181. Jesus lehrt seine Jünger beten

(Lk 11)

 

I Die Jünger bitten den Heiland, sie beten zu lehren

Einst verweilte Er an einem Ort im Gebet. Als Er damit zu Ende war, bat Ihn einer von seinen Jüngern: «Herr, lehre uns beten, wie auch Johannes seine Jünger beten gelehrt hat.»

Begib dich mit den Jüngern zum göttlichen Meister in die Einsamkeit, um vom Heiland beten zu lernen! Jesus ist der große Lehrmeister des Gebets, und du bedarfst seiner Unterweisung, denn wer nicht zu beten versteht, der wird auf dem Weg zur Vollkommenheit keine Fortschritte machen. Betrachte vor allem, wie Jesus selbst betet! Welche lehren ziehst du aus dem Umstand, daß der göttliche Meister sich in die Einsamkeit begibt und sich in das tiefste Schweigen versenkt, wenn Er mit seinem himmlischen Vater reden will?

Der Anblick des betenden Heilands wird auch in dir den lebhaften Wunsch erwecken, im Gebetsleben ernstliche Fortschritte zu machen.

 

II Der Heiland lehrt seine Jünger das Vaterunser

Da sagte Er zu ihnen: «Wenn ihr betet, so sprecht: Vater, geheiligt werde Dein Name. Es komme Dein Reich. Unser tägliches Brot gib uns heute. Vergib uns unsere Sünden, denn auch wir vergeben allen unsern Schuldigern. Und führe uns nicht in Versuchung.»

«Lehre uns beten!» sagten die Apostel. Suche die tiefe Bedeutung dieser Bitte zu erfassen! In ihr sind manche fragen enthalten, die sich auch dir immer aufdrängen: Was heißt beten? Nach welcher Methode soll man vorgehen? Welcher Formel soll man sich dabei bedienen? Jesus wird all diese Schwierigkeiten lösen. Was heißt beten? Beten heißt, Gott anbeten. Denke über den ersten Teil des Vaterunsers nach! Jesus verlangt darin, daß wir Gott loben, seinen Namen verherrlichen, die Ausbreitung seines Reiches sowie die vollkommene Erfüllung seines Willens erflehen. Erwecke also beim Gebet Gesinnungen, die Gott wirklich zur Ehre gereichen! So handelte Jesus selber und dazu leitete Er seine Jünger an.

Gehörst du nicht vielleicht zu jenen eigennützigen Christen, die im Gebet nur an sich denken und den Interessen Gottes sozusagen gleichgültig gegenüberstehen? Und doch muß Gott fordern, daß, wie alles auf Erden, so auch unser Gebet zu seiner Verherrlichung beitrage. Ein Gebet, das die Ehre Gottes nicht fördert, wird fruchtlos sein.

Beten heißt ferner, Gott um die Kraft bitten, deren wir bedürfen. Wenn du die zweite Hälfte des Vaterunsers betrachtest, dann wird es dir klar, daß wir darin für alle Lebenslagen die Hilfe Gottes erflehen. Mag es sich nun um Bedürfnisse des Leibes oder der Seele handeln, wir brauchen Ihn nur zu bitten, und Er wird uns beistehen, wie Jesus uns versichert.

Jedoch hilft Er nicht bedingungslos. Das Gebet ist nach der Lehre Jesu vor allem ein Akt kindlichen Vertrauens. In deiner Anbetung und in deinen Bitten sollst du zum lieben Gott sprechen wie das Kind zum Vater. Wenn der Stimme, die zu Ihm ruft, der Ton kindlichen Vertrauens fehlt, dann kann Er unmöglich als Vater antworten.

Wenn Gott bei deinen Gebeten manchmal taub zu sein scheint, dann ist gewiß dein Mangel an Vertrauen die Ursache. Du zweifelst an seiner Liebe und glaubst, daß Er an deinen Leiden keinen Anteil nehme. Weise alles Mißtrauen von dir und sprich mit wahrer Kindesliebe: «Vater».

 

III Jesus versichert seinen Jüngern, daß Gott all ihren Anliegen väterliches Interesse entgegenbringt

«Wenn einer von euch seinen Vater um Brot bittet, gibt er ihm dann etwa einen Stein? Und wenn er um einen Fisch bittet, gibt er ihm statt des Fisches eine Schlange? Wenn nun ihr, die ihr böse seid, euren Kindern gute Gaben zu geben wißt, wieviel mehr wird der himmlische Vater den Heiligen Geist denen geben, die Ihn darum bitten?»

Die Apostel müssen im Vertrauen befestigt werden, und auch du kannst aus den Unterweisungen Nutzen ziehen, die ihnen der Heiland in dieser Hinsicht erteilt. Jesus übernimmt die Rechtfertigung seines himmlischen Vaters gegenüber den Zweifeln, die unser mangelhafter Glaube gegen Ihn vorbringt. Bedenke, daß du im Gebet zu dem besten aller Väter sprichst! Zu jeder Stunde ist man Ihm willkommen, und wir können die hohe Ehre, in vertrauten Verkehr mit Ihm treten zu dürfen, niemals genügend schätzen. Wird es dir im Gedanken an diese Tatsache nicht leichter werden, Ihm in seinem stillen Heiligtum all deine Gedanken und Wünsche anzuvertrauen? Seine väterliche Vorsehung wacht über dich, und seine unendliche Güte wird dir helfen. Im Vaterunser lehrt dein Herr und Meister dich das vorzüglichste Gebet. Lerne nur, es in der rechten Gesinnung zu verrichten! Vereinige dich dabei mit Jesus, und sprich Ihm jede Bitte nach! Je mehr du dich als sein Jünger und als Kind des himmlischen Vaters fühlst, desto leichter und besser wirst du beten.