186. Jesus warnt vor der Habsucht

(Lk 12)

 

I Jesus ist nicht in die Welt gekommen, um den Menschen zur Erwerbung vergänglicher Reichtümer behilflich zu sein

Einer aus dem Volk sagte zu Ihm: «Meister, sag meinem Bruder, er soll das Erbe mit mir teilen.» Er entgegnete Ihm: «Mensch, wer hat mich zum Richter oder Erbteiler über euch gesetzt?»

Vernimm die Bitte, die man an den Heiland richtet, und freue dich über seine abweisende Antwort! Er will uns begreiflich machen, daß Er nicht gekommen ist, um uns mit irdischen Gütern zu bereichern. Das ist der Sinn seiner Antwort. «Meine Sendung erstreckt sich nicht auf dieses Gebiet; Ich bin nicht gekommen, um in Erbschaftsangelegenheiten zu entscheiden. Was ich euch biete, ist mehr wert als alle irdischen Güter.»

Bemühe dich also zu erfassen, was du bei der Nachfolge Jesu vor allem erstreben sollst! Wohl darfst du von Ihm auch zeitliche Güter und Erfolg in deinen Unternehmungen erbitten, aber Er wird dir deine Bitten nur dann gewähren, wenn du deine Hauptsorge und deine innigsten Gebete auf die Erlangung der ewigen Güter richtest. Bekenne dich von ganzem Herzen zu dieser Gesinnung! Willst du noch länger zu jenen unwürdigen Christen gehören, die ihre Treue gegen den Heiland von dem Erfolg ihrer zeitlichen Angelegenheiten abhängig machen?

 

II Jesus betont, daß die irdischen Reichtümer nicht unser Lebensglück ausmachen

Jesus sprach zu ihnen: «Habt acht und hütet euch vor aller Habsucht! Mag einer auch Überfluß haben, sein Leben ist durch seinen Besitz doch nicht gesichert.»

Jesus benützt die Gelegenheit, um seinen Jüngern eine wichtige Lehre zu erteilen. Was nützt es, sein Herz an Güter zu hängen, die kein wahres Glück bieten können? Wie oft entfesselt der Reichtum Feindschaft zwischen den Gliedern derselben Familie! Betrachte den Mann, der um die Vermittlung des göttlichen Meisters bittet! Er ist das Opfer des Kampfes um seine persönlichen Interessen. Haben dergleichen Streitigkeiten nicht auch bisweilen ihre Schatten in dein Leben geworfen?

Überdies rauben die vielen Sorgen, die das Streben nach irdischen Gütern mit sich bringt, dem Menschen die Ruhe und die Fähigkeit, das wahre Glück zu genießen. Das lehrt dich die Parabel, die der Heiland vorträgt: «Ein reicher Mann hatte einen Acker, der reichliche Früchte trug. Da dachte er bei sich selbst und sprach: Was soll ich tun, ich habe keinen Platz, meine Feldfrüchte unterzubringen?»

Sieh, wie dieser Sklave der Habsucht sich quält mit der Frage: «Was soll ich tun?» Er verlangte nach Ruhe und hat nichts als Aufregung gefunden, da er von Gefahren aller Art umringt ist; tausend Feinde bedrohen ihn. Er weiß, daß er der Eifersucht ausgesetzt ist, und fragt sich voller Unruhe: «Was soll ich tun?» In seinem Haus herrscht der Überfluß, aber ihm fehlt der Friede, ohne den der Reichtum nicht beglücken kann.

Zu all den Sorgen gesellen sich noch bittere, unvermeidliche Enttäuschungen. Wer sein Glück genießen will, muß vor allem seine Zukunft sicherstellen. Denn wer nicht imstande ist, für den folgenden Tag vorzusorgen, den kann man in Wahrheit arm nennen. Nun gibt es aber erst im Himmel ein sicheres «Morgen», und der Himmel wird nur jenen zuteil, die ihn der Erde vorgezogen haben. Wehe den Unglücklichen, die das Leben anders aufgefaßt haben!

 

III Jesus zeigt seinen Jüngern, wie der irdische Besitz die ewige Seligkeit in Gefahr bringt

«So will ich es machen, sagte er, ich breche meine Scheunen ab und baue größere. Darin kann ich all meinen Ertrag und alle meine Güter unterbringen. Dann will ich zu meiner Seele sagen: Meine Seele, du hast großen Vorrat an Gütern auf viele Jahre. Setz dich zur Ruhe. Iß und trink und laß es dir wohl sein. Gott aber sprach zu ihm: Du Tor, noch diese Nacht wird man deine Seele von dir fordern! Wem wird dann das gehören, was du aufgespeichert hast?»

Überdenke das tragische Geschehen, das der Heiland beschreibt! Die Seele dieses Mannes ist für die Ewigkeit verloren; dahin führte die Sucht nach Reichtümern. Je mehr irdische Güter man besitzt, um so weniger denkt man an die himmlischen. Man verliert die richtige Wertschätzung, das Gewissen stumpft ab und aus dem Herzen schwinden alle höheren Ideale. Bald erwacht der Hochmut, die Leidenschaften verlangen ungestüm nach Befriedigung und die Gebote Gottes werden mit Füßen getreten. Kommt dann der Tod, so wird eine unglückliche Ewigkeit einem solchen Leben folgen. Stelle dir den bitteren Schmerz des Unglücklichen vor, dem der Tod in einem Augenblick alle Güter entreißt, die er Gott vorgezogen hat! Wer kann das Elend einer Seele schildern, der im Augenblick des Todes nichts anderes bleibt als die Erinnerung an die Reichtümer, die sie einst besessen? Wer vermag ihre Angst und ihre Gewissensbisse und ihre Verzweiflung zu schildern? Schöpfe aus dieser Betrachtung den Entschluß, mutig die Fesseln zu brechen, in denen der Teufel dich festhält! Schätze die Güter des Himmels nach ihrem wahren Wert, und alle irdischen Reichtümer werden dir nichtig vorkommen. Reiße dein Herz davon los, und weihe es ausschließlich deinem Gott!