46. Der reiche Fischfang

(Mt 4, Mk 1, Lk 5)

 

I Jesus fordert Petrus auf, zum Fischfang hinauszufahren

Als Er seine Rede beendet hatte, sprach Er zu Simon: «Fahr weit hinaus und werft eure Netze zum Fange aus!» Da antwortete Simon und sprach zu Ihm: «Meister! Wir haben uns die ganze Nacht abgemüht und nichts gefangen; doch auf dein Wort hin will ich das Netz auswerfen.»

Verweile in Sammlung bei Jesus im Schifflein des Petrus. Der Unterricht für die Volksmenge ist zu Ende. Nun beginnt jener für seine auserwählten Jünger. Sie brauchen gründlichere Unterweisungen, sie sollen höhere Tugenden üben. «Fahre hinaus in die Tiefe!» befiehlt Jesus dem Petrus. Was will Er damit sagen? «Begnüge dich nicht mehr mit einer Gottesverehrung, wie sie alle üben müssen. Strebe danach, dich auszuzeichnen durch festeren Glauben, größeres Vertrauen, tiefere Demut und vollkommenere Selbstverleugnung. Lenke dein Lebensschifflein in die tiefe See glühender Liebe, erhabener Gedanken, heldenmütiger Anstrengungen, glorreicher Ziele.» Diese überaus ehrenvolle Einladung kommt unerwartet. Gilt sie nicht auch dir? Höre die Antwort des Petrus und lerne von ihm, in die Absichten Gottes vollkommen einzugehen. «Die Stunde ist ungünstig, die Natur droht der Müdigkeit zu erliegen, die Aussicht auf Erfolg scheint ausgeschlossen. Aber du lädst mich ein, und ich zögere nicht. Du redest, und ich glaube. Du versprichst Erfolg, und ich vertraue dir.»

Das ist der wahre Glaube, der sich auf das Wort des Meisters sofort unterwirft. Das ist das wahre Vertrauen, das sagt: «Ich vertraue, weil Du es versprichst.» Glücklicher Jünger, den früherer Mißerfolg nicht entmutigt hat! Petrus begreift schon, daß das Wort des Herrn sich wirksam erweist, wo menschliche Hilfe versagt, und daß man auf sein Wort hin alles vermag. Präge dir diese Wahrheit lief ein, um sie nie wieder zu vergessen!

 

II Der wunderbare Fischfang

Als sie dies getan hatten, fingen sie eine große Menge Fische. Ihre Netze drohten zu reißen. Da winkten sie ihren Gefährten in dem andern Boot, sie möchten kommen und ihnen helfen. Die kamen auch. Man füllte beide Boote, so daß sie beinahe versanken. Als Simon Petrus das sah, fiel er Jesus zu Füßen und sagte: «Herr, geh hinweg von mir, denn ich bin ein sündiger Mensch!»

Wohne im Geist diesem wunderbaren Fischfang bei und erneuere deine freudige Hingabe an den Heiland, in dessen Nachfolge das Vertrauen nie zuschanden wird. O meine Seele, sieh die übervollen Netze! Blicke dankbar zu deinem himmlischen Vater auf. Hier findest du bestätigt, daß du im Dienst Gottes allezeit hundertfältig wiederfindest, was du für Ihn geopfert hast. So verbanne alle Furcht aus deiner Seele und gib dich Ihm rückhaltlos hin.

«Herr, geh hinweg von mir!» ruft Petrus aus. Warum dieser Ausruf? Was bedeutet die rührende Szene, die ihn begleitet? Betrachte sie aufmerksam. Petrus fällt Jesus zu Füßen, er demütigt sich tief im Bewußtsein seines Nichts. Er hat einen Blick getan in die Abgründe der göttlichen Allmacht. Das genügt, um in ihm die lebhafte Empfindung seiner Niedrigkeit zu wecken. Nun weiß er, was er ist und welcher Platz ihm gebührt. Als armseliges Geschöpf wirft er sich dem Sohn Gottes zu Füßen und ruft in der Erkenntnis seiner Unwürdigkeit aus: «Ich bin nichts und weniger als nichts, denn ich bin ein armer Sünder!»

Petrus stellt sich auf den letzten Platz; tue ein Gleiches! Denn es ist der Platz, der dir gebührt. Aber an diesem Platz erfreut man sich überfließender Gnaden. Die Gebete des Demütigen dringen durch die Wolken, und der Herr nimmt seine Huldigungen und Danksagungen gnädig auf.

 

III Jesus beruft Petrus und dessen Gefährten zu seiner Nachfolge

Und Er sprach zu ihnen: «Folget mir nach, und ich werde euch zu Menschenfischern machen!» Sie aber verließen alsbald ihre Netze und folgten Ihm.

Höre, wie Jesus die begnadigten Jünger zu seiner Nachfolge beruft. Gott erhöht die Demütigen. Er liebt und bevorzugt sie. Da die Jünger ihr Nichts erkennen, kann Jesus sich ihrer bedienen. Sie werden seinen Plänen nicht hindernd entgegentreten. Denn sie haben ihre persönlichen Ansichten aufgegeben und werden sich blindlings von Ihm leiten lassen. «Folgt mir nach, und ich werde euch zu Menschenfischern machen!» sagt Jesus zu ihnen. «Der Erfolg, der euch soeben erfreut hat, ist ein Wunder, ein Vorspiel vieler anderer Großtaten Gottes. Die Menschheit ist in den Abgrund der Sünde geraten, sie muß daraus befreit werden. Wollt ihr euch mit mir diesem Apostolat weihen?» Wie entsprechen die Jünger dieser Einladung? Sieh, wie sie alsbald ihre Netze zusammenlegen und ohne Zögern ihr Gewerbe aufgeben, das sie gerade jetzt mit so reichem Ertrag erfreut hatte. Sieh, wie sie ihr Schifflein verlassen und sich von den Ihrigen trennen. Worin liegt das Geheimnis dieser opferwilligen Hingabe? Es liegt im Anblick und in der überwältigenden Offenbarung Dessen, Der sie beruft. Wo Gott sich kundgibt, kann der Mensch nicht widerstehen. Wenn du nur eine unbestimmte und unklare Kenntnis Gottes hast, so ist es nicht zu verwundern, daß du noch zauderst und fürchtest. Wenn du aber den lebendigen Gott in allem suchst, wirst du bald für Ihn gewonnen sein.

Die Aufforderung «Folge mir!» geht auch an dich. Wo ist denn für dich der Wirkungskreis, wohin der Meister dich beruft, um an der Verbreitung des Evangeliums mitzuarbeiten? Denke darüber nach und dann antworte wie Petrus und seine Gefährten. Schütze nicht deine Unfähigkeit vor, denn Jesus verspricht seinen Jüngern, daß Er selbst sie zu dem heranbilden wird, wozu Er sie berufen hat. Jesus wird nicht aufhören, dir beizustehen, damit du in seiner Nachfolge auszuharren vermagst. Deshalb vertraue!