224. Die Heilung eines Blinden nahe bei Jericho

(Mk 10, Mt 20, Lk 18)

 

I Jesus hört die Bitte des Blinden

Sie kamen nach Jericho.1 Als Er mit seinen Jüngern und einer zahlreichen Volksmenge von Jericho aufbrach, saß ein blinder Bettler am Weg, Bartimäus, der Sohn des Timäus. Sobald er hörte, Jesus von Nazareth sei da, rief er laut: «Jesus, Du Sohn Davids, erbarme dich meiner!»

Jesus verläßt Jericho, wo Er neue Jünger gewonnen hat. Begleite Ihn mit der Menge! Er ist das Licht der Welt, und Er kommt, um den Menschen dieses Licht mitzuteilen.

Der Blinde am Weg hört die vorbeiziehenden Scharen und fragt, was der Lärm zu bedeuten habe. Man antwortet ihm: «Jesus von Nazareth geht vorüber!» Sogleich erwacht in seinem Herzen die Hoffnung: «Jesus kommt und wird mich heilen.» Das Licht naht sich ihm, der Blinde fühlt seine Nähe. Er sehnt sich nach dem Licht, wie nur ein Mensch sich danach sehnen kann, der es lange Jahre hat entbehren müssen. Er beneidet alle, die das Glück haben, Jesus zu sehen. Er ist überzeugt, daß der Heiland, den man als so gütig geschildert hat, nicht vorübergehen wird, ohne ihm das zu geben, was ihm fehlt. Deshalb fleht er so inständig: «Jesus, Du Sohn Davids, erbarme dich meiner!»

Wer sind jene, die den Blinden zurückhalten wollen und ihm Schweigen gebieten? Es sind Menschen, die sich für einsichtiger halten als die übrigen und die glauben, die beste Art, von Jesus die Erfüllung einer Bitte zu erlangen, sei nur ihnen bekannt. Sie sind die wahrhaft Blinden, denn das Verständnis des Evangeliums ist nur der Anteil der einfältigen Seelen. Der Blinde läßt nicht nach, und er tut wohl daran. Wer den aufrichtigen Wunsch hat, Jesus zu sehen, der wird Ihn sehen. Du mußt nur ernstlich wollen, und alles, um was du bittest, wird dir gegeben werden.

1 Jesus setzt seinen Weg fort und überschreitet die Anhöhe von Adummim, über die der Weg von Jericho nach Jerusalem führte. Adummim bedeutet Bluthügel, er wurde so genannt, weil dort häufig mörderische Überfälle stattfanden.

 

II Jesus ruft den Blinden zu Sich und gibt ihm das Licht der Augen wieder

Da blieb Jesus stehen und sprach: «Ruft ihn her!» Sie riefen den Blinden heran, und Er fragte ihn: «Was willst du von mir?» «Meister», bat der Blinde, «mach, daß ich sehen kann.» Jesus sprach zu ihm: «Geh hin, dein Glaube hat dich gesund gemacht.» Sogleich konnte er sehen und folgte Ihm auf dem Weg.

Der Blinde wird zum Heiland geführt. Jesus fragt ihn: «Was willst du, daß ich dir tun soll?», und der Blinde ruft aus: «Meister, daß ich sehend werde!» Er weiß besser als du, den Wert und die Wohltat des Lichtes zu schätzen.

Hegst du nicht für dich selbst und die Deinigen den gleichen Wunsch wie jener Blinde? Möchtest nicht auch du den göttlichen Meister bitten: «Gib, daß ich Dich sehe, damit ich die Schönheit deiner menschlichen Natur, die Erhabenheit deiner göttlichen Würde, die Zärtlichkeit deines Erbarmens und die Wunder deiner Weisheit erkenne. Gib, daß ich in einem neuen Licht den Weg erkenne, den ich wandeln muß, um im Tugendleben Fortschritte zu machen. Gib, daß ich sehe.» — Wenn du es willst, so wird der Heiland selbst das Licht deiner Seele werden, Er wird dir deinen Lebensweg erhellen und dir die Gnade verleihen, alles Irdische vom Standpunkt der Ewigkeit aus zu beurteilen. Er erhört alle, die zu Ihm rufen.

«Öffne die Augen!» befiehlt Jesus dem Blinden. Suche dir eine Vorstellung von dem Glück dieses Mannes zu machen, der seine Augen dem Licht öffnet und Jesus vor sich sieht. Was tut er? Wie sucht er seinem Wohltäter zu danken? Was bietet er Ihm als Gegengabe? Die Menge vereinigt sich mit dem Geheilten, um Gott zu loben und zu preisen; stimme auch du in ihre Dankesbezeugungen ein und folge mutig und entschlossen dem Heiland auf dem Weg, den Er dir vorangeht.