55. Die Heilung des Gichtbrüchigen

(Mt 9, Mk 2, Lk 5)

 

I Jesus nimmt die Menge des Volkes auf

Nach einigen Tagen kam Er wieder nach Kapharnaum. Und als es bekannt wurde, daß Er im Hause sei, kamen wieder viele Leute zusammen, so daß nicht einmal der Platz vor der Türe sie zu fassen vermochte, und Er verkündete ihnen das Wort.

Die Rückkehr Jesu gestaltet sich in Kapharnaum zu einem Fest. Geselle dich der herbeiströmenden Menge zu, um mitzufeiern. Jesus jedoch kehrt nur zurück, um seine Arbeit wieder aufzunehmen. Er versammelt alle, die Ihn begrüßen und lehrt sie. Setze dich Ihm zu Füßen.

Von weit her ist das Volk herbeigeeilt, es hat um Jesu willen die tägliche Arbeit unterbrochen. Dennoch glaubt keiner, damit etwas Besonderes getan zu haben. Alle hoffen, als Lohn für ihre Anstrengungen Licht und Ermutigung zu empfangen. Sie werden in ihren Erwartungen nicht enttäuscht werden. Wirf einen Blick in die Seelen. Ermiß das übergroße Elend, das sie sich selbst nicht eingestehen wollen. Vom Heiland geht eine göttliche Kraft aus, die erleuchtet, erhebt und heilt. Mit seiner Allmacht und Güte stellt Er sich allen zur Verfügung. Wie dieses Volk schließe auch du deine Seele dem übernatürlichen Einfluß deines Heilandes auf. Erflehe für alle die Gnadenwirkung des barmherzigen Erlösers!

 

II Jesus läßt dem Gichtbrüchigen die Sünden nach

Und siehe, sie brachten zu Ihm einen Gelähmten, der auf einem Bette lag. Da nun Jesus ihren Glauben sah, sprach Er zu dem Gelähmten: «Sei getrost, mein Sohn! Deine Sünden sind dir vergeben!»

Betrachte, was sich zuträgt. Ein Liebeswerk, das aus dem Glauben hervorging, lenkt die Aufmerksamkeit des Gottessohnes auf einen armen Kranken. Mitleidige Männer setzen einen Unglücklichen zu den Füßen Jesu nieder. Lerne von ihnen, dem Heiland die hilfsbedürftigen Seelen vorzustellen und Ihm ihr Elend darzulegen.

Wie nimmt Jesus das ungewöhnliche Vorgehen auf? Er erhebt den Blick und erkennt die Größe des Übels, Er schaut die Häßlichkeit der Sünde, die es verursacht hat. Da spricht Er das gütige Wort: «Sei getrost, mein Sohn!» Er verlangt nur Vertrauen vom Kranken. Vertraue auch du dich seiner Fürsorge an. Die unendliche Weisheit hat ihre eigene Art zu handeln. Ihr Auge entdeckt Übel, die sich dem menschlichen Auge entziehen.

«Deine Sünden sind dir vergeben», sagt Jesus zu dem Kranken. So verfährt die göttliche Weisheit, zuerst heilt Sie die Seele, dann den Leib. Du bittest um irdische Wohltaten. Mache dich ihrer würdig durch das Bekenntnis deiner Sünden. Flehe zuerst die Barmherzigkeit um Verzeihung an und dann komme zur Allmacht, um dich heilen zu lassen. Würdige das weise Vorgehen Jesu und entsprich von ganzem Herzen seiner Aufforderung zum Vertrauen. Enthülle Jesus die geheimsten Falten deiner Seele, alle Unvollkommenheiten deines täglichen Lebens, alle Mängel und Gebrechen. Höre, wie Er zu dir sagt: «Hab Vertrauen, mein Kind!»

 

III Jesus heilt den Gichtbrüchigen, um seine Macht der Sündenvergebung zu bekräftigen

Da dachten einige Schriftgelehrte und Pharisäer bei sich: «Wer ist dieser, der da Gotteslästerungen ausstößt? Wer kann Sünden vergeben als Gott allein?»

Die Pharisäer murren, der Meister aber rechtfertigt sich. Erkenne mit Freuden an, daß seine Beweisgründe unantastbar und seine Lehren die lautere Wahrheit sind. Ja, es ist wahr, infolge der Gewalt, die der Heiland mit voller Rechtmäßigkeit hat und die Er uns allen zu Diensten stellt, findest du jederzeit und überall die Stellvertreter seiner göttlichen Barmherzigkeit bereit, dich von deinen Sünden loszusprechen. So heilt der himmlische Vater unsere Seelenkrankheiten. Nun will der Herr auch äußerlich beweisen, was Er in der Seele des Kranken bewirkt hat. «Damit ihr aber seht, daß der Menschensohn Gewalt hat, Sünden zu vergeben, so sage ich dir: »Stehe auf, nimm dein Bett und kehre in dein Haus zurück.» Und sogleich erhob sich der Kranke, vollkommen geheilt. So offenbart sich die Allmacht des Allerhöchsten, Dem du dich rückhaltlos anvertrauen darfst.

Betrachte sein Wort auch als an dich gerichtet. Auch zu dir hat Jesus gesagt: «Steh auf!» Erhebe dich aus dem selbstverschuldeten Elend, in das du so lange versunken warst. «Nimm dein Bett!» sagt Jesus weiter zu dem Geheilten. Warum dieser Befehl? Ohne Zweifel, damit der Kranke niemals das Andenken an die erhaltene Wohltat verliere. Er trägt sein Bett nach Hause als augenfälligen Beweis der göttlichen Barmherzigkeit. Dieses Erbarmen wird er unablässig betrachten, und seine Dankbarkeit wird bleiben. Durchdringe auch du dich mit der dankbaren Gesinnung des Geheilten.

«Wir haben heute wunderbare Dinge gesehen», spricht erstaunt die Menge. Was haben sie gesehen? Einen Menschen, der Sünden vergibt. Die einfachen Seelen, vor denen das Ereignis sich abgespielt hat, sind davon ganz ergriffen.

Bedenke, daß auch heute noch Menschen auf Erden leben, die die gleiche Gewalt der Sündenvergebung besitzen. Jeder katholische Priester kann dich im Namen und Auftrag Jesu Christi mit Gott aussöhnen. Belebe deinen Glauben und danke dem himmlischen Vater, daß du durch die priesterliche Vermittlung der kostbaren Gnade der Versöhnung mit Gott teilhaftig werden kannst.