56. Die Berufung des Levi

(Mt 9, Mk 2, Lk 5)

 

I Jesus nähert sich dem Haus des Zöllners

Er ging nun wiederum hinaus an das Meer, und alles Volk kam zu Ihm, und Er lehrte sie. Im Vorbeigehen sah Er Levi, den Sohn des Alphäus, an der Zollstätte sitzen.'

Gehe deinem göttlichen Meister entgegen. Er will der Menge seine Himmelsgaben spenden und bedarf dazu apostolischer Mitarbeiter; darum ergeht sein Ruf an hochherzige Seelen.

Begleite den Heiland zum Haus des Levi. Noch sitzt er, den Jesus sich zum Apostel auserkoren hat, an der Zollstätte, Geist und Herz ganz versenkt in die Verwaltung seiner irdischen Geschäfte. Durch nichts scheint seine Berufung bisher vorbereitet worden zu sein. Jesus erblickt ihn im Vorübergehen. Bedeutungsvolles Vorübergehen! Auch in der Regierung der Welt scheinen oft die wichtigsten Ereignisse eine Folge zufälliger Umstände zu sein. Doch alles, was für uns unvorhergesehen eintritt, hat die göttliche Vorsehung angeordnet und vorbereitet. Von Ewigkeit her hat der Sohn Gottes beschlossen, am Zollhaus vorbeizugehen und in diesem Augenblick ein Wunder der Bekehrung zu wirken.

Jesus bleibt stehen und erhebt den Blick. Er durchschaut den Zöllner so, wie er ist, mit seinen Sünden, seinem Elend, seinen Fehlern und Schwächen, aber auch mit seinem Großmut. Der Anblick der Übel hält den, der sie zu heilen vermag, nicht zurück. Alle Kämpfe, die du zu bestehen hast, alle Schwächen, die über dich kommen können, alle Befürchtungen, die du hegen magst, und alle Unmöglichkeiten, die du vorschützest, dein Heiland hat all das gesehen, gehört und verstanden. Aber seine Gnade ist allmächtig. Es gibt kein Hindernis, über das sie dir nicht den Sieg verleihen kann.

1 Die Zöllner waren Steuereinnehmer. Sie erhoben die Abgaben im Auftrag der römischen Regierung, und schon aus diesem Grund galten sie den Juden als Verkörperung der tyrannischen Fremdherrschaft, der Ungerechtigkeit und der rohen Gewalt. Man stellte sie den Dieben und öffentlichen Sündern gleich. Die römische Steuerbehörde erstellte Zollstätten auf den von den Karawanen am meisten benutzen Straßen, an den Grenzübergängen der verschiedenen Provinzen, überall, wo sie Zölle für den Durchgang, die Ein- und Ausfuhr und den Verkauf von Waren zu erheben hatte. Deshalb hatte auch Kapharnaum eine außergewöhnliche Bedeutung.

 

II Jesus lädt den Zöllner zu seiner Nachfolge ein

Jesus sprach zu ihm: «Folge mir nach!» Und er stand auf, verließ alles und folgte Ihm nach.

«Folge mir!» spricht Jesus. Die Stimme Gottes ruft ein Geschöpf, ein armseliges Wesen. O möchte ihr Klang auch in den Tiefen deiner Seele gehört werden. Es ist die Stimme des Allmächtigen. Sie bewirkt zur Stunde Wunderbares in der Seele des Zöllners: Weltentsagung, Vergessen seiner selbst und die Losschälung von den irdischen Gütern. Sie entzündet in seinem Herzen eine Liebesglut, die nie mehr erlöschen wird. «Ich bin bereit, ich will Dir folgen. Führe mich, wohin Du willst, mach mit mir, was Dir gefällt! Ich bin nur Schwäche, Du aber bist der Allmächtige. Ich übergebe mich Dir ohne Rückhalt.» Hege auch du solch edelmütige Gesinnungen wie der Zöllner, und wenn du dieselbe Stimme vernimmst, antworte wie er. Gleich ihm biete dich ohne Rückhalt an, für die Verbreitung des Reiches Gottes auf Erden zu arbeiten. Das ist der einzige Zweck, den Jesus verfolgt, und Er bittet dich, Ihm zu helfen. So gehe hin und folge Ihm nach!