlich demütig zu erscheinen, aber in der Schule Jesu lernt man, wahrhaft demütig zu sein von Herzen. Wenn du demütig bist, ist der Herr bei dir und erleichtert dir das Joch deines Kreuzes und versüßt die Last deiner Bürde.