197. Heilung eines Wassersüchtigen

(Lk 14)

 

I Jesus zeigt sich geneigt, den Kranken zu heilen

Als Er an einem Sabbat in das Haus eines vornehmen Pharisäers ging, um zu essen1, gaben sie genau auf Ihn acht. Da stand ein Mann vor Ihm, der die Wassersucht hatte. Jesus fragte die Gesetzeslehrer und Pharisäer: «Ist es erlaubt, am Sabbat zu heilen oder nicht?» Sie schwiegen.

Woran denkt Jesus? Wen will Er belehren? Er weilt inmitten seiner Feinde, die Ihn mit Eifersucht und Abneigung betrachten. Bewundere Ihn, wie Er mit wahrer Seelenstärke auch in dieser Umgebung die Ehre Gottes verteidigt!

Es bietet sich Ihm Gelegenheit, ein Werk der Barmherzigkeit zu üben, aber alle Umstände sprechen dagegen. Der Ort ist ungünstig; alles steht im Widerspruch mit seiner Denk- und Handlungsweise. Jesus weiß es. Allein diese Schwierigkeiten kümmern Ihn wenig, wenn es gilt, durch Wort und Tat die Ehre seines himmlischen Vaters zu fördern. Auch die Zeit ist ungelegen; denn es ist Sabbat, und Jesus könnte sich an diesem Tag Ruhe gönnen. Aber in seinem Herzen tönt die göttliche Mahnung: Arbeite! Einer deiner leidenden Brüder fleht zu dir um Hilfe, und dieses Werk der Barmherzigkeit duldet keinen Aufschub. Geh und hilf ihm! Und Jesus hat die Stimme seines Vaters vernommen und ist herbeigeeilt.

Böswillige Menschen umgeben Ihn, und das Werk, das Er vollbringen will, wird von ihnen mißtrauisch und abfällig beurteilt werden. Man wird dem Heiland bei seinem Handeln rein menschliche Absichten unterschieben, obgleich Er sich nur von übernatürlichen Beweggründen leiten läßt. Aber was liegt Ihm daran, ob man Ihn falsch beurteilt, wenn nur die göttliche Majestät verherrlicht wird! Er überläßt dem himmlischen Vater alle Sorge für seinen guten Ruf. So handelt wahre Frömmigkeit, wahre Liebe und wahrer Eifer. Fühlst du dich angeregt, diesem edlen Beispiel zu folgen?

1 Da Jesus auf dem Weg, der nach Jerusalem führt, aufgehalten wird, entschließ Er sich, erst zu seinem feierlichen Einzug dorthin zurückzukehren, und wendet sich Peräa und der Gegend jenseits des Jordans zu. Wahrscheinlich fand die Heilung des Wassersüchtigen an einem der ersten Tage nach seiner Ankunft in diesem Gebiet statt.

 

II Jesus heilt den Kranken und bringt seine Gegner zum Schweigen

Da faßte Er ihn an, heilte ihn und hieß ihn gehen. Dann sprach Er zu ihnen: «Einem von euch fällt sein Ochs oder Esel in eine Grube. Zieht er ihn nicht sofort heraus, auch an einem Sabbat?» Darauf konnten sie Ihm nichts erwidern.

Der Kranke wird vom Heiland liebreich aufgenommen, denn bei seiner Heilung handelt es sich um die Ehre Gottes. Jesus heilt und entläßt ihn. Mit einer einzigen Gebärde, einem einzigen Wort vollzieht Er dieses Wunder der göttlichen Allmacht.

Merke dir, welche Bedeutung Jesus den Werken der Liebe und Barmherzigkeit beilegt! Er lehrt uns, daß die Gottesliebe mit der Nächstenliebe unzertrennlich vereinigt ist. Alles Gute, das wir unseren Brüdern tun, ehrt Gott ebenso sehr wie die Opfergaben, die wir auf seinen Altar legen. Wenn die Frömmigkeit nicht in unseren Herzen wahre Nächstenliebe wachruft, wenn sie in uns nicht das Feuer selbstloser Hingabe zu entzünden vermag und wenn wir Übungen der Frömmigkeit vorschützen, um uns unseren leidenden Brüdern zu entziehen, so sind wir keine Jünger Jesu Christi und der Geist seines Evangeliums fehlt uns.

Gibt es eine erhabenere und schönere Lehre? Setze volles Vertrauen in deinen göttlichen Lehrmeister! Öffne Ihm dein Herz und zeige Ihm all das Sündenelend, von dem Er dich schon so oft befreit hat und dessen Keim dennoch in dir fortlebt. Er ist bereit, auch an dir seine Barmherzigkeit zu zeigen; komm, um von Ihm geheilt zu werden, wenn Er vorübergeht!