239. Das größte Gebot
(Mt 22, Mk 12)
I Jesus erklärt das Gebot der Liebe Gottes als das wichtigste
Und einer der Gesetzeslehrer stellte Ihn auf die Probe und fragte: «Meister, welches ist das größte Gebot im Gesetze?»
Ein Schriftgelehrter tritt an den göttlichen Meister heran mit der Frage: «Welches ist das größte Gebot im Gesetz? — Das Gesetz umfaßt eine Menge von Geboten, ist keines darunter, das alle anderen in sich schließt? Gibt es keinen Weg, der uns unmittelbar zur Vollkommenheit führt? Bietet die Heilige Schrift keine kurze und doch vollständige Anleitung zur Heiligkeit für deine Jünger?» Und Jesus antwortet ihm, wie Er es früher schon getan hat: «Du sollst den Herrn deinen Gott lieben.» Er sagt nicht, tötet euch ab, betet, seid gehorsam, verdemütigt euch. All das ist eingeschlossen in der einen Forderung: «Du sollst den Herrn deinen Gott lieben.» Lieben und alles aus Liebe tun, das ist das ganze Gesetz. Freue dich also und nähre in deiner Seele die zuversichtliche Hoffnung, zur Vollkommenheit zu gelangen, da nur Liebe dazu erforderlich ist und somit der Erfolg ganz von dir abhängt.
Aber es handelt sich hier um die Liebe zu Gott. Wie will Gott von uns geliebt werden? Betrachte den Wortlaut des Gebotes! Du siehst, Gott begnügt sich nicht mit einer geteilten Liebe. Die Liebe Gottes muß in unserem Inneren Ordnung schaffen und erhalten, sie muß sich äußern in Akten der Anbetung, der Unterwerfung, der Dankbarkeit, des Vertrauens und der Hingabe.
Der unendlich vollkommene, unendlich gütige, freigebige und barmherzige Gott, die Quelle alles Guten, der Inbegriff aller Liebenswürdigkeit und das einzige Wesen, das die Sehnsucht unseres Herzens stillen kann, verdient wahrlich unsere ganze Liebe. Gott ist dein Schöpfer und du bist sein Geschöpf; Er ist der Herr, du bist sein Knecht, Er ist dein Wohltäter, du der Beschenkte, Er ist dein Vater und du sein Kind. Du siehst, daß Er Anspruch auf deine Liebe hat, und dein ganzes Wesen soll sich freudig dem Gebot der Liebe unterwerfen.
Wie hast du bisher dieses Gebot beobachtet? Wem hast du bisher deine Liebe geschenkt? Bedenke, daß es Torheit ist, dein Herz einem Menschen zu schenken und das Geschöpf dem Schöpfer vorzuziehen. Weise mit Entschiedenheit alles von dir, was der vollkommenen Gottesliebe widersteht und bereue die Fehler der Vergangenheit!
II Jesus lehrt, daß das Gebot der Nächstenliebe mit dem der Gottesliebe eng verbunden ist
«Das zweite ist diesem gleich: Du sollst deinen Nächsten lieben wie dich selbst. An diesen zwei Geboten hängt das ganze Gesetz und die Propheten.»
Jesus spricht von einem zweiten Gebot, das mit dem ersten eng verbunden ist. «Du sollst deinen Nächsten lieben wie dich selbst.» Wenn du Gott liebst, dann mußt du auch alles lieben, was Gott angehört. Die Menschen sind Kinder Gottes und deine Brüder; in ihnen liebst und ehrst du deinen himmlischen Vater.
Was Gott vereinigt hat, soll der Mensch nicht trennen. Gott schulden wir die Liebe, die Er für unsere Mitmenschen fordert; auf Ihn müssen wir jeden Akt der Gerechtigkeit, des Wohlwollens, der Verzeihung, der werktätigen Liebe, alles, was die Schuldigkeit verlangt und was das Herz eingibt, beziehen. Ich habe die Pflicht, das gleiche zu geben, was ich von den anderen erwarten darf. Ich muß so lieben, wie ich wünsche, geliebt zu werden.
Dieser Regel muß ich folgen, wenn ich an den Nächsten denke oder von ihm spreche, wenn es heißt, seine Schwächen zu ertragen, seine Fehler zu entschuldigen oder ihm in seiner Not beizustehen.
Erbitte dir vom göttlichen Meister die Gnade, in jedem deiner Mitmenschen das Ebenbild des himmlischen Vaters zu erkennen und ihn durch Werke wahrer Nächstenliebe zu ehren.
Der Schriftgelehrte sprach zu Ihm: «Gut, Meister, ganz richtig hast Du gesagt: Es gibt nur einen Gott, und außer Ihm gibt es keinen anderen.» Jesus sprach zu ihm: «Du bist nicht weit vom Reiche Gottes.» — Es ist wahr, daß man der Hingabe an Gott sehr nahe ist, wenn man einmal begriffen hat, daß Gott nichts von uns verlangt, als unsere Liebe. Möchten alle, die die Wahrheit dieser göttlichen Lehre erkennen, sie auch in die Tat umsetzen. Erneuere dich selbst in diesem Entschluß!