54. Die Gerasener

(Mt 8, Mk 5, Lk 8)

 

I Jesus redet mit dem Geheilten

Da gingen die Leute hinaus, um zu sehen, was vorgefallen war. Sie kamen zu Jesus und fanden den Mann, aus dem die bösen Geister ausgefahren waren, bekleidet und vernünftig zu Jesu Füßen sitzen. Sie gerieten in Furcht.

Setze dich auch zu Füßen des Herrn. An dem Geheilten ist keine Spur mehr von dem schrecklichen Leiden zu gewahren. Die Umnachtung seines Geistes ist gewichen, und seine Seele genießt vollen Frieden. Er ist frei, ruhig und seiner selbst wieder mächtig. Er erfreut sich der Gegenwart seines Wohltäters und scheint sich mit der Frage zu beschäftigen: «Was kann ich dem Herrn vergelten für eine solche Wohltat?» Glücklich die Seele, welche die tyrannische Herrschaft der Leidenschaften mit jener der Gnade vertauscht! Kann man hienieden einer größeren Seligkeit teilhaftig werden?

Verkoste den Frieden des Geheilten und nimm teil an seinem Glück. Gleich ihm zeige dem Heiland Dankbarkeit, Vertrauen und Hingabe, denn Er hat schon mehr als einmal dies Wunder der Befreiung vom bösen Geist an dir bewirkt. Erinnere dich der zahllosen Beweise der göttlichen Barmherzigkeit, und du wirst trostreiche Stunden in vertrautem Zwiegespräch mit deinem Erlöser zubringen.

 

II Die Undankbarkeit der Gerasener

Und siehe, die ganze Stadt ging hinaus, Jesus entgegen, und da sie Ihn sahen, baten sie Ihn, daß Er weggehe aus ihrem Gebiet.

Die Menge eilt zu Jesus, um Ihm eine Bitte nach Art feiger Seelen zu stellen: «Geh weg aus unserem Gebiet und wirke deine Wunder an andern Orten! Es kostet uns zu viele Opfer, Dich aufzunehmen und uns Dir zu unterwerfen.» Man möchte dem Herrn angehören, aber ohne etwas für Ihn zu opfern. Die Gerasener fürchten den Verlust ihrer irdischen Güter, sie werden die irdischen behalten, aber die himmlischen dafür verlieren. Beklage so viel Torheit und Verblendung.

Halte ernsthafte Einkehr und prüfe dich! Gehörst du nicht zu jenen engherzigen Seelen, die sich fern von Jesus halten, Ihn sogar von sich stoßen aus Furcht vor den Opfern, die mit seiner Nachfolge verbunden sind? Woher kommt dieses Übel? Die Menschen sind gewohnt, alle Ereignisse vom natürlichen Standpunkt aus zu betrachten, ohne sich zum Übernatürlichen zu erheben. Wie kann man in einem solchen Seelenzustand die Stimme der Gnade hören und ihr folgen? Indem man den Glauben wieder erweckt und den Heiligen Geist um Erleuchtung bittet. Ziehe Nutzen aus dieser Betrachtung!

 

III Jesus vertraut dem Geheilten das Apostolat bei seinem Volk an

So stieg Er denn in das Boot und fuhr zurück. Der Mann, aus dem die bösen Geister ausgefahren waren, bat Ihn, mit Ihm gehen zu dürfen.

Begib dich mit Jesus wieder ans Ufer. Der Heiland will anderen Seelen die Schätze seiner Gnade bringen, welche die engherzigen Gerasener verschmäht haben. Sein Herz ist verwundet worden. Nun findet Er eine großmütige Seele, die Ihn trösten will.

Betrachte mit liebender Aufmerksamkeit die rührende Szene, die sich dir darbietet. Der Besessene hat seine Freiheit wiedererlangt. Wozu wird er sie gebrauchen? «Meister, ich gebe sie Dir, nimm sie hin, verfüge über mich nach deinem Wohlgefallen. Erlaube mir, dein Leben zu teilen. Laß mich Dir folgen.» So spricht der Geheilte. Erwecke auch du in deinem Herzen die Dankbarkeit und erwäge die zahllosen Gründe, die du dazu hast.

Was antwortet der Erlöser? Er gewährt die Bitte nicht, sondern sagt: «Gehe hin in dein Haus zu den Deinigen und verkünde ihnen, was der Herr Großes an dir getan und wie Er sich deiner erbarmt hat!» Mit andern Worten: «Werde mein Apostel unter den Deinigen und arbeite an ihrem Seelenheil. Teile ihnen die Wohltat mit, die du Mir verdankst. Möchte dein Wort sie zum Glauben führen und dein Beispiel in ihnen das Verlangen nach meiner Rückkehr wecken. Setze deinen ganzen Eifer ein, um Mir in dem Lande, aus dem man Mich vertrieben hat, wieder Eingang zu verschaffen!» Dies ist die Aufgabe, die der Heiland ihm erteilt. Die erhabenste Aufgabe für den Menschen hienieden ist, den Willen Gottes an dem Ort zu vollziehen, den Er uns anweist, und zufrieden zu sein mit allem, was Er über uns verhängt. Das hat der großmütige neue Jünger sofort begriffen. Teile seine Freude und ahme seinen Eifer nach. Werde auch du ein Apostel in deinem Kreise!