219. Die letzte Reise des Herrn
(Lk 9)
I Jesus begibt sich auf den Weg nach Jerusalem und bittet die Samariter um Gastfreundschaft
Die Tage seiner Aufnahme kamen näher heran. Da hatte Er fest im Sinn, nach Jerusalem zu reisen, und sandte Boten vor sich her. Diese machten sich auf den Weg und kamen in eine Ortschaft der Samariter, um eine Herberge für Ihn zu bereiten.1
Für den Heiland ist die Stunde gekommen, den Weg zum Kalvarienberg einzuschlagen. Er weiß, was seiner wartet. In der Einsamkeit hat Er sich auf die Schmach seines Leidens vorbereitet, und Er sieht allem mit Fassung entgegen. Er bietet sich dem himmlischen Vater zum Opfer an und erneuert seinen Entschluß, für uns zu sterben.
Begleite den Heiland auf seinem Leidensweg! Du lernst da, der Eigenliebe abzusterben und dein Blut für die Ehre Gottes zu vergießen. Dort weiht Jesus die Seinigen in das unaussprechliche Glück eines heroischen Opferlebens ein. Jesus durchwandert auf seiner Reise das Land der Samariter, wo die bloße Tatsache, daß Er nach Jerusalem geht, Ihn unerwünscht macht. Sobald die Bewohner dieser Gegend sehen, daß man gewissenhaft in der Erfüllung seiner religiösen Pflichten ist und mehr an die Ewigkeit als an das Zeitliche denkt, verschließen sie ihre Türen. Trotzdem schlägt der Heiland keinen anderen Weg ein, sondern betritt kühn ihr Gebiet. Bist auch du bereit, schweigend die Verachtung derjenigen zu ertragen, mit denen du zusammenleben mußt, und dich durch nichts von dem Weg abbringen zu lassen, der zur Vollkommenheit führt?
1 Der Heiland wendet sich Jerusalem zu, und zwar durchschreitet Er zuerst das Gebiet der Samariter, das an die Wüste von Ephrem stößt und in dessen Mittelpunkt Bethel liegt. Dort schließt man sich den Karawanen an, die von Galiläa kommen. Aber da Jesus von den Samaritern vertrieben wird, begibt Er sich nach Jericho.
II Jesus wird von den Samaritern abgewiesen
Allein man nahm Ihn nicht auf, weil Er auf der Wanderung nach Jerusalem war. So zogen sie denn in eine andere Ortschaft.
Betrachte den Heiland, wie Er vor den Toren der Stadt steht, in die man Ihn nicht einlassen will. Warum wollen die Einwohner nichts von Ihm wissen und warum weisen die Menschen Ihn zurück, der gekommen ist, sie zu erlösen? Sie kennen Ihn nicht, sie wissen nicht, woher Er kommt, wohin Er geht und welches seine Lebensaufgabe ist. Wenn sie dem Herrn nur ein wenig Zeit ließen, zu ihnen zu sprechen, wenn sie Ihm für kurze Zeit in ihrem Haus Gastfreundschaft gewährten, um seiner Lehre zu lauschen, dann würden sie Ihn erkennen und lieben. Aber statt dessen verschließen sie ihre Türe vor Ihm wie vor einem lästigen oder gefährlichen Menschen. Sie weisen Ihn ab, weil sie sich selbst nicht kennen und nicht wissen, wie sehr sie eines Erlösers bedürfen. Ihr geistiges Elend kommt ihnen gar nicht zum Bewußtsein. Sie halten sich selbst für gerecht und es kümmert sie nicht, ob es noch einen höheren Begriff von Gerechtigkeit gibt. Wie beklagenswert sind diese Menschen.
Wirf einen Blick in dein Inneres! Gleicht deine Seele nicht jener ungastlichen Stadt, welche die entgegenkommende Liebe des Heilands abweist? Wenn du dir in dieser Beziehung Vorwürfe machen müßtest, so bitte Gott demütig um Verzeihung. Mache es dir zur heiligen Pflicht, Ihn durch deine Liebe zu trösten für die Kälte, mit der so viele Seelen Ihm begegnen, und versuche, Ihm durch sanfte Überredung in den Herzen derer, die du liebst, gastliche Aufnahme zu bereiten. Leiste deinem himmlischen Vater für die verletzte Ehre seines eingeborenen Sohnes Genugtuung durch Akte innigster Liebe.