52. Der Sturm auf dem Meer

(Lk 8, Mt 8, Mk 4)

 

I Jesus fährt mit seinen Jüngern über den See

An demselben Tage, da es Abend geworden war, sprach Er zu ihnen: «Laßt uns hinüberfahren an das andere Ufer!» Sie entließen also das Volk und nahmen Ihn, so wie Er war, im Boot mit. Es waren aber auch noch andere Boote mit Ihm.

Folge auch du der Einladung, die Jesus an seine Jünger richtet. Er will ihnen eine Lehre erteilen, die du ebenso notwendig hast. Sie sollen verstehen lernen, bis zu welchem Grade sie auf Ihn vertrauen müssen. Bereite mit den aufmerksamen Jüngern dem Heiland einen Platz im Schifflein. Bitte Ihn, es zu besteigen, und folge Ihm dann. Die Jünger haben nichts zu fürchten, denn sie unternehmen die Fahrt auf Befehl des Meisters. Wenn man sich auf einen Befehl Gottes stützt, kann man jeder Gefahr die Stirn bieten. Das Bewußtsein, den Willen Gottes zu erfüllen, gibt der Seele Kraft. Du wirst erfahren, daß Jesus den Seinigen die Prüfungen nicht erspart und daß seine größten Gunstbezeugungen niemanden vor den Stürmen des Lebens schützen. Aber an der Seite Jesu kann keine Seele zugrunde gehen. Verbanne alle Furcht und festige dich im Glauben.

 

II Jesus schläft während des Sturmes

Während sie dahinfuhren, schlief Er ein. Da erhob sich ein gewaltiger Sturm auf dem See, so daß das Boot von den Wogen überflutet wurde. Er aber schlief hinten im Boot auf dem Kissen.

Der Meister bedarf der Ruhe, Er hat so viel für die Seinen gearbeitet. Den ganzen Tag hat Er im Dienst jener zugebracht, die sein himmlischer Vater Ihm anvertraut hat. Auch du gehörst zu ihrer Zahl. Ermüdet schläft Er ein. Glaubst du, der Herr habe jetzt seine Jünger verlassen und sie seien nun weniger in Sicherheit? O nein, schlafend oder wachend ist Jesus immer der allwissende, allmächtige und gütige Gott.

Es erhob sich ein gewaltiger Sturm. Der Sturm erhebt sich, und Jesus fährt fort zu schlafen. Warum gibt Er den Anschein, als ob Er nichts wisse von dem, was vorgeht? Er will den Glauben und das Vertrauen der Jünger prüfen. Er überläßt sie kurze Zeit sich selbst, damit sie erfahren, wie ohnmächtig sie sind.

Die Jünger kämpfen mit den Wogen und verzagen. Es fehlt ihnen nicht an Energie und Erfahrung im Kampf gegen den Sturm, aber was vermögen eifrigste Arbeit und bewährte Geschicklichkeit, wenn der Glaube wankt? Der Glaube verleiht Stärke. Mitten im tobenden Sturm, selbst bei den heftigsten Angriffen der Hölle, wirst du unüberwindlich sein, wenn dein Glaube standhält und du bei Jesus ausharrst, selbst wenn Er dich deinem Schicksal zu überlassen scheint.

 

III Jesus stillt den Sturm

Da traten seine Jünger zu Ihm, weckten Ihn und riefen: «Herr, rette uns! Wir gehen unter!» Er aber entgegnete ihnen: «Was seid ihr so furchtsam, ihr Kleingläubigen?»

Höre die angstvolle Klage der entmutigten Jünger: «Kümmerst Du Dich nicht mehr um uns? Liegt Dir unser Wohl nicht mehr am Herzen? Sind wir nicht mehr die Deinen? Sind wir nicht in diese Gefahr geraten, weil wir Dir gehorcht haben?» Man möchte fast sagen, daß die Jünger mit ihren flehenden Bitten seine Güte wieder wecken wollten, als ob die Güte im Herzen Gottes einschlafen könnte! Weiß der Sohn Gottes vielleicht in der Stunde der Gefahr nicht mehr alles, was Er vorher gewußt hat? Ist Er dann weniger allmächtig und weniger geneigt, uns zu helfen? Darum höre den Vorwurf, den Jesus den Jüngern macht: «Was seid ihr so furchtsam, ihr Kleingläubigen! Wo ist euer Glaube? Wenn ihr an mich glaubt, was habt ihr da zu fürchten? Welchen Sturm sollte ich nicht beschwichtigen können? Gegen welche Feinde vermöchte ich euch nicht zu verteidigen? Bedenkt, wer ich bin, und ihr werdet erkennen, was ihr vermögt!» Beherzige den Tadel des Heilandes und ziehe Nutzen daraus. Alle Gewalt des Bösen zerschellt an einem Akt des Glaubens. Aber der Glaube ist nur dann stark, wenn er sich einzig auf das stützt, was Gott gesagt hat, und alles geringschätzt, was ihn von außen nachteilig schwächen will. Sieh zu, wie es mit deinem Glauben bestellt ist, und verbessere, was mangelhaft ist!

Um einen lebendigen, unerschütterlichen Glauben zu erlangen, bitte den Heiland, in dir die Empfänglichkeit für das Irdische zu vermindern, den aufgeregten Wogen des Stolzes, der Sinnlichkeit und des Zorns Schweigen zu gebieten und den heftigen Anreizungen der Begierlichkeit wie auch der Fieberglut unstatthafter Neugierde und unersättlicher Wünsche Einhalt zu tun. «Schweige! — Verstumme!» gebot Jesus. Der Wind legte sich, und es ward eine große Stille. Angesichts der göttlichen Allmacht und Güte festige für immer dein Vertrauen auf Jesus. Erkläre dich bereit, in allen Stürmen auszuhalten, wie seine Ehre es verlangt.