233. Eine unbeantwortete Frage

(Lk 20, Mt 21, Mk 11)

 

I Die Feinde Jesu fordern Aufschluß über seine Sendung

Dann ging Er in den Tempel und lehrte. Da traten die Hohenpriester und die Ältesten des Volkes an Ihn heran und fragten: «Mit welcher Vollmacht tust Du dies? Wer hat dir die Vollmacht dazu gegeben?»1

Finde dich bei Jesus im Vorhof des Tempels ein. Seine Widersacher treten mit einer Frage an Ihn heran. Da sie die Wahrheit in den engen Grenzen ihrer Vernunft suchen, können sie die Überfülle der übernatürlichen Wahrheit, die Jesus ihnen verkündet, nicht fassen. In gereiztem Ton fragen sie Ihn: «Wer bist Du? Woher kommst Du? Wer hat dir die Macht gegeben, die Werke zu vollbringen, die Du tust?» Wie töricht ist eine solche Frage! Jesu Werke haben schon lang Zeugnis für Ihn abgelegt. Während der ganzen Dauer seines öffentlichen Lebens hat Jesus die Demütigen erhöht, die Unglücklichen geliebt, die Sünder bekehrt, die Betrübten getröstet, die Schwachen ermutigt, die Kranken geheilt und die Unwissenden belehrt. Jetzt schickt Er sich an, für diejenigen zu sterben, denen sein ganzes Leben gewidmet war. Woher kann eine solche Macht, eine solche Güte, eine solche Hingabe kommen, wenn nicht von Gott? Trotz all dieser Liebesbeweise wird die Vatergüte Gottes, der uns den Heiland gesandt hat, von so vielen Menschen nicht erkannt. Mache du es dir zur heiligen Pflicht, die Güte Gottes in all seinen Fügungen zu verherrlichen.

1 Dieser Vorfall ereignete sich am Dienstag in der Karwoche.

 

II Jesus weigert sich, die Frage zu beantworten

Jesus erwiderte ihnen: «Ich will euch auch eine Frage vorlegen. Wenn ihr mir diese beantwortet, so will ich euch sagen, mit welcher Vollmacht ich dies tue. Woher stammte die Taufe des Johannes? Vom Himmel oder von Menschen?»

Wie bewunderungswürdig sind die Antworten Jesu. Er offenbart sich nicht, ohne Bedingungen zu stellen; doch diese Bedingungen sind einfach und leicht zu erfüllen. Aber der Stolz erträgt nicht, daß man ihm Vorschriften macht. Der Hochmütige glaubt, unserem Herrn eine große Ehre zu erweisen, wenn er sich herbeiläßt, ihn anzuhören, darum stößt er sich an der kleinsten Bedingung und verhärtet sich beim geringsten Widerspruch. Und doch ist es umgekehrt. Jesus Christus erweist dem Menschen eine überaus große Ehre, wenn Er sich herabläßt, ihm die ewigen Wahrheiten zu offenbaren.

Diesmal wird Jesus nicht antworten, weil Er weiß, daß seine Worte fruchtlos bleiben werden. Das Licht der Wahrheit kann dem nichts nützen, der sich ihm freiwillig verschließt. Es kommt für den verblendeten Sünder eine Zeit, da Gott seine Fragen nicht mehr beantwortet und nicht mehr in seinem Innern redet. Der Himmel verschließt sich ihm, und dieses Schweigen der göttlichen Wahrheit ist die furchtbarste Strafe, die den Sünder hienieden treffen kann; mit ihr beginnt sich die ewige Verwerfung anzubahnen.

Auf welches Vergehen hat die göttliche Gerechtigkeit diese schwere Strafe gesetzt? Erinnere dich, wie die Hohenpriester und Ältesten sich dem Heiland und seiner Lehre gegenüber verhalten haben, und du wirst dir diese Frage selbst beantworten können. Du wirst erkennen, daß du besonders deinen Stolz bekämpfen mußt, um deinen Fortschritt und dein ewiges Heil zu sichern. Sei streng gegen dich selbst, und im Hinblick auf das schreckliche Los, das die Hoffärtigen erwartet, rüste dich zu einem heftigen und entscheidenden Kampf gegen Stolz und Eigenliebe!

Beachte das Ende dieser fruchtlosen Unterredung. Sie antworteten Jesus und sprachen: «Wir wissen es nicht.» Da erwiderte Er ihnen: «Auch ich sage euch nicht, in welcher Gewalt ich dies tue.» — So überläßt der Heiland alle Stolzen der Ungewißheit und dem Zweifel. Sie haben die Wahrheit nicht erkennen wollen und werden niemals den Frieden des Herzens finden. Von Gott und den Menschen verlassen, gehen sie ihren eigenen Weg. Bedauere sie, und sage dich von ihnen los. Fasse den festen Entschluß, in demütigem, rückhaltlosem Glauben den Frieden der Seele zu suchen!