220. Jesus sagt nochmals seine Leiden voraus

(Mt 20, Mk 10, Lk 18)

 

I Jesus spricht zu seinen Jüngern von seinem bevorstehenden Leiden

Er nahm die Zwölf beiseite und sprach zu ihnen: «Wir ziehen hinauf nach Jerusalem. Dort wird alles in Erfüllung gehen, was die Propheten über den Menschensohn geschrieben haben.»

Wenn du dich dem Heiland auf seinem Weg näherst, so wird es dir auffallen, wie schnell Er voranschreitet, und du fragst dich unwillkürlich, welchem Ziel Er so eifrig zustrebt. Er geht, um für uns zu leiden und zu sterben. Noch einmal sagt Er es seinen Jüngern voraus, damit sie sich daran erinnern, wenn für sie selbst der Augenblick gekommen sein wird, sein Los zu teilen. Er versammelt sie um sich. Nähere dich dem Heiland mit ihnen und lausche seinen Worten: «Alles, was von mir geschrieben steht, wird sich erfüllen. Was ihr in den Propheten gelesen habt und was euch mit Entsetzen erfüllte, wird sich vor euren Augen verwirklichen.»

Jesus spricht mit aller Bestimmtheit von seinem bevorstehenden Leiden. «So wird es sich zutragen und in einem solchen Zustand werdet ihr mich sehen; es muß so sein. Ich habe freiwillig diese Leiden und diesen Tod gewählt und ich sehne mich danach, sie zu erdulden.» Suche das Geheimnis dieser Sehnsucht zu ergründen. Was läßt den Herrn die Schmerzen und die Schmach des Kreuzes so bereitwillig und mutig auf sich nehmen? Es ist die Liebe seines Herzens. Über dem Kalvarienberg erstrahlt die Ehre seines Vaters, und durch alle Schrecken und Leiden hindurch fällt Jesu Blick auf die Seelen, denen sein Tod das Leben schenkt. Für Gott und für die Menschen; das ist die Ursache für seine Entschlossenheit.

Man gibt sich im selben Grad hin, wie man liebt. Weil der Heiland unendlich liebt, ist seine Hingabe ohne Maß. Die Liebe seines Herzens schlägt Jesus ans Kreuz, und diese Liebe enthüllt Er uns, wenn Er von seinem Leiden spricht. Sage Ihm Dank und entzünde dein Herz an der Glut seines göttlichen Herzens.

 

II Jesus läßt zu, daß seine Jünger seine Worte nicht verstehen

Sie verstanden aber nichts davon. Diese Rede war für sie dunkel, und sie begriffen nicht, was Er damit meinte.

Die Jünger verstehen ihren göttlichen Meister nicht. Nachdem sie drei Jahre lang seinen Belehrungen gelauscht haben, bleibt ihnen die Notwendigkeit der Buße und der blutigen Sühne ein undurchdringliches Geheimnis. Sie können es nicht begreifen, daß Gott in das Leiden die Kraft gelegt hat, die Sünden der Menschen zu sühnen. Immer wieder stellen sie die gleiche Frage: «Wozu all die Leiden, wozu all die Schmach?» Ihnen fehlt der wahre Glaubensgeist. Ihr Glaube ist noch ganz befangen in menschlichem Denken. Sie beurteilen das Übernatürliche vom natürlichen Standpunkt aus, und dadurch werden sie irregeleitet. — Das Wort des Heilands allein muß die einzige feste Grundlage unseres Glaubens sein, denn es bringt unserem Geist Licht und Verständnis. Diese Wahrheit haben die Jünger noch nicht begriffen.

Ihnen fehlt ferner die innere Sammlung. Sie haben die Lehren des Herrn nicht genügend durchdacht, und deshalb sind sie so schnell ihrem Gedächtnis entschwunden. Die Übung der Abtötung und Selbstverleugnung ist ihnen nicht genügend vertraut, und daher erfassen sie die wohltätige Kraft des Kreuzes nicht.

Erbitte dir vom Heiland das Verständnis, das seinen Jüngern mangelt. Erflehe den Beistand des Heiligen Geistes, um die göttliche Lehre in dich aufzunehmen. Willst du nicht endlich die Großmut Jesu Christi nachahmen, die sich zu allen Opfern für das Heil der Seelen anbietet? Nimm wenigstens aus seiner Hand dankbar dein tägliches Kreuz an; Er hat es gesegnet und reicht es dir hin.